Büttenredner aus Remagen : Marc Metzger: „Ich kann nicht so tun als wäre Karneval“
Interview Remagen Eine Rampensau ohne Rampe: Der Remagener Büttenredner Marc Metzger feiert Karneval dieses Jahr auf dem Sofa. Die Pause wird ihm inzwischen ein bisschen lang.
Fastelovend zesammeee“. So grüßt Marc Metzger gemeinhin sein Publikum. Diese Session sitzt er zu Hause. Aufgewachsen in Unkelbach, hat er es von den „Glaspalästen“ Remagens zu einem der gefragtesten Künstler im Kölner Karneval auf die großen Bühnen der Domstadt und bis ins TV geschafft. Aber momentan ist Funkstille. Selbstgewählt. Über die Corona-Session und warum er gerade nicht mal das macht, was als Jeck noch möglich wäre, hat „Dä Blötschkopp“ mit Andrea Simons gesprochen.
Was macht so ein Clown ohne Publikum gerade?
Marc Metzger: Ich beobachte, welchen Spaß die Katze mit dem Saugroboter hat, und zwei Mal am Tag habe ich Gottesdienst hier zu Hause, denn meine Frau ist Kirchenmusikerin. Außerdem habe ich schon im Oktober die Küche zum Krippen-Bastelzimmer umfunktioniert. Im Herbst habe ich ein Tischharmonium gebaut. Das kann nix außer hübsch aussehen und ist komplett aus einem Regalbrett und Restholzleisten. Jetzt ist ein Standmodell der „Bounty“ dran. Und seit ein paar Tagen bastle ich in meinem heimischen Tonstudio an neuen Titeln.
Also nix mit Luftballons und Konfetti?
Metzger: Doch. Aber nur ausnahmsweise. Üblicherweise haben wir keine Karnevalsdeko zu Hause, weil ich ja im Beruf schon genug davon habe. Diesmal haben wir aber tatsächlich den Flur mit Orden geschmückt. Den jüngsten hat mir vorletzte Woche ein roter Funke vorbeigebracht. Auf Distanz natürlich.
„Zeit“ haben Sie mal als einzigen großen Wunsch geäußert. Haben Sie immer noch nicht genug davon – zumal Sie ja erst in der vorletzten Session eine Pause eingelegt haben?
Metzger: Mittlerweile schon. Seit einem Jahr fühlt sich jeder Tag an wie Sonntag. Als ich mir fünf Monate Auszeit genommen habe, ahnte ich ja nicht, dass Corona kommt. Aber jetzt hätte ich ja auch nicht das machen können, was ich 2019 gemacht habe: Mich in die Säle setzen, den Karneval aus der Perspektive erleben, die ich sonst nur von oben habe. Es war mein erster Urlaub von der Bühne nach 30 Jahren. Mit 16 Jahren habe ich das erste Mal alleine im Karneval auf der Bühne gestanden, bei der Möhnegesellschaft in der Mehrzweckhalle Unkelbach. Meine Mama war im Elferrat, meine Tante Obermöhn.
Haben Sie jetzt auch Zeit, mal wieder Unkelbach und Umgebung zu besuchen?
Metzger: Meine Frau und ich fahren manchmal zum Wandern an Rhein und Ahr, oder wir besuchen das Grab meine Eltern. Wir trinken auch gerne Ahr-Wein. Ich habe sogar einen Rebstock in Bad Neuenahr. In den Großraum Remagen habe ich immer noch freundschaftliche Beziehungen, und beim Remagener Panikorchester war ich Ehrenmitglied, bis sich das 2020 aufgelöst hat.
Stammt das flotte Mundwerk, mit dem Sie gemeinhin Sitzungspräsidenten und die Jecken an „Tisch eins“ vor der Bühne „attackieren“, von daher?
Metzger: Auf jeden Fall die Sprachkenntnisse, die ich von meinen Eltern mitbekommen habe und die in der Bütt helfen. Meine Mutter hat den heimischen Dialekt gesprochen, mein Vater war Bayer. Mit mir war es dann so eine Art Esperanto.
