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Typisch Bönnsch: Rheinisch für die fünfte Jahreszeit​

Rheinisch für die fünfte Jahreszeit : Mundart erlebt im Karneval ihre Sternstunde

Nicht nur die Jecken kostümieren sich zur fünften Jahreszeit - auch in Gesprächen und Liedern sind Applikationen wahrnehmbar. Wir stellen Ihnen die wichtigsten Begriffe vor.

Endlich wieder fünfte Jahreszeit! So lang ist es her! Endlich wieder bekloppt sein, und endlich wieder die Karnevalskiste öffnen und das schönste Kostüm herausfischen, auf Vordermann bringen, und ab geht die Luzie! Genau so, wie sich die Menschen zu Karneval verkleiden und sich Dinge überziehen, die sie das ganze Jahr nicht anhatten, so verkleidet sich zu den närrischen Tagen auch die Sprache. Die rheinische Mottersproch! Und zwar mit Worten und Begriffen, die sonst übers Jahr wenig Bedeutung haben.

Hier die elf wichtigsten karnevalistischen Vokabeln, die vom Immi bis zum eingefleischten Rheinländer jeder kennen sollte. Warum eigentlich elf? Antwort: Elf ist die Zahl der Narren, denn sie passt in kein Schema. Sie steht zwischen der Zehn (10 göttliche Gebote) und der Zwölf (12 Jünger Jesu) und ist als Primzahl eine Außenseiterin.

Jeck: Dieses Wort ist gewissermaßen der rote Faden, der alles zusammenhält in der fünften Jahreszeit. Jeck heißt verrückt, aber eben alltagsverrückt und nicht klinisch-pathologisch. Jeck sein macht das Leben erträglich. Das Wort stammt von Geck, was so viel wie Narr bedeutet. Und da der Rheinländer das G nicht richtig aussprechen kann, ist er eben jeck.

▶ Fastelovend: Auch klanglich ein wunderbares Synonym für den Karneval im Allgemeinen, wobei es im engeren Sinne den Abend vor der Fastenzeit bezeichnet und damit schon die Bedeutung der massiven Ausschweifungen in sich trägt. Man könnte es so gesehen als trojanisches Pferd bezeichnen.

Bütt: Eine anständige Karnevalssitzung enthält auch eine Büttenrede, jene Verballhornungen einer honorigen Ansprache an das Volk, die so ziemlich alles und jeden durch den Kakao zieht. Also quasi wie eine echte Politikerrede, aber eben nur fast. Früher stellten sich die karnevalistischen Redner dafür in eine Waschbütt, um zu dokumentieren, dass es hier um Narretei geht.

▶ Stippeföttche: Ein wichtiges Element des rheinischen Karnevals ist die Verächtlichmachung der einstigen Besatzungsmacht der Preußen. Deshalb die quasimilitärischen Funken mit ihren Uniformen, Kanonen und Gewehren. Damit aber niemand auf den falschen Gedanken kommt, hier handele es sich um eine Glorifizierung, gibt es et Stippeföttche. Jenen Traditionstanz, bei dem erwachsene Männer auf der Bühne ihr uniformiertes Hinterteil aneinander reiben. Einfach lustig!

▶ Bützje: Heiß begehrt und ausnahmsweise in allen Richtungen erlaubt ist zur fünften Jahreszeit dat Bützje, der unverfängliche Kuss. Aber, wer weiß, vieles fing mit der Unschuld an. Auch bei Adam und Eva.

▶ Strüßje: Um die Konventionen nicht ganz über Bord zu werfen, gibt es das Strüßje, den kleinen Blumenstrauß, der auch in den tollen Tagen gerne dem Bützje vorangegeben sein darf. Aber bitte das Aldi-Preisschild abmachen! Ansonsten wird dat Strüßje gern geworfen und gefangen beim Sitzungskarneval und bei den Zöch.

