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Weinbrand soll die Zunge der Angeklagten lösen

Weinbrand soll die Zunge der Angeklagten lösen

Die "Fidelen Ströpper" decken Verstöße gegen die guten karnevalistischen Sitten auf

Römlinghoven. Wenn das hohe Gericht sich gleich zu Beginn seiner Arbeit einen amtierenden Machthaber vorknöpft, dann sagt das viel aus über Ambitionen und politische Einflussnahme. Ehrgeizig - so trat das Narrengericht der Römlinghovener KG "Fidele Ströpper" in der Gaststätte Richarz auf und verfolgte hart jeden Verstoß gegen die karnevalistische Lebensform.

Als Einstieg in einen Tag harter juristischer Arbeit war Bürgermeister Peter Wirtz inhaftiert worden.

Staatsanwalt Joachim Lischka forderte unnachgiebig die Eröffnung des politischen Prozesses. Vor ihm lag gar ein dicker Strafrechtskommentar auf dem Tisch. Hauptvorwurf: "Bei der Neuinterpretation der Bestimmungen für die Karnevalszüge hätte die Stadt viel mehr Widerstand leisten müssen."

Die flammenden Rede des Anklägers ließ auch den Bürgermeister auf seinem Platz nicht unbeeindruckt, obwohl er sich mit seiner Kostümierung zumindest karnevalsgemäß fröhlich gekleidet hatte. Zur Verteidigung musste Wirtz auf den Advokaten des Gerichts, Rechtsanwalt Stephan Födisch, vertrauen. Einen Freispruch ersuchte dieser nicht, sondern zielte in seiner Rede auf ein mildes Strafmaß. "Der Bürgermeister hat angekündigt, dass das Tanzcorps der Fidelen Ströpper ab sofort auf dem Weinblütenfest auftreten darf."

Der Präsident des Gerichts, Reinhard Gärtner, strahlte durch Weisheit und konsequente Abwägung. Auch dem Bürgermeister gegenüber ließ er es nicht an Schärfe vermissen: "Wer solche Hindernisse für den Karneval aufstellt, muss Maßnahmen der Läuterung erfahren." Ganz im Sinne des Finanzsäckels der "Ströpper" wurde eine Geldbuße gegen Wirtz verhängt. Rund 60 Fälle verhandelte das Gericht, allesamt wegen festgestellter Verstöße gegen die karnevalistischen Sitten.

Auch wenn es kein Karnevalsgesetzbuch gibt - Strafe muss sein. Diese wird durch eine Zahlung in die Vereinskasse abgeleistet, was für das Jahresbudget der Jecken einen beträchtlichen Posten ausmacht. Natürlich versuchten sich viele Angeklagte, den Richter mit Sühne oder Unschuldsbekundungen zu beeindrucken. Doch auch in solchen Fällen zeigte sich Gärtner korrekt, hart aber gerecht - ganz im Sinne der Karnevalisten zumindest.

Staatsanwalt Lischka dagegen versuchte auch den ein oder anderen fiesen Trick, wollte die Delinquenten vor dem Gericht mit kleinen Weinbränden zum Reden bringen. Typisch die Verhandlung bei der Doppelinhaftierung von Dieter H. und Hans U. Ihnen wurde vom Staatsanwalt vorgeworfen: "Das sind Wiederholungstäter ohne karnevalistische Gesinnung."

Die Gegenrede des Rechtsanwalts: "Dass sie sich freiwillig stellen, spricht für sie." Das Urteil: Geldbuße. Schon waren H. und U. wieder auf freiem Fuß - und bekamen sogar einen Orden mit auf dem Heimweg.