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Brauchtum: Maskenball und verkehrte Welt

Brauchtum : Maskenball und verkehrte Welt

Stolz sind die Rheinländer auf ihren Karneval, verstehen sich als Wiege des Fastelovends, als Geburtsstätte des Brauchtums. "Es wird dabei aber übersehen, dass der Karneval keineswegs, wie oft angenommen wird, hier erfunden wurde.

Stolz sind die Rheinländer auf ihren Karneval, verstehen sich als Wiege des Fastelovends, als Geburtsstätte des Brauchtums. "Es wird dabei aber übersehen, dass der Karneval keineswegs, wie oft angenommen wird, hier erfunden wurde. Die Wurzeln des Karnevals reichen viel weiter in unsere Geschichte zurück.

Sie sind etwa 5 000 Jahre zurückverfolgbar", erklärte Sylva Harst Donnerstagabend im Stroofschen Haus bei ihrem Vortrag "Karneval - von Babylon bis Beuel". Viel sei über Karneval berichtet worden, doch nicht alles stimme, betonte Harst. "Karneval ist mehr als seine Geschichte seit 1823, dem Beginn des modernen Karnevals."

Am Anfang aller Betrachtungen müsse man sich die Frage stellen, was der Karneval mit uns mache, erklärte die Religionswissenschaftlerin. "Wenn die Zeit da ist, sind wir einfach jeck. Wir essen zu viel, wir trinken zu viel und küssen wildfremde Menschen. Die alltägliche Ordnung ist auf den Kopf gestellt. Es herrscht eben eine verkehrte Welt", sagte Harst.

Der Begriff "verkehrte Welt" sei bereits in der Antike bekannt gewesen und als Motiv weltweit in erstaunlich vielen Kulturen wiederzufinden. "In den alten Kulturen war es vor allem die Verkehrung der sozialen Stellungen, die gefeiert wurden. Sklaven wurden von Herren bedient, Herren von ihren Sklaven symbolisch gerichtet. Zu jeder verkehrten Welt gehören aber auch übermäßiges Essen und Trinken und sexuelle Ausschweifungen", so Harst.

Der Mensch scheine schon immer eine gelegentliche Auszeit vom Normalen nötig gehabt zu haben. Bereits babylonische und sumerische Texte würden von ähnlichen Festen berichten, die antiken griechischen und römischen Neujahrsfeierlichkeiten Motive der verkehrten Welt zeigen. So sehr Machthaber und später auch Kirchen versuchten dem jährlichen Treiben ein Ende zu setzen, es änderte vielleicht sein Gesicht, war aber nie auszumerzen.

Gerade die Kölner Kurfürsten hätten ein ambivalentes Verhältnis zum Karneval gezeigt. Einerseits wurde an ihren Höfen ausgiebig gefeiert, gleichzeitig aber versucht, dem Volk den Karneval zu verbieten. Mal sei das Treiben ganz verboten worden, dann wieder seien Abgaben auf Masken von Staatsseite aus erhoben worden. Erfolgreich seien die wenigsten Versuche gewesen.

"Karneval ist immer auch ein Kind seiner Zeit und dokumentiert Zeitgeschichte", so Harst. Ob nun heidnische Feste oder die bevorstehende christliche Fastenzeit Grund für die Feiern waren: Immer schafften es die Narren, ihren Karneval zu begehen oder bald wieder aufleben zu lassen.