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Euphorie beim Bonner Rosenmontagszug: Fliegende Kamelle, Konfetti und Fahnen

Euphorie beim Bonner Rosenmontagszug : Fliegende Kamelle, Konfetti und Fahnen

Beim Bonner Rosenmontagszug will sogar eine Rakete abheben. Es war ein großer Spaß mit viel Musik, Tänzern und Tausenden Narren am Straßenrand.

Den Vogel beim Bonner Rosenmontagszug schießen die alkoholisisierten Funken ab. Auf einmal knallt es auf ihrem opulenten Prunkwagen (mit Bar und WC). Tausende münzgroße Konfettischnipsel in Gelb und Lila schießen in den Himmel. Dazu noch Luftschlangen in denselben Farben, die sich in der Oberleitung der Straßenbahn verfangen oder auch gut als Perücke für die Kinder machen. Doch auch Bonns tollste Konfettikanone kann die Sonne nicht verdunkeln, steht dafür aber wie die riesigen Seifenblasen bei manchen Gruppen für die ausgelassene Freude der Jecken im und am Zug.

Die ganze Stadt feiert – und zieht sich die Anoraks aus. Es ist einfach zu warm unterm Kostüm. Wie gut, dass es so Leute wie Max gibt, die gern auf die abgelegte Garderobe aufpassen, während man selbst Süßes sammelt. So sind so manche im Zug nicht zu beneiden, etwa die Kung-Fu-Pandas der Bönnschen Chinesen oder die grünen Gesundheitsbärchen des Helios Klinikums. Die müssen schwitzen wie in den Tropen. Erst recht, wenn sie dann noch zu den kölsch-karibischen Tönen von Rootsqueen tanzen. Die 2020 gegründete Band trifft mit ihrem Musikstil den richtigen Ton an einem solch strahlenden Tag.

Aber wie kommen die 100 Teilnehmer des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums dazu, mit bunten Regenbogen-Hüten und -Kopftüchern durch die Stadt zu laufen? Ohne Regen keinen Bogen, oder? „Wir machen eine ganz neue Physik“, sagt Vizeschulleiterin Vera Wethkamp. Sie muss es wissen, denn sie unterrichtet das Fach.

„Ich freue mich wie eine Schneekönigin“, sagt Bonna Nadine I. und verwandelt sich später eher in eine strahlende Sonnenkönigin. Die Stimme ist immer noch weg, egal: „Die habe ich im Bett gelassen. Die brauche ich heut‘ nicht.“ Auch Christoph II. freut sich, brennt auf die Fahrt durch die Stadt.

Das tut auch der neue Zugleiter Björn Bachmann, schon ein bisschen aufgeregt. „Es gibt noch viele Probleme zu lösen“, sagt er kurz vor dem pünktlichen Start um 12 Uhr. An der einen oder anderen Stelle ist was defekt, manche Traktoren sind an den falschen Ort gefahren. „Chaos bei der Zugaufstellung“, nennt Bachmann das. Auf keinen Fall unlösbare Probleme.

Wer genau hinschaut, entdeckt auf dem Wagen von Festausschusspräsidentin Marlies Stockhorst Professor Hendrik Streeck. Ohne Maske ist der Bonner Virologe ja auch gut zu erkennen. „Wir sind draußen. Das ist das Beste, was man tun kann“, gibt er letzte Corona-Tipps. Will sich aber unbedingt von einem anderen, dem Bonner Karnevalsvirus, anstecken lassen. „Das ist mein allererster Rosenmontagszug, und dann auch noch gleich auf einem Wagen…“, sagt der gebürtige Niedersachse voller Freude. Beethoven persönlich hat ihn eingebürgert, zeigt auf seinem weltwärts gewandten Mottowagen, wie er seine Ode an die Freu(n)de geschrieben hat.

