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"Hör mal, bist Du nicht der König?"

"Hör mal, bist Du nicht der König?"

Zwischen Illusion und Wirklichkeit: Wie die gekrönten Häupter des Karnevals im Siebengebirge Glanz und Glamour mit ihrem Alltag vereinbaren. Ständig hört die Kassiererin "Tach Prinzessin"

Königswinter. Sie und ihre Artgenossinnen stehen im Rampenlicht wie Superstars. Säle liegen ihnen zu Füßen. Die Menschen jubeln ihnen zu. Bewundernde Blicke gelten Make-up, kunstvoll gestylter Frisur und dem Samtkleid der Karnevalsprinzessin.

Montagmorgen: Dieselbe strahlende Persönlichkeit, die am Samstagabend bei der Sitzung und am Sonntag beim karnevalistischen Frühschoppen im Mittelpunkt stand, trägt nun einen blauen Kittel und unterscheidet sich in nichts von den anderen Arbeitskolleginnen im Aldi in Oberpleis.

Sie zieht Toastbrot, Thunfischdosen und Tiefkühlpizza über den Scanner, hilft den Kunden beim Räumen der Waren in die Einkaufswagen und gibt Wechselgeld heraus. Ihr Make-up ist unauffällig, Glanz und Glitter verschwunden.

Und doch wird sie erkannt: Marlis Lantermann hat sich in den vergangenen Wochen sehr oft über die Begrüßung "Hallo Prinzessin" gefreut. Und sie hat sich amüsiert, wenn Uneingeweihte solche Anreden nicht einzuordnen wussten. "Ach, das ist aber eine schöne Begrüßung", wunderte sich etwa ein Kunde, der mitbekommen hatte, wie der Mann vor ihm die Kassiererin mit "Tach, Prinzessin" ansprach.

Der freudige Ausruf "Sie sind doch die Prinzessin!" klingt der Windhagener Tollität geradezu in den Ohren. "Jeder Dritte bis Vierte spricht mich an. Viele fragen mich, ob ich Stress habe und ob das klargeht mit der Arbeit." Sie erntete viele Komplimente: "Ich wäre ja am Strahlen und hätte eine tolle Ausstrahlung."

Bei ihren Auftritten im Siebengebirge, wie etwa bei der großen Kostümsitzung der Strücher KG, brauchten die Präsidenten nicht lange zu erwähnen, dass die Prinzessin der Windhagener Karnevalsgesellschaft "Wenter Klaavbröder" ein Thomasberger Mädchen ist.

Das wissen die meisten Karnevalsjecken längst. Denn die Eltern von Marlis Lantermann, Fritz und Margarete Wagner, haben jahrelang den Thomasberger Hof betrieben. Überdies lebt das Windhagener Prinzenpaar Marlis I. und Heino I. in Thomasberg.

Herzliche Komplimente erntete auch Marita Krämer, die Tollität von Thomasberg/Heistebacherrott, an den Morgen "danach". "Sie haben so toll ausgesehen, so müssten Sie immer gehen", schwärmte eine Seniorin, die die Prinzessin im örtlichen "Spar"-Laden beim Einräumen der Regale entdeckte. Denn auch Marita III. ist Supermarkt-Aushilfe.

Vor allem den Kindern fällt es schwer zu glauben, dass alles nur eine Illusion ist und die Prinzessin ihre Brötchen genau wie andere durch Arbeit verdienen muss: "Man ist ja im wahren Leben nicht Prinzessin, das mache ich den Kindern klar", berichtet die Tollität, die selbst drei Sprößlinge zwischen acht und 21 Jahren hat.

Ihr Mann Klaus II. sitzt in Oberpleis geradezu auf dem Präsentierteller: Als Mitarbeiter von Info und Poststelle am Rathauseingang steht er im Blickpunkt der Bürger. Im Dienst trägt er eine Brille, als Prinz nicht. Der Wiedererkennungswert war trotzdem hoch: "Ach, das ist ja Prinz Klaus II.", identifizierten ihn seine Fans. "Mein Chef Bürgermeister Wirtz hat mir fünf Tage Sonderurlaub gegeben", berichtet er. Seit Montag hat er frei, erst Montag nach Aschermittwoch muss Klaus Krämer wieder zur Arbeit.

"Hör mal, bist du nicht der König?", fragte ein Steppke im Uthweiler Kindergarten "Zwergenland" Peter Gesell, seines Zeichens Oberpleiser Tollität. "Nein, ich bin nur der Prinz." Der Friseurmeister hat erst am Dienstag Kamm und Schere aus der Hand gelegt, um sich auf die tollen Tage zu konzentrieren.

Sohn Peter, ebenfalls Friseur, übernimmt das üppig geschmückte Geschäft bis zum Wochenende. Die Kunden reagierten begeistert auf die Amtswürde. Und die Kinder im "Zwergenland" haben vieles dazu gelernt: Wie schwer nämlich Diadem, Schuhe, Kappe und Zepter sind und wie alles genau aussieht.

Prinzessin Marianne I., die im wahren Leben seit vier Jahren den Uthweiler Kindergarten leitet, hatte alles zur Anschauung mitgebracht. Auch sie hat nun bereits seit Montag frei und wird ihren Kindergarten erst diesen Freitag wieder aufsuchen - im Ornat als Tollität.