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Jecke kehren vor allem den "Kleinen" den Rücken

Jecke kehren vor allem den "Kleinen" den Rücken

Bad Honnefer Karnevalsgesellschaften beklagen allmählichen Rückgang bei den Besucherzahlen - "Ziepches Jecke" machen keine Sitzung mehr - Festkomitee-Präsident regt ein Umdenken an

Bad Honnef. Katerstimmung am Aschermittwoch? Das trifft nach dem jecken Treiben im Straßenkarneval nicht nur für nicht-organisierte Narren zu. Grund: Die Sitzungen waren oft nicht so voll, wie es sich die rührigen Veranstalter gewünscht hätten.

Hartz IV, wirtschaftliche Probleme, exorbitante Künstler-Honorare und die Konkurrenz rein kommerzieller Veranstaltungen - die Gründe sind vielfältig. Zu spüren bekommen das meist kleine Vereine: Vor allem dort waren es weniger Narren, die zu den Karnevalsgesellschaften (KGs) kamen. In Königswinter wurde eine Sitzung abgesagt. An anderer Stelle wollen es die Vereine gar nicht erst so weit kommen lassen.

"Wir müssen eventuell den ganzen Sitzungskarneval überdenken", zieht Heinz Arenz, Präsident des Festkomitees Bad Honnefer Karneval und der KG "Löstige Geselle", erste Bilanz. Zwar sei es für eine genaue Analyse zu früh - das Festkomitee hält im März Rückschau -, fest aber steht: Die Besucherzahlen gehen zurück.

"Rühmliche Ausnahme" bilde die KG "Halt Pol", die jetzt schon weiß, dass sie auch 2006 vor vollen Reihen paradieren wird. Schlimm getroffen hat es die Rhöndorfer "Ziepches Jecke", so Vorsitzender Manfred Limbach: "Wir hatten 185 zahlende Gäste im Saal." Im Kursaal, wohl gemerkt, dessen Reihenbestuhlung durch runde Tische ersetzt wurde.

Ist doch nichts der guten Stimmung so abträglich wie ein halb leerer Saal. Konsequenz: Die KG schießt 4 500 Euro zu, Geld, das die Ehrenamtler beim Weinfest erwirtschaften. Limbach: "Das kann es nicht sein." Deshalb denke man darüber nach, 2006 die große Sitzung zu streichen. Stattdessen wollen die "Ziepches Jecke" ein Fest ausrichten, mit "einigen wenigen Programmpunkten". Limbach: "Der herkömmliche Sitzungskarneval ist für einige Vereine einfach nicht mehr finanzierbar."

Weniger Besucher hatten auch andere KGs, wiewohl die "Jecken Wiever von der kfd", die "Löstigen", die Rheinbreitbacher von "Me halen et us" und die Große Selhofer KG zufrieden sind. "Wir ziehen positiv Bilanz, obwohl auch bei uns ein Rückgang zu verzeichnen ist", sagt etwa Michael Siegel, Präsident von "Me halen es us". Und Elsbeth Ruppert von den "Jecken Wievern" meint: "Wir haben bisher Glück gehabt."

Immerhin seien 230 Besucher verschiedensten Alters da gewesen; 280, gar 400 waren es früher. Sehr zufrieden ist Büb Brodesser, der im März nach 25 Jahren den Staffelstab als Vorsitzender der Großen Selhofer KG abgeben wird: In Selhof sei die Ortsverbundenheit, die auch im Veranstaltungsort "Saal Kaiser" ihren Niederschlag finde, Garant für gelungenen Saalkarneval. Und: Es seien überraschend viele junge Leute gekommen.

Die Probleme bei den Sitzungen sehen dennoch alle, bei den Ursachen sind sie sich einig. Die Eintritts- und Bewirtungspreise seien es nicht: Im Gegensatz zur Dom-Stadt seien die moderat, sagt Arenz - und sollen es bleiben. Problem für die Vereine: Bestensfalls seien die Sitzungen Null-Summen-Spiele, vielerorts werde Geld dazu gelegt. Ohne potente Förderer gehe es nicht, und davon gibt es in Honnef einige. Die KGs haben ja auch weitere Kosten: Orden, Wurfmaterial, Züge. . .

Vor allem die angespannte Wirtschaftslage sei dem Brauchtum abträglich, heißt es. Siegel: "Die Leute gehen nur noch auf eine Veranstaltung." Und wenn die kleinen Vereine dann "nicht einen zugkräftigen Namen auf dem Plakat" hätten, käme mancher Narr nicht. Die Bühnen-Asse zu finanzieren, ist kein leichtes Spiel. Limbach: "Teils kommen da für 20 Minuten 2 500 Euro auf uns zu. Das geht einfach nicht mehr."

Ruppert: "Bei so etwas können vor allem die kleinen Vereine nicht mehr mithalten." Ein massives Problem machen Arenz und seine Kollegen auch in kommerziellen Sitzungen aus, bei denen in Köln Zehntausende durch die Säle geschleust werden - alle Bütt-Asse inklusive. Arenz: "Dabei bietet etwa Honnef für jeden etwas. Man muss nicht nach Köln flüchten." Das Nachdenken hat eingesetzt, nicht erst jetzt. Arenz: "Wir müssen die Leute anders erreichen."

Schließlich gebe es einen Generationswechsel nicht nur in den Vereinen, die zudem Nachwuchs brauchen, sondern auch im Publikum. Ein Patentrezept fehlt. Eine Spirale aber scheint es allemal: Zugkräftige Bühnennummern sind teuer, würden langfristig wohl auch die Eintrittspreise erhöhen, was wieder Gäste abschrecken könnte. Und dabei lebt das Brauchtum doch vom Lokalkolorit - davon wollen die Vereine, die viele talentierte Eigengewächse haben, nicht lassen.

Bestätigt sieht sich Siegel durch eine Umfrage, die "Me halen et us" bei der Weibersitzung gemacht hat. Aber: "Eigentlich erreichen wir damit die Falschen: die, die da sind." Ruppert schaut in die Zukunft: "Wir müssen die jungen Leute ansprechen, die sind die Zukunft", in den Vereinen und im Publikum.

Bilanzieren heißt es auch zum "Zoch": Mit der Startzeit ernteten die Honnefer auch Kritik. Das Festkomitee hat den Beginn einstimmig von 13 auf 14 Uhr verlegt und damit eine Kollision mit dem Zug in Rheinbreitbach (15 Uhr) programmiert. Negativ ist das etwa für "Me halen et us", die ihren Zugabschluss in der Hans-Dahmen-Halle selbst bewirten und "damit Finanzdefizite etwa der Damensitzung stopfen", so Siegel.

Arenz: "Für uns ist das Konzept aufgegangen." Soll heißen: Die Straßen waren voll, das Abschlussfest im Seminaris auch. Arenz: "Wenn es keinen Siebengebirgszug gibt, dem wir uns unterordnen, bleibt es bei 14 Uhr." Siegel: "Man muss Verständnis dafür haben." Die Honnefer seien halt "auf den Trichter gekommen, die Zuschauer im eigenen Ort zu halten". Siegel: "Vor allem für die Jecken ist das schade, sie können sich nicht teilen."