Ein Sturm wie im Märchen

Das Rathaus und die Herzen der Siegburger haben sie im Sturm erobert. Insofern waren Prinz Wolfgang III. und Siegburgia Marlies I. guter Dinge, als sie am Freitag mitsamt der vereinten Siegburger Narrenschar auszogen, auch die letzte narrenfreie Bastion einzunehmen: die Brückberg-Kaserne.

Siegburg. Das Rathaus und die Herzen der Siegburger haben sie im Sturm erobert. Insofern waren Prinz Wolfgang III. und Siegburgia Marlies I. guter Dinge, als sie am Freitag mitsamt der vereinten Siegburger Narrenschar auszogen, auch die letzte narrenfreie Bastion einzunehmen: die Brückberg-Kaserne.

Selbst die geballte Kraft der Siegburger Bundeswehrsoldaten konnte die närrischen Majestäten nicht davon abbringen. Im heißen Wortgefecht brachten sie die Mannen des Wachbataillons auf ihre Seite und obsiegten schließlich im harten Zweikampf.

Herr Holle ließ vom Dach des Wachhäuschens Konfetti schneien, Brückbergia richtete ihre blonden Zöpfe und der aus Berlin angereiste stellvertretende Kommandeur Sven Hartwig genoss den Sonnenschein: Die vertraute Ruhe vor dem Sturm lag über der Brückberg-Kaserne, als Musik vom Anrücken der Narren-Truppen kündete.

Prinz Wolfgang und Siegburgia Marlies führten zusammen mit Kinderprinz Marcel I. mit seiner Prinzessin Amelie I. die närrischen Heerscharen aus allen Siegburger Karnevalsvereinen an. Die Karnevalisten formierten sich und als die Prinzen schließlich am Kasernentor rüttelten, wich die Gelassenheit der Soldaten einem entschlossenen Kampfeswillen.

"Unser neuer Herr in Berlin ist sehr streng und heißt karnevalistisches Treiben in seinen Heerscharen alles andere als gut", stellte Major Sven Hartwig gleich mal klar, dass man sich nicht kampflos ergeben würde. Auf sein Wort hin postierten sich seine "Grenadiere" als Kette zwischen ihm, dem Herrn des Wachbataillons, und dem Herrn der Siegburger Narren, der von 1965 bis 1967 Tankwart der Kasernentankstelle war.

Der zeigte sich ob der schier unüberwindbaren Phalanx völlig unbeeindruckt: "Lasst uns rein, wir haben auch Bier und lecker Mädscher dabei", hielt er dagegen - und brachte erste Risse in die Verteidigungslinie.

Allein über die Menge des dargebotenen Gerstensafts herrschte Uneinigkeit: "50 Liter" bot der Prinz, 500 Liter forderten die durstigen Grenadiere - im Schlachtruf "Ohne Freibier kommt ihr nicht hierein". 300 bekamen sie schließlich, nach zähem Ringen, und jede Menge fesche Mariechen und viel jecken Frohsinn obendrein.

Das Tor hatte zumindest eine Abordnung der närrischen Truppen überwunden, doch ehe sie auch das Kasino des Wachbataillons in eine Narrenhochburg verwandeln konnte, hatte sich ihr Monarch noch in drei Zweikämpfen Mann gegen Mann zu beweisen.

Was ihm ohne Mühe gelang: Angefeuert von seinen närrischen Kämpfern blies Prinz Wolfgang den Wattebausch schneller durch den Parcours, beantwortete alle Märchenfragen in Rekordzeit und brachte auch das Luftballon-Auge der Märchenfliege mit einem Schuss zum Platzen. Einen Ehrenpunkt ergatterte Sven Hartwig, indem er dem majestätischen Fliegenschützen Schummelei nachweisen konnte.

Dann aber gab der Major, der den erkrankten Wachbataillon-Kommandeur Marcus Göttelmann mehr als würdig vertreten hatte, sich geschlagen und den Weg auf das Kasernengelände frei. Damit war die Kaserne nun ganz in Jeckenhand - und nur noch Feiern angesagt.