▶ Möhn: Ein Sonderkapitel des Karnevals gehört, vor allem in Beuel, den Wievern, den Frauen. Sie leiten ihren eigenen Fastelovend aus der Tradition der Waschweiber vom Rhein her. Und wenn die Schönheiten in die Jahre kommen oder verheiratet sind, dann heißt man sie Möhn. Nicht weniger attraktiv, aber vielleicht selbstbewusster und zupackender!?

▶ Zoch: Der Zoch, also der festliche Karnevalsumzug, bevorzugt am Rosenmontag, ist der Höhepunkt der fünften Jahreszeit. Dann sind alle Jecken fein kostümiert auf der Straße, singen, schunkeln und rufen:

Kamelle! Ja, richtig, Kamelle. Denn dann regnet es Bonbons und andere Süßigkeiten. Im Idealfall kommt dann alles zusammen: Bützje, Strüßje und „Vitamine“ (Apfelsinen). Noch einmal richtig schwelgen, denn…

Nubbel: ...am Aschermittwoch ist alles vorbei. Dann wird der Nubbel, die Strohpuppe, die all die Sünden der Karnevalstage mitangesehen hat, für die Missetaten anderer verurteilt und verbrannt, auf dass die Sünde aus der Welt geschafft ist.

Alaaf: Aber bevor es so weit ist, nehmen wir noch einmal Anlauf und knöpfen uns den allerwichtigsten Begriff des Karnevals vor. Es ist: Alaaf. Denn der Rheinländer lässt sich den Karneval nicht nehmen! Ob Orkan, Irak-Krieg oder Pandemie: Wenn in früheren Jahren schon nicht alles ging, ein bisschen Tradition und Herz muss schon sein. Deshalb müssen wir an dieser Stelle anerkennend ausrufen: „Ein dreifach donnerndes: Rheinland Alaaf!!!“ Es ist der wohl berühmteste und besterforschte Narrenruf zwischen Bonn und Düsseldorf. Aber was bedeutet er eigentlich?

Dass er nun donnernd sein muss, hat natürlich mit den überschüssigen Kräften des Karnevalisten zur fünften Jahreszeit zu tun. Dass wir den Schlachtruf dreifach anmoderieren, hat wiederum mit dem kirchlichen Hintergrund des Festes zu tun: Drei Mal ist göttlich!

Womit wir beim Begriff Alaaf angekommen sind. Der Sprachforscher Peter Honnen hat herausgearbeitet, dass es bei dem Wort „eigentlich keine Geheimnisse“ gibt. Es bedeutet wörtlich: alles abwärts, also Kölsch: all af. In unserem Beispiel wäre die Langform: Alles steht unter dem Rheinland! Anders ausgedrückt: Nichts geht über das Rheinland! Oder noch prägnanter: Ein Hoch auf das Rheinland! Da simmer dabei.

Vom Keltischen Glück bis zum spanischen Lob

Der älteste Nachweis für den Begriff findet sich auf einem Bierkrug aus dem Jahre 1550. Er wurde 1951 in Köln entdeckt. Darauf steht: Allaf für einen goden Druingk, also: Nichts geht über einen guten Schluck. Die Fachleute schließen daraus, dass Alaaf früher ein allgemeiner Hochruf war, der nicht nur auf den Karneval beschränkt war. Und auch nicht auf das zentrale Rheinland, sondern auch in Dortmund, Essen und Aachen zur Anwendung kam.

Die Herkunftsdeutung ist so facettenreich, dass sie schier grenzenlos ist: Das keltische Glück hieß Alef, der hebräische Buchstabe Aleph ist im Tarot dem Narren zugeordnet, das englische aloft bedeutet „hoch oben“, das spanische alaber heißt loben. Im Französischen heißt „hoch dir, Köln“: élève-toi, Cologne. Es gibt noch viele weitere mehr oder weniger nachvollziehbare Erklärungsversuche. Am Ende zählt vielleicht der psychologische Befund, dass ein donnerndes Alaaf mit seinen offenen Vokalen den Menschen befreit von all seinen Bedrückungen. In diesem Sinne: Alaaf!