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Kostüme zu Karneval im Vorgebirge: Ohne Session kaum Interesse

Verkleidung an Karneval : Ohne Session ist das Interesse an Kostümen im Vorgebirge gering

Karneval ist sonst die Zeit fantasievoller Kostüme. Roland Gotthardt und seine Freunde waren beispielweise immer ein Hingucker im Widdiger Zug. Doch in diesem Jahr ist das Interesse am Verkleiden gering, wie auch die Kostümläden merken.

Wären die Zeiten normal, wäre Roland Gotthardt nicht so entspannt wie momentan, würde er jede freie Minute zwischen Arbeit, Familie und Schlafen damit zubringen, sein Kostüm für den Karnevalszug in Widdig fertigzustellen. Dafür wäre er über seine Werkbank gebeugt, würde Drahtgestelle mit Pappmaché überziehen, diese anmalen und dekorieren, und das wäre ja nur der Kopf der Verkleidung. Kostüme spielen sonst generell eine große Rolle im Karneval. Aber was ist in diesem Jahr schon wie sonst? Schon zum zweiten Mal in Folge finden Züge wie in Widdig nicht statt, also hat Gotthardt viel Zeit fürs Familienleben.

Dabei bereichern er und einige andere den Karnevalszug in Widdig seit gut 20 Jahren mit aufwändigen und auffälligen Kostümen. Markenzeichen: ein großer Kopf.  Vorbilder sind immer Figuren aus Film und Fernsehen, von der Sesamstraße und der Muppet Show über Biene Maja und die Janosch-Tiere bis zu Shrek oder der WDR-Maus. Einmal hatten sie auch einen Wagen. „Auf dem hat die Band aus Hallo Spencer gespielt, die Quietschboys“, erinnert sich Gotthardt. Hauptsache kreativ und verrückt: Da musste nicht immer alles bis ins Detail stimmen. Aber ein passendes Motto gab es stets dazu, das immer etwas mit der Dorf-Realität zu tun hatte.

Die ersten Figuren waren aus Gips und sehr schwer

Der Tischlermeister und Designer hat nicht mehr genau im Kopf, in welchem Jahr er und ein Kumpel aus einer Bierlaune heraus entschieden, beim Zug mitgehen zu wollen – irgendwann um die Jahrtausendwende war das. Die ersten Kostüme waren die M&M-Maskottchen. „Wir haben versucht, die mit Gips schön rund zu bekommen“, erinnert er sich. „Am Ende des Zuges war das wirklich schwer.“ Danach haben sie mit Draht und Pappmaché gearbeiten. Inzwischen geht ihnen diese Bastelei relativ leicht von der Hand.

Längst ist das eine Freundeskreisgruppe, im Schnitt sind sie zu siebt oder acht als KG „RoSi“ im Zug dabei. Und im Dorf, erzählt Gotthardt, komme vor Karneval immer schon Spannung auf. Viele wollten wissen, als was die Gruppe als nächstes geht. „Wir versuchen, das möglichst lange geheim zu halten.“ Für ihn ist das ein Spaß, und er genießt es, „dass man Kindern und Erwachsenen, die die Serien gesehen haben, ein Lachen ins Gesicht zaubern kann“. Damit will er auch weitermachen, sobald es geht. Vielleicht werde es sogar dazu kommen, dass die eigenen Kinder mitgehen.

Ohne Züge, Sitzungen und Partys gibt es in der Region aber wenig Grund für die Jecken, sich neue Kostüme auszudenken, zu bauen oder zuzulegen. Das merken auch die Geschäfte, die auf diese Kundschaft zugeschnitten sind, deutlich.

Kunden suchen überwiegend Kinderkostüme

Im Odendorfer Gewerbegebiet warten im „Outlet Store“ der Firma Peter Kastenholz Kostüme, Ausstattungen für Garden und alles, was Kreative brauchen, um sich selbst etwas Schönes zu schneidern. Doch verkauft wird das derzeit kaum. Hauptsächlich kleine Accessoires oder ein wenig Tüll gingen über den Tisch, erzählt Mitarbeiterin Christel Rohloff. Bei Kostümen suchten Kunden meist etwas für Kinder. „Karneval kann man dieses Jahr abschreiben“, so ihr Fazit. Die Situation ist schon aus dem vergangenen Jahr bekannt. Größere Mengen neuer Ware hätte man daher für 2022 gar nicht erst beschafft. Es sei schon eine Lücke entstanden, sagt Rohloff über die wirtschaftliche Situation. Daran hätte auch die Ankündigung von Feiern in Brauchtumszonen nichts geändert. Aber ein großer Teil des Sortiments seien Stoffe und Nähzubehör. Und da gelte: „Genäht wird immer.“

Die Karnevalsstimmung fehlt

Sehr trostlos sieht Anna-Maria Zündorf vom Euskirchener Geschäft Festartikel Zündorf die Situation. Es sei eine „Riesenkatastrophe“. Über anderthalb Jahre sei das Geschäft mehr oder weniger geschlossen gewesen. Erst zu Halloween 2021 hätten sie wieder Kostüme verkauft. Das Interesse sei da gewesen – aber mit den Absagen der Session auch schnell wieder verschwunden. Erst seit knapp einer Woche kämen wieder mehr Kunden da, erzählt sie kurz vor Weiberfastnacht. Gekauft würden allerdings auch hier überwiegend Kinderkostüme und Kleinigkeiten. Selbst die Karnevalsstimmung fehle, die Pandemiesituation verunsichere viele.

Dabei habe Zündorf schon das Gefühl, die Menschen möchten zumindest zu Hause feiern. Clownsfiguren und anderer Schmuck für die Fenster werden nachgefragt. Kostüme aller Art bleiben allerdings hängen, obwohl vieles stark reduziert ist. Neue Ware wurde auch hier in gar nicht angeschafft. Die wirtschaftliche Lage des Betriebes sehe entsprechend nicht gut aus, bestätigt Zündorf. Hilfreich sei nur, dass die Immobilie im Eigenbesitz sei. „Wenn wir Miete zahlen müssten, wären wir schon insolvent.“ Auch die anderen Standbeine leiden unter Corona. Zum Unternehmen gehört ein Schaustellerbetrieb. Hier sind die Fahrzeuge seit anderthalb Jahren abgemeldet. Zündorfs Fazit: „Es ist einfach traurig.“