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Kölsch im Ratssaal, Narrenkappen auf dem Kopf

Kölsch im Ratssaal, Narrenkappen auf dem Kopf

Eine japanische Praktikantin erlebt den Beginn der Fünften Jahreszeit in Beuel - In Japan verkleiden sich höchstens die Teilnehmer beim Sommerfest Gion-Matsuri

Bonn-Beuel. Vor dem Sitzungssaal des Beueler Rathauses stehen Soldaten. Sie lachen. Ihre roten Uniformen signalisieren schon, dass hier nicht der Ernstfall geprobt wird. Auch junge Frauen gehören zu dem Trupp. Sie tragen kurze Röcke unter den knalligen Jacken und sind stark geschminkt. Aus dem Saal dröhnt laute Marschmusik. Kellnerinnen mit runden Tabletts laufen rein und raus und servieren Kölsch, ein Bier aus dem Rheinland, das in schmale Gläser gefüllt wird.

Heute läuft keine politische Debatte. Das ist klar. Doch was machen diese Leute mit den lustigen bunten Schiffchen auf dem Kopf? Das sind Narrenkappen. Die Mütze hat zwei Hauptfarben, die als Symbol für einen Verein oder einen Bezirk stehen. Die Farben Beuels sind beispielsweise Blau und Gelb, Rot und Weiß stehen für LiKüRa (Abkürzung von Limperich, Küdinghoven und Ramersdorf), Grün und Weiß für Oberkassel.

Es ist Karnevalszeit im Rheinland - "der höchste Feiertag ist Rosenmontag", sagt einer. Dann sind überall Umzüge, und alle Menschen laufen verkleidet als Clowns, Vampire oder Indianer durch die Straßen. In Japan feiern manche Kinder Halloween, ein Fest, das aus Amerika abgeguckt ist. Sonst verkleidet man sich nicht. Vor allem tun das keine erwachsenen Menschen. Dass das die Erwachsene in Deutschland doch mitmachen, ist für jemanden, der aus Japan kommt, etwas merkwürdig. Japaner ziehen schon mal einen Kimono an - zu besonderen Anlässen, etwa am Neujahrstag oder wenn man volljährig wird. Also aus Traditionsbewusstsein, nicht als Gag. Im japanischen Sommerfest Gion-Matsuri, das in Kyoto stattfindet, trägt man zwar Kostüme aus der alten Zeit und macht Umzüge. Aber sich komisch zu verkleiden, ist nicht üblich.

Die ehrenwerten Männer und Frauen, die sonst in einer Bank arbeiten oder ein Geschäft haben, verkleiden sich und haben öffentliche Auftritte. Das wäre in Japan unvorstellbar. Selbst Karaoke ist in Japan keine öffentliche Schau. Man geht im geschlossenen Freundes- oder Familienkreis in so genannte Karaoke-Boxes. Man mietet zusammen ein Zimmer mit Fernsehapparat, Mikrofonen und Sesseln und amüsiert sich - ganz privat.

Im Beueler Karneval spielen die Frauen die Hauptrolle. Denn Beuel ist die Wiege der Weiberfastnacht. Obermöhn Evi Zwiebeler, Liküra-Prinzessin Diana I. und Wäscherprinzessin Patty I. werden im Rathaus offiziell vorgestellt. Die Prinzessinen tragen ihre Namen wie wirkliche Monarchen und werden jedes Jahr neu ernannt. An diesem Abend tragen sie Zivil, weil die richtige Proklamation noch erfolgt. Es gibt also Konventionen, an die sich Karnevalisten halten.

Und wer hat den Abend geleitet? Unglaublicherweise Bezirksvorsteher Georg Fenninger. Japanischer Bezirksvorsteher würden eine kurze Ansprache halten und danach bis zum Ende der Zeremonie auf dem Stuhl sitzen. Aber hier hat Fenninger, der wie ein Bürgermeister ist, alle Karnevalsfunktionäre und kommunalen Politiker ins Rathaus eingeladen und macht jeden Spaß mit. Der Beueler Bezirksvorsteher ist dienstbeflissen.

Es sind meistens ältere Leute im Ratssaal, aber immerhin wird die Tradition von der jüngeren Generation auch gepflegt. Diana I. ist die dritte LiKüRa-Prinzessin in ihrer Familie. Ihre Großmutter war sogar die erste Prinzessin im Jahr 1951. Dirk Esch (27) ist ebenfalls in der dritten Generation aktiv. Beruflich ist er Bankangestellter, privat Geschäftsführer der Beueler Stadtsoldaten. Sein Großvater war einer der Mitgründer. Wenn er ein Kind hätte, würde er ihm auch wünschen, ein Stadtsoldat zu werden. Im Zeughaus findet der Generalappell der Stadtsoldaten statt. Es werden Orden verliehen. Jedes Jahr hat er ein anderes Design. Das Zeughaus gehört dem Verein, in dem die Stadtsoldaten die Auftritte für den Karneval üben. Und wenn dort eine Karnevalsaktion stattfindet, wird das Haus auf einmal eine Kneipe.

Während der Karnevalzeit hört man vielmals einen Ruf: "Alaaf". Einer sagt drei Sachen, die anderen Leute rufen "Alaaf" danach und heben einen Arm. Statt "Alaaf" ruft man in diesem Verein "Rot-Blau", die Hauptfarben der Stadtsoldaten. In Japan gibt es etwas Ähnliches. Nämlich "Ban-sai", was ursprünglich "ewiges Leben" bedeutet. Heute sagt man "Ban-sai" und hebt beide Arme hoch, wenn man etwas erreicht hat, wenn jemand etwa die Wahlen gewonnen oder eine Mannschaft gesiegt hat.

"Wenn ich diese Soldatenuniform anhabe, freue ich mich richtig auf den Karneval, und ich fühle mich einfach besser", sagte Geschäftsführer Esch. Vom 11. November, 11.11 Uhr, bis zum Aschermittwoch, der diesmal auf den 5. März fällt, können die Stadtsoldaten die Uniform anziehen. So lange dauert der Karneval. Ohne Karneval kann er sich sein Leben aber nicht vorstellen. Er war schon als fünfjähriges Kind im Verein. Das Vereinsleben ist in Japan nicht so ausgeprägt wie in Deutschland. Dort ist man höchstens Mitglied in einem Sport- oder Kunstverein.

Sich zu verkleiden, ist sicherlich ein besonderes Gefühl. Auch wenn man nicht mit dem Umzug mitmarschiert, kann man etwa als Pierrot zuschauen, mitrufen und -singen sowie die Süßigkeiten aufheben, die geworfen werden. Beim japanischen Gion-Matsuri-Umzug sind nur die Teilnehmer im Zug verkleidet, die Zuschauer nicht. In Deutschland ist der Übergang zwischen den Zugteilnehmern und Zuschauern fließend.

Wie kann man nun "Karneval" anderen Leuten erklären, die noch nie in ihren Leben Karneval erlebt haben? Esch überlegt eine kleine Weile und sagt: "Das ist ein Lebensgefühl. Das muss man selbst erleben. Also komm einfach her und feiere mit!"

Shoko Watanabe (22) studiert Germanistik in Tokio und absolviert derzeit ein zweimonatiges Praktikum beim General-Anzeiger. Im vergangenen Jahr studierte sie ein Jahr lang in Trier, wo sie zum ersten Mal einen Karnevalsumzug erlebte. Jetzt schildert sie ihre Eindrücke vom Sessionsauftakt in Beuel.