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Bonn: Die Erfolgsgeschichte hinter Querbeat

Porträt über die Bonner Musikcombo : Die Erfolgsgeschichte hinter Querbeat

Vor 20 Jahren als Schülerband gestartet, heute auf den großen Bühnen: Die Bonner Musikcombo Querbeat feiert ihr Jubiläum mit neuen Sounds und neuem Album. Ein Gespräch über unerwarteten Erfolg und Zukunfswünsche.

Vom Tellerwäscher zum Millionär? Ganz so golden wie in dieser urbanen Legende ist die Geschichte der 13 Musiker von Querbeat nicht verlaufen. Zumindest noch nicht. Doch auch so ist die Entwicklung der Jungs und des einen Mädels aus Bonn bemerkenswert. Von der Schulband hin zu einer Formation, die sich fast die Bühne mit den Red Hot Chili Peppers geteilt hätte – das muss man den Gute-Laune-Bläsern erst einmal nachmachen. Und der Weg scheint weiter nach oben zu führen. 20 Jahre nach ihrer Gründung am Kardinal-Frings-Gymnasium und fast 18 Monate nach dem Beginn der Corona-Zwangspause zeigen sich Querbeat nun so stark wie nie. Mit einem neuen Album, das sofort auf Platz 2 der deutschen Albumcharts schoss, und frischen Sounds will die Band wieder durchstarten, und angesichts ihrer Spielfreude und ihrer Energie dürfte es niemanden überraschen, dass dies schon mit den ersten Auftritten gelingt. Mit dem GA sprachen die beiden Brüder Jojo und Andy Berger sowie Posaunist Sebastian Schneiders nur wenige Tage nach ihrem Konzert in Bonn über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Eigentlich hätte in diesem Jahr ein Traum wahr werden können: Querbeat waren für das legendäre Pinkpop-Festival gebucht und hätten unmittelbar vor Ellie Goulding und den besagten Red Hot Chili Peppers gespielt. Dem hat Corona zwar – mal wieder – einen Strich durch die Rechnung gemacht, doch allein die Einladung zeigt, wie weit es die Bonner geschafft haben. „Mitunter ist das immer noch surreal“, gesteht Frontmann Jojo Berger. „Es ist schon geil, wenn der Bandname beim Line-Up immer weiter nach oben wandert, aber wir hatten nie so richtig geplant, dass wir irgendwann die großen Festivals spielen wollten. Unser Ziel war und ist eigentlich immer, Spaß zu haben und Musik zu machen, bei der wir uns wohlfühlen. Alles Weitere hat sich wie eine kleine Lawine entwickelt.“

„Wir sind einfach wie eine riesige Familie“

Klein ist gut. Spätestens nachdem Querbeat 2007 in den Kölner Karneval eingestiegen waren, ging es mit der Blechbläser-Truppe steil bergauf. Die Auftritte nahmen zu, die Bühnengrößen ebenso. Zehn Jahre später stand für die Band, die damals gerade ihr erstes Album mit eigenen Songs veröffentlicht hatte, die erste Deutschland-Tournee an. Sie wurde ein voller Erfolg, so wie alles, was das Ensemble anpackte. Abgehoben sind Querbeat dennoch nicht; zu stark ist „der Geist des schülerischen Schulterschlusses“, wie Andy Berger es grinsend nennt. „Wir sind einfach wie eine riesige Familie, mit der gleichen Vergangenheit, der gleichen Gegenwart und hoffentlich auch der gleichen Zukunft“, fügt Sebastian Schneiders hinzu.

