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Lieber Wein trinken als Kamelle werfen

Lieber Wein trinken als Kamelle werfen

Der Hardtberg ist seit jeher eine karnevalistische Diaspora - Auch Prinzenpaare sucht man dort vergebens

Hardtberg. Jecke Wiever, Karnevalsgesellschaften und Züge: In ganz Bonn gibt es sie wie Sand am Meer. Also, fast ganz Bonn. Denn ein Stadtbezirk kommt in der Session ein wenig stiefmütterlich daher. Der Hardtberg.

Auf dem noch recht jungen Brüser Berg hat sich noch kein rein jecker Verein gegründet. Närrisch wird's da vor allem in den Gemeinden. Doch auch drunten im Tal sieht es nicht viel besser aus: Die organisierten Karnevalisten sind überschaubar. Von Tollitäten ganz zu schweigen: Die sucht man in Duisdorf und Lengsdorf vergeblich. Einzig im Wilhelmine-Lübke- Haus wird die Franziska gewählt. Als 34. ist seit wenigen Tagen Wilhelmine Eller im Amt.

Doch warum ist das alles so? "Ich weiß es nicht", gibt Bezirksbürgermeisterin Petra Thorand nach kurzem Nachdenken zu. "Das ist scheinbar nicht gewachsen hier." Doch sie hätte nichts dagegen, dass die woanders geliebten Traditionen vielleicht einmal in ihrem Stadtbezirk aufleben. Es gibt ein Rathaus, darin jährlich einen Prinzenempfang: "Eigentlich sind alle Voraussetzungen vorhanden", sagt Thorand.

KarnevalslexikonAuch wenn in Hardtberg Karneval nicht den allergrößten Stellenwert hat, gibt es doch in jedem Ort ein ausgeprägtes "Veedelsbewusstsein". Das schon vor mehr als 25 Jahren von den Bläck Fööss besungene Veedel bezeichnet ein Stadtviertel, das für die Einwohner Heimat und Familie ist. Den Reiz eines jeden Veedels kann man nur schwer beschreiben, man muss ihn selbst erleben. Jedes Veedel hat eigene Vereine, die sich für ihr Stadtviertel stark machen - zum Beispiel Orts(fest)ausschüsse oder Schützenvereine. Egal ob Duisdorf, Brüser Berg oder Lengsdorf: "En unserem Veedel" zählt vor allem eins: der Zusammenhalt.Dabei kommt das Feiern auf den Straßen trotzdem nicht zu kurz. Im Wechsel mit Lengsdorf wird ein Weinfest samt Königin auf die Beine gestellt. Das hat laut Ortsfestausschuss-Vorsitzenden Hans Berg eine entsprechende Größenordnung, das wolle man vernünftig organisieren. Es sei besser als ein Karnevalszug, "der nachher eine Konkurrenz für die anderen Ortsteile ist". Wein statt Kamelle.

Das Engagement ist das eine, das Geld das andere. Einmol Prinz zo sinn ist in der Regel auch nicht ganz billig. Und ein Zug? Wer soll den bezahlen? "Ich will gar nicht darüber nachdenken", sagt Berg. Es habe mal Ideen von Geschäftsleuten gegeben, einen Geisterzug zu organisieren. Doch das wurde am Ende verworfen. Damit steht fest, Duisdorf ist keine Karnevalshochburg. "Doch wir sind mit der Situation zufrieden", sagt Berg.

Trotzdem ist Duisdorf mitnichten eine "Alaaf"-freie Zone. Da gibt es zum Beispiel die große Halle an der Schmittstraße, die gerne von den Karnevalisten gebucht wird. Etwa vom Damenkomitee Blau-Weiss Duisdorf von 1935 - der einzige an den Ort gebundene Karnevalsverein mit 14 jecken Wievern. "Wir sind eins der kleinsten Damenkomitees", sagt Leonore Grell, seit 45 Jahren Mitglied und zehn Jahren Präsidentin. Einmol Prinzessin zo sinn? "Ich bin doch kein junger Hüpfer mehr", sagt Grell.

Und die Jüngste in ihrem Verein, eine 16-Jährige, könnte sie sich schon eher als Weinkönigin vorstellen. Das Fazit, auch im Hinblick auf die große Sitzung an Weiberfastnacht: Nachwuchs zu finden ist schwer, und ohne Männer geht es nicht. Seit elf Jahren sind die Karnevalsfründe Durschlöscher mit ihrer Sitzung Gast in der Schmitthalle. "Wir sind aber ein gesamtstädtischer Verein", sagt Präsident Jürgen Klasen.

Doch er kennt noch weitere jecke Abteilungen: etwa die Bönnschen Funkentöter, die regelmäßig nach Duisdorf kommen, und das Verteidigungsministerium. Auch der TKSV feiert, legendär waren früher die Herrensitzungen mit Toni Mai. Dass es in Duisdorf nicht ganz so hoch her geht wie anderswo, liege vielleicht daran, "dass da vor allem Beamte gewohnt haben", vermutet Klasen. Und auch mit der Geburt eines Prinzenpaares sei es nicht so leicht, denn dafür braucht man neben Geld auch viel Zeit. Für die Durschlöscher gibt es als Festausschussmitglied sowieso nur zwei Tollitäten: Prinz und Bonna.

Das sehen auch die Lengsdorfer so, obwohl die zumindest - neben dem Weinfest - noch einen eigenen Zug haben (24. Februar, 10.15 Uhr). Ortsfestausschuss-Vorsitzender Christoph Schada, selbst ein Karnevalist mit Leib und Seele, kann sich aber erinnern, dass es früher hier und da mal eine Kindertollität im Ort gab. Heute bietet der Liederkranz die Kleen Kirmes an, als Ersatz für den Bauernball von damals. Bei der Pfarrjugend haben sich die Knallhaade gegründet.

Die Söße Möhne sind seit ein paar Jahren nicht mehr aktiv, dafür aber noch das Damenkomitee Goldige Herzen mit Präsidentin Agnes Heep. "Es wird immer schwieriger, im Karneval etwas auf die Beine zu stellen", sagt sie. Die Leute hätten nicht mehr so viel Zeit und auch andere Interessen. Die Herzen bestehen aus 17 Frauen von 18 bis 75 Jahren. Und die haben vor Jahren auch schon mal mit Sonja Jobst eine Kinderprinzessin gestellt.

Somit sind Mini-Regenten durchaus willkommen. "Man muss eine Prinzessin aber auch betreuen und auf Termine begleiten", sagt Heep. Ihr Damenkomitee freut sich nun auf die Sitzung am 18. Februar (Karten 0228/2 89 35 58) und ein paar weitere Auftritte. Der Hardtberg, eine jecke Diaspora. Nochmal die Frage, warum ist das so? Schada denkt nach. Keine Antwort.