Sonst absolvieren Sie bis zu 300 Auftritte pro Session. Wie oft haben sie ihr „Blötschkopp“-Kostüm in dieser Session angezogen?
Metzger: Gar nicht. Bei mir findet Karneval derzeit auf der Couch statt. Weiberdonnerstag war für mich die Spendengala „Mer looße üch nit allein“ für durch die Pandemie in Not geratene Künstler und deren Helfer als Livestream angesagt. Sonntag habe ich die Puppensitzung des Hänneschen-Theaters angeschaut und Montag freue ich mich darauf, dass der „Rusemondachszoch“ im Miniaturformat mit 177 Hännesche-Puppen und Nachbauten der Originalwagen „kütt“. Das wird toll.
Sogar Ihre Teilnahme bei der Aufzeichnung einer TV-Sitzung haben Sie abgesagt...
Metzger: Ja, denn ich bin ein Livemensch. Ich brauche Menschen und Säle. Daraus ziehe ich Energie. Ich kann nicht so tun als wäre Karneval und blicke ins Leere. Karneval in Köln ist für mich das, was in der Stadt geschieht, oder eben im Saal, wie es riecht, wie es sich anfühlt, die Kulisse.
Wie lief es denn überhaupt für Sie im Lockdown?
Metzger: Erstmal war der Ansporn kreativ zu sein komplett weg. Blöd auch, dass alles ausfiel, wo ich doch dachte, ich sei breit aufgestellt mit Karneval und Comedy, als Moderator und Autor. Ich engagiere mich als Pate bei den „Kölner Klinikclowns“, obwohl Besuche in Kliniken und Hospizen gerade nicht gehen. Ansonsten halte ich mich an alles und folge dem Motto „Mer blieve zohus“. In anderen Sessionen habe ich auch Abstand gehalten, Händeschütteln und Türklinken vermieden. Desinfektionsmittel hatte ich schon dabei, da dachte noch keiner an Corona. Bei so vielen Aufritten als Soloselbstständiger muss man gesund bleiben und Distanz halten zu Viren und allem, was Grippe oder „Magen-Darm“ verursacht. Ich bin ja im Karneval nicht feiern gegangen, sondern arbeiten. Wenn ich gegen Covid geimpft bin, mache ich jeden Spaß wieder mit, aber das dauert wohl noch.
Wie ist das mit dem Durchhalten beim Blick auf die Finanzlage und auf die Kulturbranche – gerade als jemand, der mal Veranstaltungsmanagement studiert hat?
Metzger: Es ist in den letzten zehn Jahren für mich ganz gut gelaufen, da kann man schon mal zwei Jahre durchhalten, aber viel länger auch nicht. Ich hoffe, die Weihnachtsengel-Dinnershows mit Tommy Engel dieses Jahr spielen zu können und bin dankbar, dass fast keiner die Karten für 2020 zurückgegeben hat. Manche trifft es hart, aber die Branche wird überleben, weil die Menschen uns brauchen und jetzt vielleicht merken, was sie vermissen. Die Frage ist, in welchem Tempo sich alles erholt. Nach Wiedereröffnung werden nicht gleich alle „Hurra“ schreien und Karten kaufen.
Und wann rechnen Sie als selbsternannte Rampensau wieder mit einer Rampe?
Metzger: Mein nächstes Engagement wäre im April beim einwöchigen Zirkusfest in Heinsberg, das vergangenes Jahr wegen Corona abgesagt worden ist. Damals unvorstellbar, dass das auch dieses Jahr passiert, aber ich rechne damit. Eigentlich wollte ich demnächst auf Tour gehen, aber das machen wohl alle, sobald es wieder losgeht – vor 2022/2023 wird das also nix. Zwischenzeitlich übe ich mit meiner achtjährigen Patentochter „Wolkeplatz“ von Miljö auf der Blockflöte – per Videoschalte, versteht sich.