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Im Keller fallen höchstens Orden von der Wand

Im Keller fallen höchstens Orden von der Wand

Die Mitglieder des Spielmannszuges des TV Eiche spielen das Lied "Echte Fründe ston zusamme" nicht nur, sondern leben es auch - Schon Zehnjährige sind engagiert dabei

Bad Honnef. "Noch mal", kommandiert Jürgen Wessel. Los geht's mit Pauken und Trompeten: "Mer losse den Dom in Kölle." Na gut, den bringen die Honnefer Stadtsoldaten tatsächlich nicht weg. Aber wenn Ralf Kutzner oder Rainer Bittner die dicke Drumm malträtieren, dann springen schon mal die Alarmanlagen in Autos an, zittern Kronleuchter und kippen Gläser aus Vitrinen.

Im kargen Probenraum des Spielmannzuges des TV Eiche könnten höchstens Karnevalsorden von der Wand fallen. Hier in einem Sibi-Keller dürfen die Musiker nach Herzenslust draufhauen. Einmal in der Woche haben sie ihren Übungsabend.

Auch während der fünften Jahreszeit wird darauf nicht verzichtet. Obwohl dann zig Auftritte anstehen. Zwischen Koblenz und Mönchengladbach bis nach Aachen tourt die Truppe. In dieser kurzen Session stehen im Kalender 28 Termine; in "normalen" Jahren sind es um die 60. Wenn die staatsen Kerls gar Begleiter eines Siebengebirgsprinzenpaares sind, dann kommen sie aus ihren Uniformen gar nicht mehr heraus.

"Mädchensitzungen sind am schönsten", schätzen sie deren Wahnsinnsstimmung. Wenn die Musiker dann einziehen mit auf Hochglanz polierten Stiefeln, den Gardeuniformen in Weiß, Blau und Rot und dem Dreispitz mit Federn auf dem Kopf, dann funkeln so manche Augenpaare. "Der Aufzug ist ein komisch-schönes Gefühl", meint Fabian Ried. Zwar ist er erst zehn, aber der Querflötist hat bereits Bühnenerfahrung.

Zweimal in der Woche übt er auch zu Hause. Da ist er nicht allein. Auch Papa Paul Ried und Bruder Dennis (15) gehören dem Musikcorps an. "Im ersten Jahr habe ich nur beim St. Martin-Zug mitgespielt. Im Karneval bin ich als Koch mit aufgezogen", erzählt Fabian.

Statt der Flöte hatte er eine Kelle in der Hand und lernte so das Marschieren. Als er in der darauf folgenden Session sicher war, spielte er mit. Ihn reizt auch die Trommel. "Wenn ich die Flöte richtig beherrsche, erlerne ich vielleicht noch dieses Instrument." Für eine gute Ausbildung sorgt der Verein ebenso wie für die Instrumente und die "Berufskleidung".

Fördervereinsmitglied Werner Steinbach ist glücklicherweise als Schneidermeister schon mal zur Stelle, wenn die Uniform, eine richtig teure Sache, irgendwo zwickt. Herbert Kroppen unterrichtet die Tambouren. Vor dem Gesamttraining üben sie separat.

Ehrenmitglied August Heinen (76) hat schon Generationen von Stadtsoldaten die Flötentöne beigebracht. Als Fanfarenlehrer ist Detlef Peterse aktiv. "Mein Vater ist nicht streng", sagt Alex Peterse (18). Irgendwie liegt bei allen die Musik im Blut; die meisten Väter haben in diesem reinen "Männerclub" auch die Söhne im Schlepptau, und die sind mit Begeisterung dabei.

So wie Ralf und Oliver, die wie Papa Karl-Heinz Gerlach aktiv sind. Schöner als Disco, finden die Jungs, die ebenso wie die "Alten" die Gemeinschaft schätzen, die ja weit über die fünfte Jahreszeit hinausgeht. Außerhalb des Karnevals haben die Eiche-Musikanten bereits rund 70 Termine im Kalender 2008. Eine gemeinsame Tour steht per anno auf dem Plan. Auch das schweißt zusammen.

Das Lied "Echte Fründe ston zusamme" spielen die Musiker nicht nur, das leben sie. "Mir ist es lieber, die Jugendlichen sind hier", weiß Jürgen Wessel um die Bedeutung dieses Angebots für den Nachwuchs. Auch das Programm passt, ist gar nicht angestaubt. Da stimmt Wessel auch schon das Samba-Potpourri an mit Kumm loss me danze oder An der Copacabana. "Das schönste Stück", freut sich Christoph Meyer (15).

Und plötzlich: Sven Müller (15) und die anderen Flötisten nehmen ihre Instrumente von den Lippen und tanzen, klatschen, die Trommler wirbeln die Stöcke aufs Fell. Eine tolle Schau. Auf der Bühne singt Jürgen Wessel dazu. Hier bei der Probe nicht. Wann übt er? "Gar nicht. Das kommt einfach so."

Schon sein Onkel war der "singende Parkettlegemeister" in einem Unkeler Corps. Jürgen Wessel übt nicht nur diesen Beruf aus, sondern ist ebenso stimmgewaltig. Und er dirigiert seit 21 Jahren. Sicher hält er den Taktstock in der Hand. Mit einem "Federstrich" beendet er das Stück. "Noch einmal."

Selbst die Kleinen werden nicht müde. Aufmerksam schauen Nils Bittner (9), und Marius Bünger-Schlaaf (11) auf die Notenblätter. Vor dem Bauch hängt die Trommel. Bei Auftritten spielen sie wie alle auswendig. Das erfordert starke Konzentration. Wessel (52) schreibt die Noten um in Zahlen.

Ein Bogen über der Ziffer heißt kurzer Schlag oder kurzer Ton. Der Zahlensalat sieht nicht nur kompliziert aus, er ist es auch. "Ich habe die Zahlen intus", sagt Tim Steinbach (9). Timo Wessel (13), Sohn des Chefs, spielt neuerdings Lyra. Selbst im Sitzen ist es schwierig, die Klangplättchen mit dem Hämmerchen zu treffen.

Was erst, wenn das Instrument während des Marschierens bedient werden muss. Aber Übung macht den Meister. Spätestens 2011/12 ist er perfekt. Dann wird das Tambourcorps 100 Jahre alt und möchte das Siebengebirgsprinzenpaar stellen. Wessel hebt den Arm. Noch einmal: "Echte Fründe ston zusamme".