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Festausschuss Bonner Karneval: Pferde bleiben Rosenmontag 2022 im Stall

Präsidentin des Festausschusses Bonner Karneval : Pferde bleiben ab Rosenmontag 2022 im Stall

Die Corona-Pandemie hat in diesem Jahr den Fastelovend in der Bundesstadt ebenso wie viele andere gesellschaftliche Bereiche fast zum Erliegen gebracht. Trotzdem ist Marlies Stockhorst, Präsidentin des Festausschusses Bonner Karneval, zuversichtlich, dass die kommende Session weitgehend normal ablaufen wird.

Die Hamburger Sturmflut (1962), das Grubenunglück Luisenthal (1962), der Bau der Berliner Mauer (1961) und der Golfkrieg (1991) – immer wieder haben schlimme Ereignisse den Karneval überschattet. Dem Festausschuss Bonner Karneval erschien es daher einige Male nicht angemessen, unbeschwert im öffentlichen Raum zu feiern. In diesem Jahr aber hat die Corona-Pandemie den Fastelovend in der Bundesstadt ebenso wie viele andere gesellschaftliche Bereiche fast zum Erliegen gebracht. Der Festausschuss Bonner Karneval ist als Dachverband von rund 100 Vereinen dennoch bemüht, Tradition und Tollitäten im Bewusstsein der Bonner wach zu halten – auf Abstand, unter Berücksichtigung aller Auflagen. Kein einfacher Job, wenn man bedenkt, dass den Karnevalsfunktionären eigentlich eher zum Feiern zumute wäre. Warum? Der Festausschuss ist 70 Jahre alt geworden. Über den Spagat zwischen Zurückhaltung und Brauchtumspflege spricht Festausschusspräsidentin Marlies Stockhorst mit GA-Redakteur Holger Willcke.

Die Session 2021 ist abgehakt. Keine Prinzenproklamation, kein Rosenmontagszug – was bleibt für Sie als Bilanz in Erinnerung?

Marlies Stockhorst: Statt Frohsinn und ausgelassenem Miteinander standen Besonnenheit und Verantwortungsbewusstsein im Mittelpunkt unseres Handels. Frei nach dem Motto „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ waren wir auf alles gut vorbereitet. Will heißen: Wenn die Pandemie kleine Veranstaltungen zugelassen hätte, wären wir als
Dachverband einsatzbereit gewesen und hätten auch Vereine mit verschiedenen Formaten unterstützen können. Dazu gehörten auch digitale Formate. Wir konnten unseren designierten Prinz Marco I. und unsere designierte Bonna Nadine I. zu verschiedenen Anlässen und an unterschiedlichen Orten digital präsentieren.

Wie hat sich das Prinzenpaar unter diesen schwierigen Bedingungen geschlagen?

Stockhorst: Bravourös. Sie haben ihre Rolle angenommen und Zuversicht ausgestrahlt. Ihr Lächeln spiegelte Hoffnung auf bessere Zeiten wider. Ihre virtuellen Botschaften sind bei den Karnevalsfreundinnen und -freunden gut angekommen. Wir haben sehr viel positives Feedback bekommen. Vor allem über die Zugriffszahlen auf unsere Youtube-Angebote haben wir uns sehr gefreut.

Gab es überhaupt irgendeinen Live-Auftritt von Prinz und Bonna?

Stockhorst: Es gab tatsächlich mehrere. Marco I. und Nadine I. sind bei den Carnevalskonzerten in Dottendorf live aufgetreten. Natürlich unter strengen Hygiene- und Abstandsregeln. Die beiden Tollitäten sind in zwei Autos nach Dottendorf zum Konzert gebracht worden und haben sich jeden Tag Schnelltests unterzogen.

Manche Karnevalsvereine in Bonn hätten sich mehr Präsenz des Prinzenpaares gewünscht. Was sagen Sie dazu?

Stockhorst: Ich glaube alle, die den Karneval lieben, haben besonders die persönlichen Begegnungen vermisst. Leider waren die in der vergangenen Session nicht möglich. Umso wichtiger war es für uns, trotzdem in der Stadtgesellschaft präsent zu sein. Das Prinzenpaar hat unter anderem unsere Alaaf Beutel an Seniorenheime und Kitas übergeben können. Auch in der Nachbetrachtung bleibe ich dabei: Unsere Entscheidungen, öffentliche Auftritte abzusagen, war schmerzhaft, aber richtig.

Mit wem haben Sie sich vor wichtigen Entscheidungen ausgetauscht?

Stockhorst: Mit meinen Vorstandskollegen, dem Präsidium, mit den Festausschussvorsitzenden der anderen rheinischen Hochburgen, der Staatskanzlei NRW und der Stadtspitze. Wir haben uns dann für das Format einer langen Vorsession entschieden. Marco Wiese und Nadine Klein werden jetzt am 7. Januar 2022 im Hotel Maritim proklamiert.

