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Der "Teuro" vermiest dem Narren die Stimmung

Der "Teuro" vermiest dem Narren die Stimmung

Viele Stühle bleiben bei den Sitzungen im Rhein-Sieg-Kreis leer - Spitzenkräfte sind den Veranstaltern zu teuer

Rhein-Sieg-Kreis. Vorne auf der Bühne steppt der Bär, haben Spaßredner, Tanzmariechen und Ehrengarde ihren großen Auftritt. Die Jecken in den ersten Reihen gehen begeistert mit - ein Bild glückseliger Narrenherrlichkeit. Doch der Schein trügt. Ein Blick in die hinteren Reihen offenbart das Problem: Auf immer mehr Veranstaltungen im Rhein-Sieg-Kreis bleiben Stühle in den Festsälen leer, Sitzungen werden wegen geringer Nachfrage abgesagt.

"Aus wirtschaftlichen und personellen Gründen ist das ''Fest in Rot'' für uns leider nicht durchführbar", teilte die KG "Treuer Husar" in Troisdorf mit. "Diese Entscheidung haben wir uns nicht leicht gemacht, doch wir konnten nicht anders", sagte Husar Peter Winter.

Dass der jecke Elan nachlässt, spürt auch Heinz-Josef Bungartz, Literat bei der KG "Blau Wieße Essele" in Sankt Augustin-Menden seit drei Jahren. Die Prunksitzung voll zu bekommen, falle sehr schwer.

Nur 600 Karten von etwa 760 wurden in der Session verkauft. "Ich glaube, immer mehr Paare gehen an Karneval getrennt weg", glaubt Bungartz - zu Herren- und Damensitzungen. Allein im Menden kommen 1 400 jecke Wiever ins Festzelt. Aber erstmalig seien auch dort "noch einige Karten zu haben gewesen".

Karl-Rudolf Geus meint: "Die Erwartungshaltung der Leute ist groß, vor allem, was die Kräfte angeht." Der Literat der Kolpingfamilie in Niederkassel-Rheidt, leitet dort seit 36 Jahren die Prunksitzung. Vor allem die Spitzenkräfte, zumeist aus Köln, seien das Problem: "Wenn da mal einer im Fernsehen war, kann man den kaum noch bezahlen", klagt Geus.

Trotzdem erwarten die Jecken die Höhner, Brings, Bläck Fööss, den Werbefachmann Bernd Stelter oder Fritz Schöps alias das "Rumpelstilzje" auf der Bühne. "Wenn die nicht im Programm stehen, bleiben die Leute zu Hause", sagt Geus. Dort könnten sie alle Großen der Branche anschauen - bequem und preiswert im Fernsehen.

Ohne große Namen geht in dem Geschäft kaum mehr etwas. Vor allem dann, wenn man wie Holger Bultmann das Troisdorfer Bürgerhaus füllen muss. Bultmann ist Vorsitzender der traditionsreichen Troisdorfer Narrenzunft 1925. Um die 1 000 Karten zum Stückpreis von 23 Euro zu verkaufen, ist er dann auch bereit, die nötigen 15 000 Euro für ein Programm mit Spitzenkräften zu investieren. Und selbst dann musste der Verein "noch verdammt ackern", um die Karten los zu werden.

Mitten in der Woche

Dem Dilemma mit den teuren Stars versucht die KG Grün-Weiß Bergheim mit einem Kunstgriff zu entgehen. Dort wird die Sitzung nicht am Wochenende abgehalten, sondern mitten in der Woche. Da sind dann Kapazitäten wie Wicky Junggeburth noch verfügbar, sagt Pressesprecher Norbert Mondorf. Auch die Honorare seien dann erschwinglich. Es funktioniert: Das Festzelt ist immer voll.

Doch auch die Karnevalsgrößen sind nicht immer ein Erfolgsgarant. Dem Jeck sitzt das Geld nicht mehr so locker in der Tasche. Viele potenziellen Besucher scheuten die Eintrittspreise, meint Karl-Heinz Boch, Schriftführer des Regionalverbandes Rhein-Sieg/Eifel des Bundes Deutscher Karnevalisten (BDK), zu dem im Rechtsrheinischen zwischen Much und Lülsdorf 277 Vereine gehören.

Zwischen zehn und 20 Euro kostet die Karte, und für Großereignisse wie die Mädchensitzung der 1. Großen Sieglarer KG müssen die Jecke sogar knapp 30 Euro berappen. Im Saal vermiest dann der "Teuro" die Stimmung. Hat zuvor ein Glas mit 0,3 Liter Kölsch zwei Mark gekostet, lege man heute oft zwei Euro hin, sagt Boch.

Auch lokale Besonderheiten wie in Siegburg spielen eine Rolle. Dreh- und Angelpunkt ist für Günter Krengel, Vorsitzender des Siegburger Karnevalskomitees, das Schützenhaus, Veranstaltungsort für 18 Vereine. Der Saal für 400 Gäste ist ihm zu klein. "Wir bräuchten Platz für rund 700 Besucher." Damit ließen sich Besucherschwankungen ausgleichen.

Während das Siegburger Stadtsoldatencorps Rot-Weiß für die Prunksitzung laut Presseoffizier Dietmar Kurz-Storck mühelos einige hundert Karten mehr hätte verkaufen können, blieben bei allen vier Sitzungen der Funken Blau-Weiß Stühle frei. Krengel schwebt vor, dass sich Vereine zusammenschließen: "So bekäme man auch größere Hallen voll."

Probleme sind für Dieter Thewes, Pressewart der KG Altenrather Sandhasen, oft hausgemacht: "Wir mussten erst den Vorstand komplett verjüngen. Dann kam neuer Schwung in den Verein." Viele altgediente Vorstände würden aber selten freiwillig zurücktreten.

Ein Patentrezept, wie man der Misere begegnen könnte, haben Krengel und Boch nicht. Vorstellbar für Krengel wäre eine stärkere Absprache zwischen den Vereinen bei Ringveranstaltungen.

So könne man etwa Bernd Stelter an einem Abend bei fünf Vereinen in der Region präsentieren. Boch fordert ein Umdenken: "Weniger Kommerz, mehr familiäre Atmosphäre."