Evangelisch und doch jeck

Pfarrer Oliver Ploch macht als Karnevalspräsident in Bacharach von sich reden.

Plittersdorf. Wenn dem spröden Protestanten irgendwas suspekt ist, dann der lebensfrohe Karneval. Sagte man lange Zeit selbst im Rheinland. Und dann tauchte vor drei Jahren in Bad Godesberg ein evangelischer Pfarrer aus dem Hunsrück auf, der schnell das heimische "Helau" gegen "Alaaf" vertauschte und sich seither unbeirrt selbst auf lokalen Prunksitzungen tummelt.

Jetzt entpuppt sich der Seelsorger mit der Narrenkappe auch noch als echter Karnevalspräsident: Oliver Ploch, Pfarrer der Thomas-Kirchengemeinde, regiert seit fünf Jahren nebenbei die Fassenacht im rheinischen Bacharach. Er habe in seiner Heimatstadt auch bei diesem Sessionsauftakt "in seiner unnachahmlichen Art mit so manchem schrägen Reim Seitenhiebe verteilt", schreibt die dortige Lokalpresse. Man kennt seinen Ploch. Hat man ihn doch schon, als er Theologiestudent war, in den Elferrat und dann auf den Präsidentenstuhl gehievt. "Obwohl manche meinten, das geht nicht, der ist noch zu jung und dann auch noch evangelisch", lacht Pfarrer Ploch im Rückblick.

Doch dem sowohl Jungen wie Evangelischen lag es offenbar, Menschen froh und unbeschwert zu machen. "Eigentlich ist genau das ja auch Aufgabe der Verkündigung des Evangeliums", sagt Ploch. Eine jecke Sitzung geschickt zu leiten, sei letztlich nicht sehr viel anders, als einen stimmungsvollen Gottesdienst zu feiern.

"Auch der Karneval kennt seine Liturgien." Und da kann Ploch, unbestritten eine Rampensau, sich offenbar in seinem kleinen Bacharach austoben. Hier wolle, anders als im professionellen Karneval, jeder Programmpunkt mit eigenen Kräften gestaltet werden: von der Garde über den Vortrag bis zum Bühnenbild. "Das ist eine große logistische und kreative Leistung jedes Jahr", stöhnt Ploch, der in den entscheidenden Tagen Urlaub von seinen Godesberger Schäfchen nimmt. Dazu werde er in Bacharach enorm entlastet. "Mit der Vereinsführung habe ich dort nichts zu tun."

Hat er denn nie Schwierigkeiten mit der Rolle bekommen? Als er im Nachbarort Vikar wurde, sei er schon vom Lehrpfarrer gedrängt worden, das Jeckenamt aufzugeben, sagt der 43-Jährige. Die Leute könnten das nicht verstehen, wenn man in der Woche eine schwierige Beerdigung habe und dann am Wochenende auf der Bühne tanze, war das Argument. "Das habe ich damals sofort, aber schweren Herzens eingesehen. Jedoch seit fünf Jahren mache ich es wieder", strahlt er dann.

Bonn sei ja 100 Kilometer von seiner Jeckenhochburg entfernt. Vielleicht wäre es aber auch in Bonn heute kein Problem mehr, beides sein zu dürfen: Seelsorger und Oberjeck. Übrigens habe sein Beruf auch durchaus Folgen für die Narren. "Allen wohl und niemand weh" sei als Karnevalsmotto oft schwierig umzusetzen. "Als Pfarrer kann und will ich nicht verantworten, dass auf Kosten von Minderheiten oder Einzelpersonen kränkende Aussagen gemacht werden. Da muss ich schon immer mal in Vorträge eingreifen und um Verständnis werben, vor allem bei Jugendlichen.

Und was ist für ihn der Reiz, das protestantische Bäffchen mit der roten Nase zu vertauschen? "Wer das Leben für eine Narrheit hält, erlebt manch' schöne Stunde. Doch wer sie ernst nimmt, diese Welt, der geht an ihr zugrunde. Das ist ein Trinkspruch, den ich sehr mag", antwortet Ploch. Auch Christen seien letztlich Narren. "Sie könnten befreit leben, wenn sie glauben, was gepredigt wird." Natürlich gebe es viel oberflächliche Fröhlichkeit im Karneval. Aber für ihn habe die Session auch einen tieferen Sinn: Gemeinschaft und Lebensfreude zu schaffen. "Es gibt nichts Schöneres, als einen Saal zum Kochen zu bringen. Und wenn man gut vorbereitet ist, dann noch einen draufzusetzen. Das ist fast so schön wie predigen, aber nur fast." Und jetzt lacht Ploch wieder aus vollem Herzen.

Ploch hat für Freitag, 17. Februar, im Foyer seiner Christuskirche ein Public Viewing der TV-Sendung "Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht" geplant. Auch wenn das in Bonn einem Sakrileg gleich komme, die gemeindliche Männerrunde lade zur Fastnacht aus der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt ein. Ploch erklärt dabei allen Alaaf-Jüngern die Besonderheiten des Helau-Sitzungskarnevals seiner Heimat. Und wer es nach Narrhalla-Märschen nicht mehr aushalte, dürfe zwischendurch im Nebenraum mit Leidensgenossen bei Kölsch oder Wein "Viva Colonia" singen.