Und die Zukunft, die ist zunächst einmal „Radikal Positiv“. So haben Querbeat ihr neues Album betitelt, das einen ganz eigenen Klang aufweist. Posaunen erinnern auf einmal an E-Gitarren, Saxofone an verzerrte Streicher, alles ungewohnt und doch irgendwie immer noch eindeutig Quer­beat. Jeden Ton hat die Band dreimal umgedreht, bevor sie ihn freigegeben hat, vielleicht auch, weil die intensive Arbeit an den Songs besser war als die deprimierende Alternative. „Wir haben schon vor Corona angefangen, das neue Album zu schreiben“, erklärt Andy Berger, „aber als der Lockdown kam, hat sich das Projekt als der rote Faden erwiesen, der uns durch die Pandemie geführt hat. Wir wollten uns eh richtig viel Zeit dafür nehmen und mit Sounds experimentieren, und auf einmal hatten wir mehr als genug.“

Querbeat bleibt trotz des Erfolgs im Rheinland verwurzelt

Auch das Selbstverständnis der Band hat sich geändert – zumindest nach außen hin. Haben Querbeat sich zunächst noch als Brasspop-Band bezeichnet, führen sie nun stolz das Label „Future-Brass-Punk“ ins Feld. Was auch immer das bedeuten mag. „Zuerst einmal soll die Bezeichnung natürlich eine ironische Antwort auf den Versuch sein, uns zu kategorisieren“, erklärt Jojo Berger, um den Begriff dann doch augenzwinkernd zu definieren. „Wir kennen keine Grenzen, sondern denken unsere Musik immer weiter – auch in die Zukunft hinein. An den Blechblasinstrumenten halten wir natürlich fest, und wer schon einmal auf einem unserer Konzerte war, der weiß, dass wir durchaus eine Punk-Attitüde pflegen. Insofern passt alles zusammen.“ Jetzt muss sich der Begriff nur noch durchsetzen. Doch das sollte kein Problem sein: „Wir haben schließlich auch den Wikipedia-Artikel zu Brasspop selbst geschrieben“, gesteht Berger lachend, „den zu Future-Brass-Punk kriegen wir auch hin.“

Auch wenn Querbeat inzwischen deutschlandweit bekannt sind, bleibt die Band doch weiterhin im Rheinland verwurzelt. Doch wo genau? Aufgewachsen in Bonn, seit Jahren fest in der Kölner Szene verankert: Wo haben Querbeat eigentlich Heimspiel? „In beiden Städten natürlich“, freut sich Jojo Berger. „Unsere Heimat ist in Bonn, unser Zuhause in Köln.“ Und vor allem für letzteres hat die Band immer wieder Lieder geschrieben. So auch mit „Neu-Köln“. „Der Song ist eine Hommage an viele geliebte Kneipen, die es während des Lockdowns auch extrem schwer hatten“, so Berger. „Wir haben das Lied noch vor dem offiziellen Release auf CD gebrannt und in den ganzen Lokalen verteilt. Für uns ist auch die Kneipenkultur etwas, was eine Stadt lebenswert macht. Wir lieben diesen urbanen Spirit.“ Auch dazu passen die Verzerrer, die auf „Radikal Positiv“ zum Einsatz kommen und den Instrumenten neue Klangwelten eröffnen.

 Mittendrin im Publikum beim Bonner Kulturgarten: Die Musiker drehen in ihrer Heimatstadt richtig auf.
Mittendrin im Publikum beim Bonner Kulturgarten: Die Musiker drehen in ihrer Heimatstadt richtig auf. Foto: Thomas Kölsch

Bei den Live-Konzerten wie eben jetzt im Kulturgarten bleiben die Effekte allerdings zu Hause. Zumindest noch. „Wir tüfteln gerade am Live-Sound“, sagt Berger. „Was im Studio gut abgemischt wird, kann bei einem Konzert schon wieder ganz anders wirken. Insofern können wir auch versprechen, dass jeder, der jetzt bei einem unserer Auftritte war, noch längst nicht alles gesehen und gehört hat, was wir zu bieten haben.“ Doch woher kommt diese Experimentierfreudigkeit? „Wir wollten irgendwie anders klingen“, so Berger. „Dabei spielt mit hinein, dass wir mit der Musik von The Prodigy und den Beatsteaks aufgewachsen sind, aber vor allem wollten wir sehen, was wir mit Trompeten, Posaunen und Saxofonen hinkriegen können. Einige von uns haben sich über Tage hinweg eingeschlossen und ausschließlich an Sounds gebastelt. Von dem Ergebnis sind wir alle total begeistert.“

