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"Steh ich in de Bütt, weiß keiner wat dann kütt"

"Steh ich in de Bütt, weiß keiner wat dann kütt"

Für das Westumer Urgestein Ägidius Fuchs kommt am Samstag der Abschied nach 50 Jahren am närrischen Rednerpult - Ohne schriftliches Konzept fällt jeder Vortrag anders aus

Sinzig-Westum. Auch wenn es schwer fällt, einmal kommt der Tag, da muss man Abschied nehmen. Für einen Vollblut-Karnevalisten wie Ägidius Fuchs sicherlich einer der schwersten Tage überhaupt. 50 Jahre lang war er ein fester Bestandteil des Karnevals im "Murre-Land". Jetzt soll der Tag des Abschieds gekommen sein.

"Irgendwann muss ich ja doch aufhören. Dann lieber jetzt, wo ich es noch selber bestimmen kann", sagt das Westumer-Urgestein und zwinkert seiner Frau Josefine zu, die ihm in all den Jahren den Rücken frei gehalten hat.

An den ersten Auftritt vor einem halben Jahrhundert kann sich Ägidius Fuchs noch genau erinnern. Das war im Januar 1953, bei der Festsitzung der Karnevalsgesellschaft. Schon damals wurde er als erster herausgeschickt, musste sich dem Publikum stellen und für die nachfolgenden Künstler des Abends die Stimmung "abtasten".

Daran hat sich auch in all den Jahren nichts geändert. "Heute würde es mir schon seltsam vorkommen, wenn ich nicht als Erster auf die Bühne dürfte", meint Fuchs und kann sich selber nicht genau erklären, wie er zum "Eisbrecher" wurde.

Vielleicht lag es daran, dass er schon damals, genauso wenig wie heute, das Wort "Lampenfieber" kannte. Ganz zu schweigen allerdings von seiner Frau. Die ist auf die Rede ihres Mannes genauso gespannt wie die Narren im Saal. Geprobt und trainiert wird zwar Zuhause, aber: "Am besten kann ich mich auf dem stillen Örtchen konzentrieren. Da habe ich meine Ruhe und kann mir soviel Zeit lassen, wie ich brauche", sagt es, lächelt verschmitzt und hält sich dabei die Nase zu.

Bis zu den ersten Proben in der neuen Session vergeht nahezu ein komplettes Jahr der Vorbereitung und Arbeit. Das ganze Jahr über werden Witze gesammelt. Zum Teil aus der Zeitung, mitgeschrieben aus dem Fernsehen oder von Freunden und Bekannten erzählt.

Kurz nach Weihnachten beginnt dann die zweite Phase der Vorbereitung. Das gesamte Material wird gesichtet und in Kategorien eingeteilt: beim Arzt, Erlebnisse aus dem Urlaub, Unterwegs mit Freunden, aus dem Haushalt, Frau und Familie.

Was danach geschieht ist das große Geheimnis von Ägidius Fuchs. "Im Kopf entwickelt sich dann langsam eine Geschichte, zu der ich die jeweils passenden Anekdoten und Witze suche", erklärt der 67-Jährige. Oft geschieht es aber auch, dass Politiker eine "Vorlage" geben oder eine Geschichte aus dem Bekanntenkreis das Gerüst für die jeweilige Rede liefert. Schriftlich festgehalten wird so gut wie gar nichts, darunter leidet die Spontaneität.

"In der Bütt hast du keine Zeit, die richtige Zeile zu suchen. Da muss es Schlag auf Schlag gehen. Das Publikum bestimmt, wann und wie lange an einer Stelle gelacht wird", berichtet Fuchs aus seiner langjährigen Erfahrung.

Das einzige, was er mit in die Bütt nimmt, ist ein Spickzettel mit rund 15 Stichworten, an denen er sich dann im Verlauf des Vortrages entlang hangelt. Keine zwei Reden sind daher gleich. So bleibt nicht nur für die Zuhörer, sondern auch für Ägidius Fuchs selber der Abend immer interessant.

Etwas wehmütig wird der mobile Rentner allerdings, wenn er über die Zukunft des Karneval im Allgemeinen nachdenkt. "Der klassische Rednerkarneval ist eigentlich schon ausgestorben. Es gibt nur noch sehr wenige Büttenredner, die ihr Handwerk auch wirklich verstehen", sagt es und gesteht auch gleich ein, dass er diese Eigenschaft den eigenen Kindern leider auch nicht vererben konnte.

Alle Hoffnung hat Fuchs aber noch nicht aufgegeben. Immerhin schwenkt Enkel David Küpper bei den Sitzungen schon die Fahne, vielleicht wird es ja auch einmal ein "Zwiegespräch" zwischen den beiden Familienmitgliedern auf der Bühne geben.

Bis es soweit ist, heißt es allerdings am Samstag, 22. Februar, erst einmal Abschied nehmen aus der Bütt für Ägidius Fuchs. Dann steht er nämlich bei der großen Sitzung der Westumer Narren im Saal Herges um 20.11 Uhr als erster auf der Bühne. Was er mit der dann gewonnen Freizeit macht, weiß er noch nicht so genau.

Mit seiner Frau mehr unternehmen, ein wenig mehr Zeit mit den Enkelkindern verbringen oder auch einfach nur durch die schöne Natur fahren. Oder aber doch an einem "Comeback" arbeiten, denn auch für den Karnevalisten aus Westum gilt das Motto: "Sag niemals nie."