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Mit Justitias Hilfe an die Macht

Mit Justitias Hilfe an die Macht

Prinz und Bonna regieren bis Aschermittwoch die Stadt - Stadtsoldaten erhalten Unterstützung von den sieben Zwergen - Bonner Polizeipräsident Albers hilft der OB bei der Verteidigung

Bonn. Die Kanonen donnern ohrenbetäubend, die Fanfaren blasen zum Triumph, und dichte Rauchschwaden steigen an der Fassade des Alten Rathauses auf: Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann gibt sich geschlagen. Seit Sonntag, 15.25 Uhr, regieren Prinz Reiner II. und Bonna Kirsten I. die Stadt. Bis Aschermittwoch.

Dabei hatte sich "Bärbelchen" diesmal große Hoffnungen gemacht, glaubte das Schicksal auf ihrer Seite zu haben: Schließlich verteidige sie das Rathaus im närrischen elften Jahr. "Prinz und Bonna werden in diesem Jahr das Rathaus nicht erobern", versicherte sie den mehr als 5 000 Jecken auf dem Marktplatz.

Und noch ein Ass hatte die OB im Ärmel: Zur Verteidigung stand ihr Polizeipräsident Wolfgang Albers zur Seite. Stadtdechant Wilfried Schumacher, der in den vergangenen Jahren mehrmals erfolglos seiner Oberbürgermeisterin geholfen hatte, sei zwar auch ein guter Verteidiger gewesen, sagte Dieckmann.

Doch mit dem Polizeipräsidenten persönlich werde gewiss nichts mehr schief gehen. Der Stadtdechant war in diesem Jahr verhindert: Laut Stadtsprecher Friedel Frechen halte der sich zur Zeit im "Himmel" auf - so heißt das Hotel im Allgäu, wo Schumacher gerade Urlaub macht. Moderatorin und Ex-Bonna Anja Pohl hatte allerdings ihre Zweifel beim Polizeipräsidenten: "Sie sind ja so ''ne Anjeschwommene", meinte sie. Der ehemalige Norddeutsche müsse sich erst einmal als Bonner bewähren.

Der Festausschuss Bonner Karneval versuchte zunächst, mit Justitias Hilfe ins Rathaus zu gelangen: Nachdem vor zwei Wochen der Festausschuss vor Gericht die Herausgabe des Schlüssels gefordert hatte und die Entscheidung vertagt worden war, zog am Sonntag Landgerichtspräsident Kurt Pillmann vor das Rathaus und verkündete im Namen des Volkes: "Die OB wird verurteilt, die Schlüssel für das Rathaus an das Prinzenpaar zu übergeben. Das Urteil ist sofort zu vollstrecken."

Albers wies dem Juristen jedoch drei Vollstreckungshindernisse nach: "Erstens: Da könnte ja jeder kommen. Zweitens sind Vollstreckungen am Sonntag unzulässig, und drittens: Dat kann ich meiner Oberbürgermeisterin nicht antun", so Albers. "Wir sind nicht ''jeder''", konterte Prinz Reiner II und suchte die Sympathie des Publikums: "Seid ihr der Meinung, wir müssen da rein?"

Dem klaren "Ja" der Jecken hielt Dieckmann ein entschiedenes "Nein" entgegen, worauf das Prinzenpaar die Kavalleristen der Stadtsoldaten zur Verstärkung holte. Diesmal stichelte Moderatorin Anja gegen die Angreifer und empfahl den Soldaten, noch ein paar Reitstunden zu nehmen.

Als die Forderungen des Herolds erfolglos blieben, drohte dieser damit, den Rest des Corps zu holen. Albers: "Ach, gibt es da noch mehr?" Ein wenig eingeschüchtert war die OB aber wohl schon, denn sicherheitshalber hatte sie die Federfuchser herbeigerufen und Albers zum Kommandeur der Rathausverteidiger ernannt.

Gegen die Kanonen der Soldaten waren die Schreibfedern der Kolping-Familie machtlos. Als Stadtsoldaten-Kommandant Herbert Raab mit mehr als 200 Soldaten angriff, überreichte Dieckmann schließlich den Schlüssel.

Innerhalb von wenigen Stunden war das Heer der Angreifer noch gewachsen: Auf der Suche nach Nachwuchs hatten die Stadtsoldaten am Hauptbahnhof die sieben Zwerge aufgegabelt, die gerade das vergiftete Schneewittchen alias Tanzmariechen Tanja Roesberg auf einer Bahre trugen.

Herbert Raab zeigte sich wenig begeistert von den neuen Rekruten: "Schickt diese komischen Gewächse mal wieder in den Wald." Einen Soldatentanz mit Gießkanne habe er jedenfalls noch nie gesehen. Beim Wibbeln hatten die Zwerge sichtlich ihren Spaß, während sie Schneewittchen wie bestellt und nicht abgeholt einfach liegen ließen.

Widerwillig erklärte sich Raab schließlich dazu bereit, die Zwerge zu vereidigen und bei den Stadtsoldaten aufzunehmen. Verstärkung für den Rathaussturm war nicht nur aus dem Märchenwald, sondern sogar aus Amerika angerückt: Stadtsoldat Siegmar Heß, der vor zwei Jahren beruflich nach Boston versetzt wurde, hatte seinen Kameraden versprochen, für die Karnevalstage nach Bonn zu kommen und unterstützte seine Truppe selbstverständlich beim Angriff auf dem Marktplatz.

Wie immer hatte die Ehrengarde der Stadt Bonn ihr Biwak am frühen Morgen auf dem Markt aufgeschlagen, wo sich die Jecken mit Grünkohl und der angeblich größten Feuerzangenbowle der Welt stärken konnten. Auf der Bühne der Ehrengarde stimmten Musikgruppen wie die "Blue Birds" unterdessen auf den Rathaussturm ein.