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"Endlich mal 'ne Frau, die sich das traut"

"Endlich mal 'ne Frau, die sich das traut"

Mit Steffi I. Koll aus Ahrweiler führt eine Frau das närrische Regiment, die mit öffentlichen Auftritten bereits eine große Erfahrung besitzt - Der 81-jährige Hans Gies erinnert sich an seine Prinzenzeit

Bad Neuenahr-Ahrweiler. "Ejmol Prinz zu sinn." Dieses Lied muss die 30-jährige Stefanie Koll, zurzeit Prinzessin Steffi I. aus Ahrweiler, aus dem Karnevalsschlager-Repertoire leider streichen, davon kann sie weder träumen noch singen.

Aufs Singen und "im Hetze Sunnesching" muss "dat Mädche uss de Plätzejass" allerdings nicht verzichten, denn noch in der Vornacht ihrer Proklamation vergangene Woche, schrieb Achim Adomeit von den "Peanuts" ihr das Lied "Prinzessin Steffi, die ist da" auf den Leib.

Wenn sie auch keinen Prinzen an ihrer Seite braucht, einer, auf den sie sich hundertprozentig verlassen kann, ist mehr als erduldet: ihr Adjutant Guido Palm.

Schon die stimmungsvolle Proklamation mit frenetischem Jubel der Ahrweiler Bevölkerung läßt erahnen, dass die erste närrische Regentin der Rotweinmetropole das Zepter ausgelassen schwingen wird.

Noch heute steht die Hauptschullehrerin unter dem Eindruck der Ereignisse, die die Wochen vor ihrer Proklamation und den Abend im Bürger-Centrum so aufregend und einzigartig machten. Ziemlich gelangweilt und extrem cool, so werden ihre Freundinnen später berichten, kam sie in den Saal.

"Zwei Wochen zuvor war mein Name erstmals in der Stadt gefallen", berichtet Steffi im GA-Gespräch. Da galt es, das Geheimnis zu hüten, sich nicht zu verraten. Auch Papa Heinz wusste noch 48 Stunden zuvor beim Schützen-Abend Mutmaßungen einen Riegel vorzuschieben: "Irjend sunne Dötsch wierd at uss demm Sack kumme."

Geboren wurde die Idee übrigens beim Hutenfest der Ahrhut im Backes. Steffi Koll zu Kurt Pantenburg: "Sollte es das in Ahrweiler jemals geben, dass eine Frau das Zepter in der Hand hält, alleine, ohne Prinz, dann möchte ich die Erste sein."

Als Pantenburg und Manfred Friedrich im Herbst 2002 auf sie zukamen, da musste sie nicht mehr drüber schlafen, da stand der Entschluss fest. Ihr Vater fand's gut, ihre Mutter sagte "Du hast was am Helm, ich fahre in der Zeit in Urlaub."

Bei genauer Betrachtung passte es bei den Kolls dann schon: Am Freitag nach Weiberdonnerstag 2004 sind Marianne und Heinz 44 Jahre verheiratet, und immerhin ist Steffi an einem 11., wenn auch im April, geboren.

Am Proklamationsabend galt es zunächst, eine Programmhälfte ohne ständige Blicke auf die Uhr oder zur Tür hinter sich zu bringen. "Es war wie verhext. Als ich mich zurückziehen wollte, schlug Beate Körtgen vor, nächstes Jahr ein Mädel-Dreigestirn ins Leben zu rufen, und Manuela Schumacher wollte unbedingt mit für kleine Mädchen", lacht die ehemalige Burgundia.

Um unerkannt ins Kolping-Zimmer zu gelangen, wo Kleid und Käppi warteten, und um etwaige Verfolger abzuschütteln, lief sie noch einmal um die Sankt Laurentiuskirche. "Das Herz schlug mir bis zum Hals." In den Sack rein, Kleid runter, Klappe halten: Eindeutige Weisungen des Adju, der nicht nur seiner abgebrochenen Feder Halt geben musste, sondern auch seiner Prinzessin.

"Es war stockdunkel, er schob mich in den Saal, ich wußte nicht, wo rechts und links ist. Als ich an dem Tisch meiner Burgundis vorbei kam, hörte ich wie eine "Steffi, Du Verräter" raunzte." Für ein Zurück war's zu spät, "es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis ich endlich auf der Bühne stand".

Standing Ovations, Jubel, Freundinnen, die sich Gott-weiß-woher Rasseln besorgt hatten und auf den Tischen tanzten und eine glückliche Mutter Marianne. Papa Heinz musste sich erstmal eine anstecken, obwohl er mit dem Rauchen aufgehört hatte.

Sie alle tragen zu einem Gesamtbild bei, das sie noch lange vor Augen haben wird: "Ich fühlte mich wie auf Händen getragen und wußte in diesem Moment, dass ich mich auf die Ahrweiler Leut' verlassen kann." Marlene Seeliger überreichte eine Fassprobe aus dem Ahrweiler Winzerverein mit Steffis Konterfei als Etikett.

Willem Söller, Prinz von 1993, gratulierte mit den Worten "Du bist 'ne Marke, Du Teufelsweib", und ihr Lehrherr Peter Palm, bei dem sie den Schreiner-Beruf erlernt hat, spendete spontan "für meinen letzten Stift als nachträgliche Vergütung" 111,11 Euro.

"Endlich mal 'ne Frau, die sich das traut", waren die Kommentare von allen Seiten. Steffi Koll glaubt, dass ihr in diesem bewegenden Moment ihre Zeit als Burgundia, als Gebietsweinkönigin und als Deutsche Weinprinzessin geholfen hat, so dass sie aufnahmefähig war und die Eindrücke gut wahrgenommen hat.

Einer, der das Bild von einem beeindruckenden Rosenmontagszug auch fünf Jahrzehnte später noch lebhaft vor Augen hat, ist Hans Gies. Der 81-Jährige war 1953 Prinz der Ahrweiler Karnevalsgesellschaft. Und er war es mit Leidenschaft. Noch heute ist er Jeck aus Überzeugung und fehlte auch bei Steffis Proklamation nicht.

Trocken, auf seine ihm eigene Art, erinnert er sich: "Da kohm de Steinkämper un säht Mir hann noch keene, de Jiese Häns wör de richtije Mann dofür." Gesagt, getan, nach kurzer Rücksprache mit seinen Eltern stieg er ins rot-weiße Ornat und fühlte sich, als "wenn's mir auf den Leib geschrieben wäre".

Der Saal des Ahrweiler Winzervereins war zum Bersten voll, die Menschen freuten sich, wieder Karneval feiern zu können. "Es war schön, ich hab's nie bereut, und ich bin heute noch jeck", sagt Gies. Alle vier Stadttore zierten vor 50 Jahren seinen Orden.

Der Karnevals-Bazillus bleibt: Hans Gies ist seit 1989 Ehrenvorsitzender der AKG, war 1990 Literat der Hutsitzung. 1987 zeichnete ihn der Regionalverband Karnevalistischer Korporationen mit dem Abzeichen in Gold aus.