1. Narren-News
  2. Sieg&Rhein

Mariechen Fritz zeigt reichlich nacktes Bein

Mariechen Fritz zeigt reichlich nacktes Bein

Der Autor Karlheinz Ossendorf beschreibt die närrische Tradition an Rhein und Sieg im Wandel der Zeit - Die neue Broschüre der Sparkassenstiftung liegt ab heute in allen Geschäftsstellen aus

Rhein-Sieg-Kreis. "Karneval ist weit mehr als nur das bunte Treiben auf den Straßen", sagt der Mendener Autor Karlheinz Ossendorf in ernstem Tonfall. Karneval, das bedeute auch Vereine und Verbände, Mariechen und Prinzen, Orden und Ehrungen.

Nach rund zweijährigem Stöbern in sämtlichen Archiven des Rhein-Sieg-Kreises hat Ossendorf jetzt den zweiten Band der Broschüre "Mit I-aah und dreimal Alaaf. Närrisches Brauchtum an Rhein und Sieg im Wandel der Zeit" fertig gestellt, die bei allen Geschäftsstellen der Kreissparkasse kostenlos ausliegt.

Nachdem Ossendorf im ersten Band die Entwicklung des Karnevals an Rhein und Sieg beschrieben hat, setzt er nun einige thematische Schwerpunkt. "Es geht vor allem um die Rolle der Frau, quasi um die Emanzipation des Fastelovend", scherzt der Autor. Nur ein Jahr nach den "Roten Funken" in Köln habe sich 1824 in Beuel das erste Damenkomitee in der Region gegründet. "Sie waren es einfach leid", begründet der Autor diese Protestaktion kurz und knapp.

Dennoch taten sich die Frauen im 19. und im ersten Drittel des 20.Jahrhunderts schwer, im rheinischen Karneval Fuß zu fassen. Sogar die Rolle des Tanzmariechens war bis zum Zweiten Weltkrieg fast nur den Männern vorbehalten. So traute sich Mariechen Fritz Eisenmenger schon 1929, im Jahr des ersten Troisdorfer Rosenmontagszuges, reichlich nacktes Bein zu zeigen.

Die Nazis haben Auftritte von Männern in Frauenkleidung verboten. Nach dem Krieg begann der "Siegeszug" des weiblichen Mariechens. So akzeptierten die Rheinbacher Stadtsoldaten 1950 Maria Zielony als erste Frau in ihren Reihen und kürten sie zum Mariechen. Nur zum Spaß schlüpften später noch mal Männer ins Kostüm der tanzenden Marie.

Das soziale Engagement vieler Närrinnen und Narren beschreibt Ossendorf im Kapitel "Helfen gehört zum Gesellschaftsprogramm". Seit über 150 Jahren gebe es im gesamten Kreisgebiet Kooperationen zwischen Karnevalsvereinen und Hilfsorganisationen.

Besonders hervorgetan hätten sich dabei die blau-weißen Funken aus Siegburg, die im Laufe der Jahre mehrere 10 000 Euro gespendet hätten, nennt er einige Beispiele. Erwähnenswert sei zudem die Leistung des Wilberhofeners Günter Bollig, der seit über 30 Jahren beim Dattenfelder Umzug Muutzen zugunsten leprakranker Menschen verkaufe.

Ebenso habe das Dreigestirn der Bad Honnefer KG "Halt Pol" im Jubiläumsjahr alle Geschenke in Spendengelder umgewandelt. Die rasante Entwicklung des Karnevalsordens vom kleinen Stern von einst bis zum begehrten Sammlerobjekt von heute skizziert Ossendorf ebenso wie die Geschichte der wiederentdeckten Bräuche. Dazu gehörten etwa Fischessen und Portmonnaiewaschen, erzählt der Autor weiter. "Wat wor et schön, hoffentlich kütt et bald widder", habe man sich dabei wohl gedacht.

Am Ende bleibe aber nicht nur die Frage nach dem Ursprung des Krawattenschnibbelns unbeantwortet, resümiert der Autor. Das Thema Karneval sei einfach zu facettenreich, als dass er alles erfassen könne, was unter diesen Begriff falle.