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Er hatte nur Lieblingsrollen

Er hatte nur Lieblingsrollen

Willi Schneider verlässt den Rheinbacher Landsturm - aber er lässt sich ein Hintertürchen offen - Das Publikum wird seine tragende Gesangsstimme vermissen

Rheinbach. Ein Bild, wie es seine Klienten und Freunde seit Jahrzehnten kennen: Willi Schneider sitzt hinter seinem großen Schreibtisch, kramt zwischen Steuererklärungen, Testament und Tagespost auf der Suche nach einem Umschlag mit alten Fotos - und lacht sich eins, dass der ganze Mann wackelt.

"Joh, wo öss dat dann?! Jrad hatt ich et doch noch! Dat jitt et doch nett, dat mät mich ävve jetz beklopp!", kommt es ihm zwischendurch über die Lippen. Was er zeigen wollte: Fotos des "ganz alten Landsturms". Denn zu dieser Truppe gehört der selbstständige Steuerberater als Gründungsmitglied seit den Anfängen "vor mindestens 40 Jahren" oder so, niemand weiß das mehr genau.

Jetzt soll damit Schluss sein, Willi Schneider nimmt seinen Abschied als Bühnenaktiver von der Truppe, aus gesundheitlichen ebenso wie aus Altersgründen. "Wir waren uns immer einig, dass jeder mit 80 Jahren aufhört", sagt Schneider, der diese Landsturm-Altersgrenze jetzt erreicht hat.

Vorbei die Zeiten, als seine mächtige Stimme "Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett" oder "Kein Schwein ruft mich an" erklang. Die Lagerlieder, die Schneider im neuen Programm rund um das Thema "Cämping" als Indianer und Pfadfinder singen wird wie "Hell zu den Hügeln empor" und ein "Abschiedslied, bei dem der ein oder andere rührselig wird", sollen das Ende seiner aktiven Landsturm-Laufbahn markieren.

Zweifel sind angebracht, nicht nur, weil es auch für die Landsturm-Pensionäre Schneider und Franz Mostert, der im vergangenen Jahr aufhörte, schöne Rollen gäbe. Man stelle sich zum Beispiel die beiden vor, wenn sie wie Stadler und Waldorf, die zwei Alten in der "Muppets-Show", von der Loge aus jeden Auftritt mit knackigen Sprüchen kommentieren und zerreißen.

Vor allem aber hat Schneider seine ganz eigene Definition für den Begriff "Aufhören". Denn eigentlich hat er auch als Steuerberater mit zeitweise 14 Angestellten aufgehört damals mit 65 Jahren - eigentlich. Die Entscheidung wollten aber einige Klienten nicht so ganz akzeptieren, schiebt er vor. Denn kaum ein Jahr, nachdem er seinen ganzen Betrieb verkauft hatte, hatte er wieder 150 Klienten.

Und gesteht: "Ich kann doch nicht den ganzen Tag nur zuhause sein, was sollte ich denn da machen?" Denn was sonstige Hobbys anbelangt, zeigt er sich "überfragt". Die Fotos des ganz alten Landsturms fördert auch die gemeinschaftliche Suche im gesamten Haus nicht zutage.

Dafür aber trifft man bei dem Rundgang auf ganz andere Schätze in seinem legendären Kellerraum, in dem über Jahrzehnte die Texte, Lieder und Rollenverteilungen des Landsturms ausgeheckt wurden: Eine ganze Wand mit Zeichnungen von Hans "Posch" Klinz, vom Selbstporträt des verstorbenen Rheinbacher Künstlers über den "gesamten Landsturm" von "Fränzchen" Mostert bis zu Hermann Hausmann und "Schmitze Bernd" bis zum ehemaligen Stadtdirektor Heinrich Kalenberg und Heinz Büttgenbach.

Und mittendrin, fein eingerahmt hinter Glas, das Aufnahmeprotokoll der Ambulanz eines Kölner Hospitals, beredtes Zeugnis einer dieser alljährlichen mehrtägigen Aufenthalte in einem Kölner Hotel, wo die Landsturm-Aktivisten in Klausur an ihren Programmen feilen.

Für Schneider haben sich die Programme des Landsturms seit den Anfängen vor geladenen Gästen im Rheinbacher Rathaus und später vor größerem Publikum in der Stadthalle über die Jahrzehnte positiv gewandelt: "Früher machten sich einige Landstürmer eine Freude daraus, die Leute aufs Korn zu nehmen und bis zur Bewusstlosigkeit zu quälen. Das ist heute nicht mehr so boshaft, heute kann jeder auch über sich selbst lachen, wenn er drin vorkommt."

Für ihn selbst gab es in diesen Jahrzehnten "nur Lieblingsrollen", Hauptsache, er konnte seine tragende Gesangsstimme richtig zur Geltung bringen. Und vielleicht ist sein Abschiedslied ja auch von Trude Herr: "Niemals geht man so ganz".

Die Sitzungen des Landsturms am 9., 10. und 11. Februar in der Rheinbacher Stadthalle sind ausverkauft.