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Sturm auf das Bonner Rathaus: Bonna ist Punktsiegerin gegen „Rocky“

Sturm auf das Bonner Rathaus : Bonna ist Punktsiegerin gegen „Rocky“

Mirko I. und Patty I. erobern das Alte Rathaus. Die kölsche Musikband De Boore spielt beim Biwak der Ehrengarde auf der Marktplatzbühne.

Drei Niederlagen in vier Tagen: Diese niederschmetternde Bilanz hat Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan am Sonntag ziehen müssen. Der Verwaltungschef hat in der Hochphase des rheinischen Karnevals drei seiner vier Rathäuser verloren und muss sich bis Aschermittwoch ins Rathaus Hardtberg zurückziehen. Im Umkehrschluss bedeutet das: Prinz Mirko I. (Feld) und Bonna Patty I. (Burgunder) regieren jetzt die Bundesstadt. Mit Unterstützung der Bonner Stadtsoldaten und des Festausschusses Bonner Karneval gelang es den Tollitäten, mit der vierten Angriffswelle das Alte Rathaus zu erobern.

Der OB hatte zur Verteidigung alles aufgeboten, „was nicht bei Drei auf den Bäumen war“. Sogar ein ehemaliger Boxweltmeister stand ihm zur Seite. Torsten May, der 1992 im Halbschwergewicht in Barcelona die Goldmedaille gewann, riet Sridharan, als „Rocky“ in den Narrenring zu gehen. Gesagt, getan.

Im blauen Kapuzenpullover und mit roten Handschuhen stellte sich der OB den närrischen Truppen entgegen. Die ersten Punkte im Schlagabtausch verbuchte Sridharan für sich. Zum Beispiel als Festausschusspräsidentin Marlies Stockhorst 35 000 Stadtsoldaten als Angriffswelle ankündigte, konterte er: „Dann breche ich die Veranstaltung sofort ab. Der Festausschuss hat nur 3000 angekündigt.“ Darauf die Präsidentin: „Der Punkt geht an Dich.“

Als Patty I. dann den Stadtsoldaten die „geilste Karnevalsfete“ der Welt im Rathaus versprach, rannte das Corps erfolgreich an und nahm die Burg der Federfuchser und Tintenkleckser im Sturm. Um 15.27 Uhr kapitulierte der OB, warf das verschwitzte Box-Handtuch in die Menge und übergab enttäuscht den Rathausschlüssel: „In Beuel verloren, in Bad Godesberg verloren, jetzt auch noch in Bonn verloren – wie soll das weitergehen?“

Dabei sah es lange Zeit so aus, als ob die Reihen der Verteidiger fest stehen. Die KG Walzbröde der Kolpingsfamilie Bonn-Zentral hatte personell mächtig aufgerüstet. 60 Rathausverteidiger standen mit spitzen Bleistiften und mit zu Schutzschilden umgebauten Aktenordnern auf dem Marktplatz und versuchten, die Stadtsoldaten vom Rathaus fernzuhalten. „In unserem Doppel-Jubiläumsjahr haben wir alles gegeben“, sagte Schultheiß Andreas König nach der Jeckenschlacht.

Seit 60 Jahren verteidigen die Walzbröde, die 2017 ihr 120-jähriges Bestehen feiern, das Alte Rathaus – und haben 60 Mal verloren. Gefragt, warum die Walzbröde als Karnevalsgesellschaft das Rathaus verteidigen statt zu stürmen, antwortete König: „Leider weiß das niemand. In unserem Vereinsarchiv finden wir dazu auch keine Antwort.“

Die organisierten Narren haben ihren Erfolg nicht mit Waffen, sondern mit einer Kulturwelle als Ablenkungsmanöver erreicht. Die Bonner Stadtsoldaten samt Kommandant Ralf Wolanski, die nach wie vor von ihrem historisch einmaligen Auftritt in Venedig beseelt sind, hatten sich die Bonner Gruppe „Carnevale di Venezia“ zur Unterstützung an die Seite gestellt, die mit ihren selbst gemachten historischen Kostümen des venezianischen Karnevals seit 20 Jahren den Carnevale di Venezia im Rheinland bekannt macht und inszeniert.

Der Ursprung von Carnevale die Venezia Bonn ist ein Kurs in der Familienbildungsstätte im Jahr 1997, der den venezianischen Karneval zum Thema hatte. Seitdem treffen sich Männer und Frauen, die sich diesem Karneval verschrieben haben, und nähen ihre Kostüme nach Anleitung und Ideen von Heidemarie Axler, die auch Leiterin der Gruppe ist.

Vor dem Rathaussturm traf man sich beim traditionellen Biwak der Ehrengarde. Der Vaterstädtische Verein hatte sein Feldlager gegenüber dem Vorjahr deutlich vergrößert. Zum Beispiel stand wieder eine Bühne auf dem Marktplatz, auf der die kölsche Mundartband De Boore spielte. Kommandant Thomas Janicke und 60 Ehrengardisten versorgten die Bonner mit Essen, Trinken, Musik und Unterhaltung. Umlagert war wie in jedem Jahr der Ordensstand. Sammler konnten dort Raritäten erwerben. „Seit 51 Jahren bauen wir unsere Zelte und Stände auf und stimmen die Bonner damit auf den Rathaussturm ein“, sagte Janicke.

Stadtdechant Wilfried Schumacher hatte wieder Besuch aus Magdeburg auf den Marktplatz mitgebracht: Pater Michael Stern, der vor Jahren in Bonn Theologie studiert hat, kommt jedes Jahr aus der karnevalistischen Diaspora, um mit Schumacher Fastelovend ze fiere.