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Vor den braunen Augen kniet der Bürgermeister

Vor den braunen Augen kniet der Bürgermeister

Ein Tag im Leben der Siebengebirgstollitäten Dieter I. und Marion I. - Im Autoradio läuft "Enmol Prinz ze sinn" - Fitte Narrenherrscher absolvieren 140 Auftritte in dieser Session

Siebengebirge. Die großen Taschen seiner Uniform sind ausgebeult; es klimpert verdächtig. Klaus-Dieter Kleyer hat Orden "geladen". Es ist ein Uhr mittags, und der "lange Kerl" steht mit Heinz Inger vor dem "XXL" in Bad Honnef. In Dortmund heizt derweil Werder-Trainer Thomas Schaaf seiner Elf ordentlich ein. Verdammt und zugenäht, nach drei Jahren müssen seine Jungs die Borussen doch dort endlich mal wieder in die Knie zwingen.

Gemach, gemach: Die Bremer können auf hoheitlichen Beistand zählen. Die Dritten der Fußballbundesliga haben einen ihrer größten Fans im Siebengebirge. Vor kurzem hat er ihnen eine Karte mit eigenem Foto geschickt - darauf Siebengebirgsprinz Dieter I. mit seiner Marion I. in vollem Ornat. Schaaf setzt auf die Viererkette; Dieter I. im gewissen Sinne auch.

Als der Prinz aus seiner Hofburg, dem "XXL", tritt, sind seine Prinzenführer Kleyer und Inger bei ihm, Hermann Schulz, der "auf dem Bock" der Prinzenkutsche sitzt, und Heinz Arenz, der Präsident der KG Löstige Geselle. Macht vier. Prinzessin Marion I. hat ihre drei Vertrauten um sich geschart.

Tochter Nadine Barczewski, praktischerweise Chauffeurs-Gattin Marie-Luise Schulz und Susanne Steinke-Duda. Rein ins Auto. "Jetzt geht's los", klingt es von der CD. Prinz Dieter schaut durch die Heckscheibe.

"Du darfst den Bus nicht verlieren. Der Fahrer weiß nicht, wo Hohenhonnef ist", ruft er Richtung Lenkrad und Schulz. Hohenhonnef ist nach einem kleinen Vormittagsauftritt am Montag die erste Station. Im Gang vor dem Saal knubbelt es sich - der gesamte Tross hat sich versammelt: das Tambourcorps des TV Eiche, das Kinder- und das Jugendtanzcorps.

Die Prinzenbegleitung schleppt Tüten mit Kamelle. 14 Uhr. "Elferrat aufstellen", befiehlt Heinz Arenz. Das Jeschmölz hält Einzug mit Musik. Strahlende Augen. Die Corpsmädels tanzen zu "Jetzt geht's los". Alles klappt wie am Schnürchen. 14.40 Uhr. Die Karnevalisten verabschieden sich mit Alaaf.

Die Damen legen der Prinzessin schnell das Cape über das prächtige Kostüm, damit sie's warm hat. Erkältungsviren lauern in Bataillonsstärke bei diesem Stress und den Hitze-Kälte-Wechselbädern rein in den Saal, raus aus dem Saal, rein in den Wagen, raus aus dem Wagen.

Einige Pfunde haben die Tollitäten seit Beginn ihrer Regentschaft denn auch bereits verloren. Gemessen an Sympathie indes sind sie Schwergewichte: Wo bei der Kür des Paares Prinz und Prinzessin draufstand, da ist eben auch hundertprozentig Prinz und Prinzessin drin.

Auch wenn Dieter I. ein Nordlicht ist, besteht er mit seinem feinen Humor im rheinischen Karneval wie ein Eingeborener. Nur mit der Sprache hapert's. Kein Problem auf der Bühne. Die Jecken akzeptieren das Hochdeutsche mit dem spitzen Stein.

Hermann Schulz legt die Scheibe auf, in der es um den Wunsch geht, einmal im Leben Prinz zu sein. Besser: einmal Prinzessin. Das trifft das Krönchen in der Spitze. Marion I. aus karnevalistisch vorbelasteter Familie erhoffte sich nichts sehnlicher.

Und ihr Dieter, im bürgerlichen Leben im Personalbereich der Post AG beschäftigt, machte da gerne mit. Privat ist er mittlerweile auch ihr Prinz; mitten in der Session gaben sie sich das Ja-Wort. "Du bist mie Häätz", singt sie aus voller Brust. Wen sie meint, ganz klar.

15 Uhr: Das Prinzengefährt biegt auf die Auffahrt zur B 42. Richtung Königswinter. "Die schaffen das am Montag. 1:0 für Werder Bremen", tippt der Prinz. "Seine" Fußballer laufen sich gerade warm; das Prinzenpaar ist längst in Hochform. Die Majestäten tanzen gern, wandern, schwimmen, sind fit.

Das sollte auch so sein bei 140 Auftritten im Terminkalender. Einmarsch um 15.30 Uhr bei der Sitzung für Senioren aus Ober- und Niederdollendorf sowie Römlinghoven und Anpfiff in Dortmund. Beim Ordensverleih geht Bürgermeister Peter Wirtz vor der Prinzessin mit den braunen Augen auf die Knie.

Weiche Knie bekommt zwei Halbzeiten später die Präsidentin von den Jecken Wievern der kfd, Elisabeth Ruppert, im Honnefer Kurhaus. "Her das Bein", spricht sie kess zu ihrem Herrscher, geht in die Hocke und legt dem Prinzen mit den schönen Beinen den Hosenbandorden an.

"Jetzt geht's los" klingt's vom Autoradio. Es ist 17.25 Uhr. Abfahrt nach Bruchhausen. Die Honnefer sind die letzte Nummer der Damensitzung der "Sprühenden Funken" und die reinsten Flammenwerfer.

Am liebsten hätte das Weibervolk die Truppe angekettet. Das Tambourcorps mit seinem singenden Stabführer Jürgen Wessel, dazu die Tänzerinnen und das staatse Prinzenpaar - das ist eben eine richtige eigene Nummer. Marion I. spielt dabei sogar ein Stück auf der Lyra. Das kann sie. Das nächste Ziel.

Bei den "Leddeköpp" hat Marion I. dann ihr Heimspiel und wird mit dem Schlachtruf "Quietsch fidel" gefeiert. Als vor dem Ausmarsch die Rakete gezündet wird, ist es 21.05 Uhr. Weiter: Thomasberg, eine Jugendsitzung auf der Strüch. Selbst den Nachwuchs locken die Honnefer aus der Reserve.

"Ihr wartet bestimmt schon auf den Anblick meiner Beine", ruft Dieter I. den Jecken von der KG Unkel zu, die sich über das flotte Narrenschiff aus Honnef freuen, das um 22.22 Uhr vor Anker geht. Danach Abfahrt nach Lülsdorf. 0.10 Uhr: Heinz Arenz pfeift. "Fertigwerden." Die letzte Nummer.

Die Lülsdorfer erleben das Leckerste, was das Siebengebirge derzeit hat. Kurz nach halb eins Auszug. Eine Stunde später sind die Tollitäten endlich in der Hofburg: Reifrock, Handschuhe, weiße Strumpfhose waschen und auf die Leine. Wetten, in ein paar Stunden zeigt der Prinz wieder Beine.