Sie sind also zuversichtlich, dass die Session 2022 stattfinden wird?

Stockhorst: Aktuell ja, weil sich die Inzidenzwerte positiv entwickeln und die Impfkampagne gut läuft und als Jecke sind wir natürlich Optimisten. Wir bereiten uns jedenfalls wie immer auf alle Sessionshöhepunkte vor. Der Kamelle-Kalender mit allen Terminen ist in Vorbereitung, der neue Prinzenorden ebenfalls und das Programm für die Prinzenproklamation ist vertraglich abgeschlossen. Die Ornate für Prinz und Bonna werden zurzeit genäht.

Sollte es dennoch Kontaktbeschränkungen für die Session 2022 geben, haben Sie einen Plan B?

Stockhorst: Ja, wir haben bereits im letzten Jahr Hygienekonzepte entwickelt und passen diese kontinuierlich an. Wir wissen heute noch nicht, ob wir die Proklamation vor vollem Haus durchführen können. Aber die Anzahl der Geimpften wird bis Anfang 2022 sicherlich stark zugenommen haben. Deshalb bin ich zuversichtlich. Jedenfalls wird auch die Vorbereitung auf die neue Session ganz nach dem Motto „Jeck jeht net weg“ eine Herausforderung für alle organisierten Karnevalisten werden. Wir nehmen die Herausforderung an und beabsichtigen, zu Beginn des Herbstes die Einladungen zur Proklamation zu versenden.

Das neue Sessionsmotto ist speziell. Warum hat sich der Festausschuss für diesen Vorschlag entschieden?

Stockhorst: Das Motto ist immer sehr speziell, da es einzigartig ist. Es gab 73 Vorschläge. Mit dem Präsidium haben wir uns mit großer Mehrheit für dieses Motto entschieden. Es macht deutlich, wie tief der Karneval in der Bevölkerung verankert ist. Es spricht vielen Menschen aus dem Herzen, weil es einen situativen Tiefgang symbolisiert.

Ab dem Rosenmontagszug 2022 wird es laut Beschluss des Festausschusspräsidiums keine Pferde mehr im Zug geben. Warum?

Stockhorst: Gründe für diese Entscheidung sind die Sicherheit der Teilnehmer und Zuschauer und das Wohl der Tiere. Auch wenn in den vergangenen Jahren sämtliche Richtlinien in Zusammenarbeit mit den städtischen Behörden eingehalten und kontrolliert wurden, steigen auch hier die Anforderungen an Teilnehmer und Veranstalter. Unter Abwägung aller Gesichtspunkte kann die Verantwortung für die Erfüllung dieser Anforderungen von einem ehrenamtlichen Vorstand bei einer solchen Großveranstaltung im Blick auf den Einsatz von Pferden nicht mehr übernommen werden.

Wie ist das Geschäftsjahr 2020 finanziell für den Festausschuss gelaufen?

Stockhorst: Das Haushaltsjahr haben wir noch nicht abgeschlossen. Allerdings ist unser größter Kostenfaktor, der Rosenmontagszug, ausgefallen. Deshalb wird es uns nicht so hart getroffen haben, wie vielleicht einige Karnevalsgesellschaften. Zahlreiche Mitgliedsvereine haben beim Land NRW Anträge auf wirtschaftliche Unterstützung gestellt. Das Land steht in der Pflicht, den Vereinen weiterhin finanziell zu helfen. Die Zukunft unseres jahrhundertealten Brauchs darf keinesfalls gefährdet werden.

Und nun zu Ihnen: 2022 endet ihre zweite Amtszeit. Benötigt der Festausschuss eine neue Führungskraft oder machen Sie weiter?

Stockhorst: Da habe ich mir bislang noch keine Gedanken darüber gemacht. Gewählt wird erst im Sommer 2022. Es gibt bis dahin noch sehr viel zu tun.

Was zum Beispiel?

Stockhorst: Wir arbeiten derzeit gemeinsam mit den Festausschüssen in den rheinischen Städten Aachen, Düsseldorf und Köln an dem Antrag zur Aufnahme des Brauchs Karneval auf die Internationale Unesco-Liste für Immaterielles Kulturerbe. Seit 2014 ist der rheinische Karneval Bestandteil des NRW-Kulturerbes, seit 2014 des nationalen Kulturerbes der Bundesrepublik Deutschland. Der letzte große internationale Schritt fehlt also noch. Wir bereiten auch das große Jubiläum im Jahr 2026 vor, 200 Jahre Bonner Karneval mit der Gründung der Bonner Carnevals-Gesellschaft im Jahre 1826, als Vorläufer des Festausschusses und 75 Jahre Festausschuss.