Gleichzeitig sind Querbeat auf „Radikal Positiv“ so gesellschaftskritisch wie nie zuvor. So nimmt „Tanqueray“ die Entrückung der Menschen durch die sozialen Medien aufs Korn, während „Allein“ eine Abrechnung mit Verschwörungs­theoretikern ist. „Wir haben während des Lockdowns selbst gemerkt, wie schnell man in den digitalen Sumpf hineinrutscht und die Welt draußen vor den Fenstern nicht mehr wahrnimmt“, erklärt Andy Berger. Stattdessen begibt man sich in den Lieblingsspielplatz von Corona-Leugnern und Quer­denkern. „Genau, und denen wollen wir Paroli bieten“, fügt sein Bruder Jojo hinzu. „Wir propagieren ja auch, dass man nicht immer angepasst sein muss, dass man quer ist, aber das sollte grundsätzlich positiv konnotiert sein. Also haben wir uns entschlossen, das Q wieder zurückzuerobern. Und wenn mehrere Tausend Menschen mit uns den Refrain singen und ein bisschen über den Text nachdenken, haben wir schon was erreicht.“ Auch wenn sie einfach nur feiern? „Natürlich, auch dann. Man kann auch mit Haltung feiern.“

„Wir sind positiv, aber nicht naiv“

Dabei geht die Band auch mal auf Tuchfühlung mit dem Publikum, spielt inmitten der Menge – in Corona-Zeiten ein mutiger Schritt. „Wir sind positiv, aber nicht naiv“, betont Jojo Berger. „Uns ist natürlich klar, was auf dem Spiel steht und dass wir in der Pandemie Teil der Lösung sein sollten und nicht ein Problem. Wir sind nur eben der Meinung, dass wir nur zusammen durch die Krise kommen können, und insofern wollten wir ein Zeichen setzen und auch live Teil der Gemeinschaft sein, statt die Distanz der Bühne zu wahren. Ich glaube, das braucht das Publikum.“ Was die strahlenden Augen der Menge bei dem Konzert in Bonn bestätigen, als Querbeat zärtlich von den „Bunten Pyramiden“ singt. Ein bemerkenswerter Moment.

Im September wollen Querbeat endlich wieder auf Tour gehen. Ob das klappt, wird sich zeigen – ein aktueller Blick auf die erneut steigenden Infektionszahlen weckt durchaus Sorgen. „Auch was dieses Thema angeht sind wir radikal positiv“, betont Andy Berger. „Wenn wir es irgendwie möglich machen können, dann werden wir auch spielen, das ist unser erklärtes Ziel. Allerdings haben wir in den vergangenen anderthalb Jahren gelernt, dass man oft leider nicht bis morgen planen kann.“

Und welche Ziele hat die Band für die nächsten zehn Jahre? Einmal Headliner beim Pinkpop werden? „Oh, das wäre schon geil“, sagt Sebastian Schneiders. „Aber mal ehrlich, wir hatten noch nie konkrete Ziele. Wir lassen alles auf uns zukommen und hoffen, dass wir bis dahin eine gute Zeit haben werden.“ Mit viel Blech, guten Fans – und ein paar Flamingos. Die beiden aufblasbaren Figuren sind inzwischen immerhin so was wie die inoffiziellen Maskottchen der Band, und die werden doch sicherlich erhalten bleiben. Oder? „Natürlich“, sagt Andy Berger lachend. „Die Tiere sind uns inzwischen ziemlich ans Herz gewachsen. Wir hatten ursprünglich mal einen Riesen-Flamingo, der aber auf einem Festival elendig verreckt ist. Zum Glück vermehren die Vögel sich, sodass wir jetzt zwei haben, die sich mit Hilfe des Publikums ein Wettrennen liefern.“ Ein absurdes Bild, aber auch ein sehr unterhaltsames. Da nickt Jojo Berger nur und grinst. „Wir wollen uns einfach, bei allem was passiert, diesen Kindergeburtstagscharakter bewahren.“ Auch nach 20 Jahren.