Duft für die Jecken

Die Bezeichnung "Veilchendienstag" ist vermutlich in den 1960er Jahren in Alfter entstanden

Alfter. Veilchendienstag - so wird der Tag nach Rosenmontag im südlichen Rheinland und am Niederrhein vielfach genannt. Aber selbst Experten wissen nicht genau, warum. Es spricht jedoch viel dafür, dass die Bezeichnung aus Alfter kommt.

Jahrzehntelang gab es in Alfter einen florierenden Anbau von Veilchen, die aus Frühbeetkulturen unter Glasscheiben oder Gewächshäusern schon sehr früh im Jahr verfügbar waren. Über Blumenhändler landeten sie zum Weiterverkauf auf den Großmärkten in Köln und in Düsseldorf, man brachte sie nach Bonn und Wuppertal, ins Sauerland und in den Westerwald.

Duftveilchen Wohlriechende Veilchen (viola adorata) wurden seit dem frühen Mittelalter auch in Mitteleuropa als Zier- und Heilpflanze angebaut sowie zur Herstellung von Parfüm und süßer Dekoration auf Torten und Desserts.

Bis in die 1930er Jahre gehörten Veilchen zu den beliebtesten Schnittblumen. Die Erzeugung begann im Winter durch Zucht unter Glas. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Anbau nach und nach aufgegeben, weil die gestiegenen Lohnkosten die Produktion unrentabel machten.Karnevalsprinzen entdeckten die Sträußchen als willkommene Gabe zu einer Jahreszeit, in der sonst kaum etwas blühte. "Zehn Veilchen und vier bis fünf Efeublätter außen herum für die Stabilität". Maria Montenarh aus Alfter, die am Karnevalssonntag ihren 70. Geburtstag feiert, erinnert sich genau, wie sie als Kind im Familienbetrieb ihrer Großeltern Maria und Theo Pütz die Veilchensträuße zu binden hatte.

"Gerade in der kargen Winterzeit waren sie eine wichtige Einnahmequelle", berichtet sie. Das bestätigen nicht nur weitere Gärtner, sondern auch eine Quelle, die Heimatforscher Horst Bursch aus Bornheim-Dersdorf entdeckt hat.

1897 notierte Karl Kollbach in seinem "Rheinischen Wanderbuch: "Am erstaunlichsten aber erscheint uns die Summe, welche aus dem Verkauf von Veilchen dem Orte zufließt und reichlich ihre 12 000 (!) Mark beträgt, da die Blumen drei- bis viermal selbst während des Winters geerntet und für 100 Stück etwa 30 Pfennig bezahlt werden.

Allein an den beiden Carnevalstagen wurden von Alfter aus schon für 900 Euro Veilchensträußchen in Köln und Bonn verkauft". Die feldmäßige Blumenzucht an der Wende zum 20. Jahrhundert beschreiben die Heimatforscher Josef Dietz und Norbert Zerlett in ihrer Festschrift von 1967 zum 900-Jahr-Jubiläum von Alfter: "Auch in der feldmäßigen Blumenzucht auf einer Gesamtfläche von weit über 50 Morgen ist Alfter führend. Um 1890 betrieb man plötzlich im großen Umfange die Veilchenzucht. Der Prinz Karneval warf in Köln und Bonn nicht mehr nur mit Karamellen, sondern auch mit wohlduftenden Veilchensträußchen."

Die Frage sei daher berechtigt, so die Heimatforscher: "Hat Alfter den Namen 'Veilchendienstag' geprägt?" Tatsache ist, dass die Alfterer Gärtner die kleinen Sträußchen nicht nur an die Karnevalisten in der Region verkauften. Auch in Alfter verbützten die Zugteilnehmer vor und nach dem Zweiten Weltkrieg Veilchensträußchen, weiß beispielsweise Adolf Christian "Adi" Schumacher (79).

