Zapfsäule und Zepter

Wenn Prinz Christoph III. nicht gerade einen Saal erobert, arbeitet er in einer Tankstelle - ab halb sechs Uhr morgens

Bad Godesberg. Tankstellenmitarbeiter werden üblicherweise nicht mit Küsschen begrüßt. Christoph Caspary schon. Als er zum Fototermin mit dem GA vor der Zapfsäule posiert, fällt ihm eine blonde Karnevalistin um den Hals.

Wenn der 32-Jährige nicht gerade arbeiten muss, zieht er als Prinz Karneval durch die Säle. Lange vor Sonnenaufgang beginnt für Christoph Caspary die Schicht. Am Montagmorgen um 5.35 Uhr betritt er den Verkaufsraum, räumt die Tageszeitungen ein und öffnet die Kasse.

Es wird ein langer Tag werden. Es ist der erste des Monats, die Abrechnung ist fällig. Also wechselt er am Nachmittag vom Verkaufsraum ins Büro. Seit er als Bad Godesberger Karnevalsprinz bekannt ist, erkennen ihn Kunden auch im dunkelblauen Anorak wieder.

"Wir haben sie am Wochenende auf der Milljöhsitzung gesehen", heißt es dann. Oder bei der Sitzung der Tippgemeinschaft Kolönnchen. Oder bei den Dottendorfer Freunden von Dänemark Ruut-Wiess. Jetzt, da Weiberfastnacht und damit die tollsten sechs Tage des Jahres näher rücken, jagt ein Termin den nächsten.

Alleine am Samstag sind er und Godesia Kathrin zwölf Stunden unterwegs. "So finde ich es am schönsten", findet Christoph Caspary. Die zahllosen positiven Reaktionen auf seine Regentschaft, "der Rückhalt und die Unterstützung", die ihm zur Zeit entgegen gebracht wird, sind für ihn bisher die schönste Überraschung der Session.

Auch die Kollegen von der Tankstelle unterstützen ihn nach Kräften. "Aber auf die Knie fallen wir nicht", tönt es aus der Kaffeeküche. Geschäftsführer Willi Sülzen gewährt seinem prominenten Mitarbeiter einige Privilegien. Anders wäre das Prinzenpensum auch kaum zu bewältigen. Offiziell hat er nur für die zweite und dritte Februarwoche Urlaub genommen.

"Aber wenn ich sehe, dass er seine Augen kaum offen halten kann, schicke ich ihn zum Ausschlafen nach Hause", sagt Sülzen. Der Chef kann darauf vertrauen, dass der Prinz dieses Angebot nicht ausnutzt. "Wer feiern kann, kann auch arbeiten", auch wenn letzteres manchmal sehr schwer fällt. "Ich probiere es, soweit es möglich ist." Vorbild ist offenbar der VW-Käfer: Er läuft und läuft und läuft.

Wo eine Mütze Schlaf oder ein großer Becher Kaffee versagen, hilft der Hofstaat aus. Die Mannschaft um Hofmarschall Peter Kittler ist sich für keinen Handgriff zu schade. Das fängt schon beim Ankleiden an.

Das Ornat des Prinzen wird mit einem Reißverschluss am Rücken zusammen gehalten, den der Prinz nur theoretisch und unter größten Verrenkungen erreichen könnte. Ein klarer Fall fürs Personal. Das kümmert sich auch um Organisatorisches, zum Beispiel um die Frage, wer einen der begehrten Prinzenorden verliehen bekommt.

Wenn der Prinz eine Bühne betritt, ist er auf sich allein gestellt. Die passenden Worte muss er schon selber finden. Souffleusen gibt es im Karneval nicht. "Ich bin dann auf jeden Fall nervös und das schlägt bei mir auf den Magen", gesteht Christoph Caspary. Ein Patentrezept für das Magengrimmen gibt es nicht.

Also versucht er gar nicht erst, sich irgendwelche Sätze zurecht zu legen, die er dann im entscheidenden Moment vergessen könnte. Er wählt seine Worte spontan. "Ich gehe da sehr unbedarft dran."

Der Gedanke, Karnevalsprinz zu werden, kommt Christoph Caspary erstmals 2003, als er als Fahrer und Ordensmeister Prinz Jürgen I. und Godesia Brigitte durch die Session begleitet. Aus der fixen Idee entwickelt sich Anfang 2009 ein konkreter Plan.

Auslöser ist das Sessionsmotto "Ob Sturm, ob Schnie, ob Sonnesching - 800 Johr steht uns Burg am Rhing". "Bad Godesberg liegt mir am Herzen", sagt Christoph Caspary. "Ich kann mir keinen schöneren Ort vorstellen."