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Der Herseler Bernd Stelter über Trends im Karneval 2015 und Witze über den Islam: "Ich bin gerne politisch"

Der Herseler Bernd Stelter über Trends im Karneval 2015 und Witze über den Islam : "Ich bin gerne politisch"

Drei Haare hat er auf der Brust, wäre gerne ein Kaninchen und hört die Regenwürmer husten. Die Lieder von Bernd Stelter sind Stimmungsgaranten - nicht nur an Karneval. Obgleich erst 53 Jahre alt, feiert der in Hersel lebende gebürtige Westfale in der kommenden Session 25-jähriges Jeckenjubiläum.

Die jecke Zeit strebt langsam aber sicher ihrem Höhepunkt entgegen. Wie geht es Ihrer Stimme?
Bernd Stelter: Gut zum Glück. Ich nehme Halspastillen, um der Stimme was Gutes zu tun, und ich trinke kein Bier während der Karnevalszeit. Das ist sehr wichtig.

Was behagt Ihnen eher: Einen ganzen Abend lang als Kabarettist auf der Bühne zu stehen oder für eine Handvoll Lieder und Pointen als Karnevalsredner, der anschließend zum nächsten Auftritt eilt?
Stelter: Das ist von der Jahreszeit abhängig. Ich mache gerne Karneval, weil ich die Vielfalt mag. Beim Auftritt in der voll besetzten Kölnarena sind alle bunt kostümiert, wenig später im Gürzenich tragen alle Frack und im nächsten Saal trifft man eher auf Ballonseide und den dritten Grad der Fröhlichkeit. Ich muss als Redner darauf reagieren, und dann will ich sie alle kriegen.

Sie schildern in dieser Session ein ungewöhnliches Erlebnis: Sie haben mit Bernd Lucke, Chef der Alternative für Deutschland (AfD), zusammen in Bonn Volkswirtschaftslehre studiert. War damals schon erkennbar, welchen Weg Ihr Kommilitone einschlagen wird?
Stelter: Nein, war es nicht. Er ist damals für mich nicht übermäßig in Erscheinung getreten. Aber ganz genau weiß ich es auch nicht mehr, das Ganze ist über 30 Jahre her und ich bin in den 30 Jahren nicht unbedingt jünger geworden. Ich behaupte auf der Bühne nur, dass aus mir was Vernünftiges geworden ist...

Gibt es Trends 2015, was Redner im Karneval angeht?
Stelter: Ja. Der Trend geht zum unpolitischen Vortrag. Ich kann das verstehen, viele Kollegen sagen: Es geht im Moment einfach nicht. Ich mache es anders und bleibe politisch - von mir erwarten die Leute das. Ich will nicht über nichts reden. Ich spreche über die AfD, Frau Merkels Probleme mit den Griechen, die Ukraine und Pegida. Meine Idee ist, die Sachen so zu verpacken, dass ich den Menschen die Freude nicht nehme.

Sie schrecken auch nicht davor zurück, Tagesaktuelles am Abend ins Programm zu nehmen?
Stelter: Ich versuche immer, aktuell zu sein. Am Dienstag, als die Vertragsverlängerung von Marco Reus bekannt wurde, dichtete ich abends: "In Dortmund macht Marco Reus doch nicht Schluss, Madrid war ihm zu anstrengend mit Bahn oder Bus." Es ist aber wichtig, einen Unterschied zu machen zwischen politischem Kabarett und Karneval. Wenn die Leute in Bonn auf die Sitzung der Stadtsoldaten in die Beethovenhalle gehen, wollen sie Brings, Querbeat und Stelter - und nicht nur mich alleine. Die sind alle gekommen, um zu feiern. Und das sollen sie auch bekommen.

Ihr Kollege Dieter Nuhr gefällt sich darin, als vehementer Verfechter von Islamwitzen aufzutreten. Wie halten Sie es mit dem Humor über religiös motivierten Terrorismus?
Stelter: ISIS schließe ich in meinem Programm aus - Leute, die anderen den Kopf abschlagen oder bei lebendigem Leibe verbrennen. Grausam. Ich kritisiere nicht, dass Nuhr das tut. Nur: Ich mache in diesen Tagen ein Karnevalsprogramm und kein politisches Kabarett. Ich bin gerne politisch, aber das ist ein Thema, das dort nicht hingehört. Ich finde es aber gut und richtig, dass Nuhr es macht. Allerdings teile ich Nuhrs Kritik nicht, was den Karneval angeht.

