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Rosenmontag in Bonn: Die Altstadt schreibt ihre eigenen Regeln

Rosenmontag in Bonn : Die Altstadt schreibt ihre eigenen Regeln

Bei trockenem Wetter spielen Samba-Truppen und DJs bis zum Abend auf den Straßen. Die Altstadt schreibt ihre eigenen Regeln, was den Karneval angeht. Es ist ein Karneval der Extreme. Vor allem auf der Heerstraße, aber auch auf dem Platz vor dem Frankenbad.

Marianne und Holger Stamm tanzen und tanzen, da ist der Zug schon lange an ihnen vorbei gelaufen. Sie ist ein Rosenmontagskind, zumindest an diesem Tag. 35 Jahre alt ist sie geworden, die Altstädterin. An der Kreuzung Heerstraße/Georgstraße wirken beide so konzentriert aufeinander, fast als wären sie alleine – sofern man das bei solch einem Wust an Leuten sagen kann. Die Menschen stehen dicht an dicht, hüpfen und singen zur Musik, die DJ Conrad Schetter auflegt. Vom Wagen des Vereins „Bönnsche Räuber“ wummern die Bässe.

„Mittlerweile“, sagt Mitinitiator Marcus Gloger, „gehören wir ja mit zum Sicherheitskonzept.“ Während sich die Wagen und Fußtruppen durch die engen Straßen der Altstadt bewegen, hört man die scheppernden Worte des Kommentators vom Wagen. Als die Wagen durch sind, geht die Party weiter – bis etwa 21 Uhr, um die Nachbarn nicht zu verärgern.

Die Altstadt schreibt ihre eigenen Regeln, was den Karneval angeht. Es ist ein Karneval der Extreme. Vor allem auf der Heerstraße, aber auch auf dem Platz vor dem Frankenbad.

Dort hatte in den vergangenen Jahren eine kostenlose Reggae-Party stattgefunden, die den Anwohnern allerdings zu laut war. Im vergangenen Jahr haben die Veranstalter daraufhin keine Genehmigung mehr bekommen, aber eine Demonstration angemeldet.

Extra aus Berlin angereist

Am Montag fiel die stets gut besuchte Party zwar gänzlich aus (laut Veranstalter wegen der kurzen Session und der immer schwerer zu erfüllenden Bedingungen der Stadt), aber eine Art Samba-Truppe sorgte für Ersatz und zog eine Menge Publikum an. Ein blauer Ochse mit Hörnern aus Kunststoff stand den Musikern bei.

Harry Hoffmann ist für dieses besondere Flair extra mit der Bahn aus Berlin gekommen und hat es kaum glauben können, als die Freunde ihm sagten, der Zug würde auf der Kippe stehen. Den Unterschied zwischen einem Berliner und einem Rheinländer erklärt er so: „Mit dem Rheinländer kommst du in einer Ladenschlange fast immer ins Gespräch, mit einem Berliner nie.“ Und dann schenkt er ein Tütchen Popcorn, einmal Puffreis und Weingummi zum Abschied.

Eine Meile des anderen Extrems bleibt der kurze Straßenabschnitt vor der Marienschule. Die Technobässe deuten die härtere Gangart musikalisch an. Jugendliche und junge Erwachsene treffen dort zusammen. Dass eine ganze Menge an Hochprozentigem die Kehlen hinunterfließt, ist schon an der Scherbendecke auf der Straße abzulesen.

Vincent Sboron und Finn Großerüschkamp vom Bonner Eventsprinter tauschen einiges an Alkohol gegen Chips und Süßigkeiten ein. „Ich habe den Eindruck, dass die Trinkerei weniger schlimm ist als in den Jahren zuvor“, sagt Sboron. Vor allem seien nicht mehr die ganz jungen, etwa 14-Jährigen, dabei.

Immer wieder müssen Einsatzhundertschaft und Ordnungsamt gemeinsam für Ruhe sorgen. Sie lassen Schnaps und Liköre weggießen, kontrollieren Ausweise, werden provoziert, aber reagieren äußerst überlegt.

Am frühen Abend tanzen die Narren immer noch auf der Straße. Vor den Kneipen bilden sich Schlangen. Julia Schöne steht vor dem Nyx und hofft auf ein Treffen mit ihren Freunden. Ihr Handy hat sie entweder verloren oder eine Freundin zur Aufbewahrung gegeben. Sie weiß es nicht mehr genau. Sie weiß nur, dass es noch ein langer Abend werden soll beziehungsweise eine lange Nacht. Und von einem verlorenen Telefon will sie sich das nicht vermiesen lassen.