Muckis statt Musik

Statt auf Musik setzen derweil die Bonner Showschwenker auf Muckis. Die Jungs sind seit Jahren dabei und werden irgendwie gar nicht älter. Der eine drückt zum Warmwerden seinem Kumpel beide Arme hinterm Rücken ganz schön weit nach oben und meint süffisant: „Es sieht so aus, als würde das weh tun.“ Doch wie hält man das überhaupt durch, stundenlang unterwegs die Fahnen kunstvoll zu schwenken? Stephan: „Es macht einfach Spaß. Die Leute sind cool.“

Und haben Lust auf volle Kamellebeutel. Vermutlich die Preissteigerung führt hier und da dazu, dass Maoams auch einzeln geworfen werden. Die reine Ausnahme. Denn bei den meisten sind die Bonbonlager bis oben hin voll. Während ein kleines Mädchen sich selbst die Schogetten in den Beutel steckt, bringt es seiner Mama ein Päckchen Tempotücher. Die Uni wirft gebildete Quietscheentchen mit schwarzem Talar und Akademikerhut. Freunde von Kräutertee stattet die Ehrengarde aus. Die Sportler vom Beueler 10er verteilen Chips in großen Tüten und hoffen, dass sich die Leute die angefutterten Pfunde dann am 13. April beim Volkslauf wieder abtrainieren. Bei den Grünen gibt’s stattdessen Äpfel. Passt. Aufpassen heißt es in einer Gruppe, wo ein Jeck sich mit offenem Beutel bescheren lassen will. Stattdessen greift die Zugteilnehmerin vom Wagen aus in die Tasche, holt sich was raus und sagt: „Danke.“

Bei den Fidele Walzbröde kaufen sich die 45 Teilnehmer bei Präsident Andreas König Bons, um dafür Wurfmaterial zu bekommen. Die süßen Gaben ans Volk wollen ja irgendwie bezahlt werden.

Druckluft machen Dampf

Druckluft machen Dampf, auch die Köbesse, Coldstack und Jedöns rocken die Straßen. Dazu kommen die unzähligen Kapellen, teils aus dem Süden Deutschlands, aus der Schweiz oder natürlich den Niederlanden. Der größte Hit ist ein alter Hut: „Der treue Husar“. Da singen alle mit.

„Alle radeln mit“, ist da eher die Devise bei den Senioren von Radeln ohne Alter – „mit dem Recht auf Wind in den Haaren“, so das Motto der rüstigen Truppe. Doch wer sein Fahrrad liebt, der schiebt, ist die Devise von Jürgen in dieser Gruppe. Wer braucht bei all den Gefährten da noch Pferde? Alle verschwunden, mancher am Straßenrand trauert ihnen trotzdem ein bisschen nach. Aber et es, wie et es: Die schicken polierten Traktoren der Markmanns aus Beuel machen auch jede Menge her. Zudem die Dicke Marie der rechtsrheinischen Stadtsoldaten: Für ein paar Minuten steht der Zug still, mancher Gardist auch und nutzt die Zeit für ein wenig innere Meditation. Dann knallt die Kanone, alle zucken kurz zusammen. Hallo, wach! Weiter geht’s.

Richtig Bewegung bringen die Bolivianer der Folkloretanzgruppe Salay Bolivia Filal Alemania auf die Straßen, zudem tanzt eine Formation der Tanzschule Lepehne Herbst. Kunstrasen, GOP, Telekom Baskets und viele weitere Veranstalter und Gruppen machen sich fröhlich auf den Weg. Wer hat eigentlich gesagt, dass es diesmal weniger Teilnehmer gibt als früher? Stolze drei Stunden und 20 Minuten dauert es, bis das Spektakel vorüber ist.

Kurz vor Schluss schießt noch einer den Vogel ab: das riesige Team vom Panama Open Air, in Friedensmission unterwegs mit seiner Rave-Rakete. Wie von einem anderen Stern.

Hier geht es zur Bilderstrecke: Der Bonner Rosenmontagszug in Bildern (5)