Was hat er über den Karneval gesagt?
Stelter: Er könne sich nicht vorstellen, bei Auftritten "zentimetertief durch Kotze zu laufen". Das ist ein ganz falsches Bild vom Sitzungskarneval. Ich habe das noch nie gesehen und finde es - selbst als Westfale - okay, wenn man sagt: Es ist Karneval. Ich gehe feiern.

Apropos Feiern: Was sehen Sie von der Bühne aus an Kostümtrends in dieser Session?
Stelter (überlegt): Schwarze Schweißerbrillen mit schwarzen Zylindern. Ich weiß gar nicht, wo das herkommt? Sehr kreativ sind Männer im FC-Trikot.

Weil es auch überhaupt nicht lustig ist.
Stelter: Überhaupt die Männer. Wenn ich zur Mädchensitzung komme, sitzen da ganze Tische im gleichen Kostüm. Die haben sich Wochen vorher getroffen, Prosecco getrunken und sich Gedanken gemacht. Die Männer gehen zu Herrensitzungen alle als Bernd Stelter - also mit Jeans und T-Shirt auf dem steht "Bier formt diesen wunderschönen Körper".

Was Redner - erst recht singende - im Karneval angeht, gehören Sie zur Champions League. Wie viele Auftritte werden sie am Ende der Session absolviert haben?
Stelter: Gut 150. Was ich besonders finde, ist, dass ich seit 24 Jahren zu den Gefragtesten gehöre. Darauf bin ich ein bisschen stolz. Es gibt Kräfte wie den "Tuppes vom Land" oder Martin Schopps, die in diesem Jahr einen großen Sprung gemacht haben. Aber an Rednern herrscht momentan ein Mangel. Was neue Bands angeht, sind wir mit Kasalla, Cat Ballou und den Klüngelköpp extrem gut bestückt.

Nach ein paar Sabbattagen gehen Sie im April wieder mit "Wer heiratet, teilt sich die Sorgen, die er vorher nicht hatte" auf Tour. Dabei vertreten Sie - im Gegensatz zu Mario Barth - die These, dass Männer und Frauen sehr wohl zusammenpassen...
Stelter: Es stört und wundert mich, dass Frauen Geld dafür bezahlen, frauenfeindliche Witze zu hören. Mein Programm ist ein Silberhochzeitsprogramm. 25 Jahre bin ich im nächsten Jahr verheiratet - immer mit derselben Frau. Dabei hat die Ehe einen schlechten Ruf. Ich sage: Nein, sie hat viele positive Aspekte. Es gibt lustige und traurige Momente in meinem Programm, und damit beherzige ich ein Wort, dass Rudi Carrell mal zu mir gesagt hat: Es war ein schöner Abend, wenn die Leute lachen. Es war ein toller Abend, wenn sie lachen und weinen.

Und wann im Jahr denken Sie wieder an den Karneval?
Stelter: Ich gebe Ihnen Brief und Siegel, dass es im November wieder anfängt zu kribbeln. Das ist so. Ich freue mich aber auch aufs Schreiben. Ich muss im nächsten Jahr ein Buch abliefern und sitze dann mit Laptop im Wintergarten bei einem Kaffee und lasse mir Geschichten einfallen. Kommissar Piet soll seinen zweiten Fall lösen. Ich weiß schon, wer tot sein wird, weiß aber noch nicht, wer es war.

Zur Person

Wenn jemand 18 Mal hintereinander die "Wühlmäuse" in Berlin mit seinem Kabarettprogramm füllt, dann ist er mehr als ein Karnevalist. Im WDR ist Bernd Stelter außerdem als Quizmoderator im Fernsehen zu sehen. Zu bundesweiter Bekanntheit verhalf ihm seine stete Teilnahme an der Sendung "7 Tage, 7 Köpfe". 2016 soll sein zweiter Krimi erscheinen - Nachfolger von "Der Tod hat eine Anhängerkupplung". Stelter, 1961 in Unna geboren, lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Hersel.