Schumacher war 1963 Karnevalsprinz, seine Frau Liselotte (76) regierte 1967 als Alfreda. Der Blumenhändler vertrieb Veilchen aus Alfter auch schon zu Karneval, wenn kein strenger Winter das Wachstum der Frühbeetkulturen beeinträchtigt hatte. Hatten die Alfterer selbst nicht genug Veilchen für die Nachfrage, mischten sie weniger duftstarke Importware in die Sträußchen, berichtet Schumacher.

Aber nicht nur der Veilchenverkauf, sondern ebenso Alfters Stellung als Karnevalshochburg dürfte für die Verbreitung des Namens "Veilchendienstag" mit verantwortlich sein. Denn Alfter setzte sich von Beginn an mit seinen Karnevalsdienstagszügen ein Denkmal.

Nach dem ersten gemeinschaftlich vom "Kleinen Rat" organisierten Umzug im Jahr 1910 entwickelte sich der Alfterer Dienstagszug mit seinen stattlichen Prunkwagen zu einer Attraktion weit über die Ortsgrenzen hinaus. 1928, nach der 14-jährigen Pause, die dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges folgte, strömten laut Presseberichten 30 000 bis 40 000 auswärtige Besucher nach Alfter zum Zug. Er war seinerzeit im Vorgebirge konkurrenzlos.

Die Veranstalter in Alfter rührten 1928 allerdings auch kräftig die Werbetrommel und boten beim Halt des "Feurigen Elias" im Alfterer Bahnhof in den Waggons für zehn Pfennig Zugprogramme an. Nach 48 Wagen, Fußgruppen und Musikkapellen hieß es dann laut Zeitungsberichten im Publikum: "Ich gläuve, d´r Alfterer Zug wor noch schöner als wie der Bonner".

Die Reihe grandioser Karnevalsumzüge setzte sich später fort, zunächst bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Der erste Umzug danach ging 1950, und zur Bewältigung der Besucherscharen von nah und fern mussten in den Folgejahren Sonderzüge und Zusatzbusse eingesetzt werden. Noch allerdings hatte sich die Bezeichnung "Veilchendienstag" nicht offiziell verbreitet.

Weder in den 1930er Jahren noch in den 1950er Jahren findet man diesen Namen in Werbungen für den Alfterer Zug und in Presseberichten. Wolfgang Herborn (70), als Kulturhistoriker bis 2005 am Institut für Rheinische Landeskunde der Universität Bonn tätig, wundert das nicht. "Dann hätte sich ein mundartlicher Name einbürgern müssen, etwa "Vijoledienstag".

Er vermutet deshalb, dass der hochsprachliche Begriff Veilchendienstag erst später geprägt wurde. Der Niederrhein, wo in Mönchengladbach heute der bedeutendste Veilchendienstagszug von Nordrhein-Westfalen stattfindet, scheidet bei der Namensgebung offensichtlich aus.

Volker Werker, Presseoffizier der Prinzengarde der Stadt Mönchengladbach: "Anders als in Köln oder Alfter ist das Werfen von Sträußchen beim Veilchendienstagszug in Mönchengladbach unüblich. Auch sonst gibt es keinen Bezug zu Veilchen." Der Begriff Veilchendienstag sei wahrscheinlich aus dem rheinischen Karnevalsbrauchtum übernommen worden und stamme nicht ursprünglich aus Mönchengladbach.

In der Presseberichterstattung über den Alfterer Karnevalszug taucht der Veilchendienstag schließlich in den 1960er Jahren auf. Dazu dürften die Zehntausende auswärtiger Besucher, das Verschenken von Veilchensträußchen und die aufkommende Fernsehübertragung des überregional bedeutsamen Ereignisses beigetragen haben.

Der General-Anzeiger setzte das Wort 1964 noch in Gänsefüßchen, im Folgejahr ließ man die Anführungszeichen bereits weg. Wenn man heute jemanden in Alfter fragt, dann hieß der Veilchendienstag "hier schon immer so". Mundart hätten die Auswärtigen, die man anlocken wollte, ja nicht verstanden. Und der Name blieb, auch wenn der Veilchenanbau wegen der arbeitsintensiven "Piddelsarbeit" in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nach und nach aufgegeben wurde.