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Fastelovend hinter der Theke ist knallharte Arbeit

Fastelovend hinter der Theke ist knallharte Arbeit

530 durstige Jecken spornen die Bedienung bei der Prunksitzung der Blau-Wieße Essele in Menden zu Höchstleistungen an - Schnelle Bestellung dank "KISS" - Warnton meldet zu wenig Bier

Sankt Augustin. "Neun Kölsch, drei Pils, vier O-Saft, drei Wasser und einen Rotwein", ruft Hartmut den Jungs an der Theke durch den Lärm im Saal zu und zieht gehetzt an seiner Zigarette. Der Kellner nutzt die kurze Pause, in der die Thekenmannschaft in Windeseile seine Bestellung zusammenstellt. Zum Glück gibt es nur Flaschen - Zapfen oder Einschenken dauert zu lange. Der Durst der Jecken ist groß.

Falk und Christoph verstauen die Erfrischungsgetränke in einem Bierkasten und reichen sie Hartmut. Tabletts sind zu klein und zu glitschig. Eine volle Flasche Rotwein zersplittert auf dem harten Steinboden. "Verdammt", flucht Christoph und schreit: "Hol 'mal einer 'nen Besen". Die neue Flasche für den genervten Kellner Hartmut indes ist schnell entkorkt. Erst wenn die Bestellung vollständig ist, zieht er wieder ab zu seinen jecken Kunden.

Auf der Bühne müht sich Guido Cantz als erster Akt des närrischen Abends nur kurz. Der wasserstoffblonde Comedian hat die 530 kostümierten Besuchern der Prunksitzung der Karnevalsgesellschaft (KG) "Blau-Wieße Essele" schnell im Griff.

Die Entscheidung der Essele, den Kölner gleich zu Beginn als Eisbrecher auftreten zu lassen, erweist sich als Glücksgriff: Nach zehn Minuten tobt der Saal. Hartmut hat seine Bestellung an Tisch 15 abgeliefert und nimmt ununterbrochen neue auf. Christoph an der Theke hat die Panne mit dem Rotwein bereits vergessen: Neue Bierkästen aus dem Kühlwagen zu holen, ist jetzt wichtiger.

Seit rund 60 Jahren laden die Mendener Karnevalisten zur Prunksitzung am Wochenende Mitte Januar ein. Bereits am Freitag werden der Saal geschmückt, Tische und Stühle aufgestellt sowie Bier für den Samstagabend angeliefert. "Seit rund 15 Jahren sorge ich für die Bewirtschaftung", sagt Vereinsmitglied Norbert Kley.

Der Mendener kümmert sich auch noch um die Herren- und Damensitzung der KG. Das bedeutet: Bier, Wein, Sekt und Alkoholfreies ordern, die Kellnermannschaft zusammenstellen und für den Aufbau und Anschluss der Theke sorgen. Auf die Frage, wieviel Bier denn an so einem Abend getrunken wird, antwortet er souverän: "Jenooch".

Es ist 20.50 Uhr. Falk Rohsiepe kontrolliert hinter der Theke den aktuellen Getränkebestand. Bier läuft gut, auch Mengen an Wein und Cola sind unterwegs, Piccolos bestellt kaum jemand. Noch gibt es von allem reichlich. Falk ist promovierter Physiker und hat vor einigen Jahren ein spezielles Computerprogramm entwickelt: "KISS - Kellner Informations-System".

Ein Hauptcomputer (Server) kann mit beliebig vielen Nebenrechnern (Clients) vernetzt werden. "An den Clients buchen die Kellner mit einer Strichcode-Pistole ihre Bestellung, Artikel und Menge", erklärt er. "Sie bekommen einen Papierausdruck, mit dem sie zur Theke gehen. Dort erhalten sie dann die Ware."

Das Ganze vereinfacht die Arbeit immens: Das Thekenteam bearbeitet die Bestellung ruckzuck und kann nichts vergessen. Und: Keiner der acht Kellner kann die Jungs hinter der Theke mit falschen Mengen betuppen. Ein Drucker protokolliert jedes georderte Getränk. Falk hat sogar eine "Warnschwelle" eingebaut: Der Computer piept, wenn der Biervorrat zur Neige geht. Auf dem Server gibt es noch mehr interessante Statistiken: wieviel Kölsch ist bereits verkauft, wieviel Umsatz macht welcher Kellner, und wer liegt vorne.

Hildegard hat gegen 21.30 Uhr am meisten verkauft, ihr Balken auf dem Bildschirm blinkt rot. Hermann mit dem grünen Balken liegt knapp dahinter. Gerade macht Tanja eine Zigarettenpause und erblickt auf dem Computerbildschirm, dass sie bisher am wenigsten Umsatz gemacht hat. "Keine Panik, das hole ich noch auf", sagt sie mit einer gelassenen Handbewegung. Nervös ist sie schon. Die Kellner sind prozentual am Umsatz beteiligt - mehr Kölsch, mehr Kohle.

Aufregung gegen 22 Uhr: Jugendliche machen sich am Kühlwagen auf dem Schulhof zu schaffen. Nicht mit Christoph: Der passt auf, kennt die Masche vom letzten Jahr und läuft raus. Die Kids geben Fersengeld. "Die wollen Bier klauen. Vergangenes Jahr musste ich denen mal eine tuppen". Beim Nachschauen fehlen drei Flaschen.

Von all dem bekommen die Jecken im Saal nichts mit. "Botz un Bötzje" kalauern, die "Lyskircher Hellige Knächte un Mägde" aus Köln tanzen um die Wette, und um 22.22 Uhr bahnt sich das Troisdorfer Prinzenpaar samt Gefolge einen Weg durch das selig schwoofende Jeckenmeer. Ein Prinzenpaar aus Troisdorf in der Mendener Jeckenhochburg?

"Wir haben diese Session weder Prinz noch ein Dreigestirn", sagt Günter Boch, Vorsitzender der Essele. "Außerdem haben Dietmar I. und Mechthild I. versprochen, heute Abend in Blau-Weiß zu kommen." Die Farben de Essele ersetzen in diesem Jahr jenseits der Sieg das traditionelle Rot-Weiß. Den Narren im Saal war es egal. Sie jubeln den Regenten aus Troisdorf begeistert zu.

Dann gibt Bauchredner Fred van Halen mit seinem vorwitzigen Freund Agi richtig Gas. Zwei weitere Nummern noch, dann ist Schluss. Nicht für die Bedienung. Kellner und Theken-Team müssen nochmal richtig 'ran: Tische abdecken, Leergut einsammeln und tausend Gläser spülen.

Während die Jecken nach einer feucht-fröhlichen Prunksitzung heiter und beschwingt nach Hause schunkeln, wird in der Aula Menden noch bis drei Uhr malocht. Am Ende ist alles zusammengeräumt, sauber gemacht wird am nächsten Morgen. Erschöpft, aber gut gelaunt gönnt sich das Team noch ein Feierabendbierchen - selbst eingeschenkt, versteht sich.