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Die Sucht währt schon sechs Generationen

Die Sucht währt schon sechs Generationen

Karl Rosenbaum sammelt närrische Orden - wie zuvor schon Vater, Großvater und Urgroßvater - Jecke Auszeichnungen aus 153 Jahren sind in Spich zu bewundern

Troisdorf. Kann Karneval eine Sucht sein? Ist die Knatschverdötschtheit erblich? Sie ist es. Bestes Beispiel dafür ist Karl Rosenbaum. Der 75 Jahre alte Spicher führt eine Tradition fort, mit der sein Urgroßvater Andreas Rosenbaum im Jahr 1849 begonnen hat: Er sammelt Karnevalsorden. 100 solcher jecken Auszeichnungen aus Messing sind bis Veilchendienstag in der Spicher Filiale der Kreissparkasse zu bewundern.

"Dem Verdienste seiner Krone", lautet die Inschrift des ersten Ordens, den der Kölner Buchdrucker Andreas Rosenbaum vor 153 Jahren um den Hals gehängt bekam. Seine Form ist herzförmig. Neben der Inschrift ist das Wappen der Stadt Köln zu erkennen. In den Vitrinen Rosenbaums sind 30 Orden aus den Jahren 1860 bis 1890 auf rotem Samt gebettet.

Glanzstück der Ausstellung ist eine Präsidentenkette, die aus dem Jahr 1869 stammt. Als besonderes Accessoire verfügt die prächtige Messingkette, einst getragen von Großvater Johann Josef Rosenbaum, über einen Korkenzieher an ihrer Unterseite. Elitär mutet manche Jecken-Auszeichnung aus dem 19. Jahrhundert an - manche zieren das Porträt des Karnevalspräsidenten. Der trägt auf dem Kopf keine Narrenkappe samt Fasanenfedern und dazu die Uniform seiner Karnevalsgesellschaft, sondern blickt streng an der Linse des Fotografen vorbei, die schwarze Fliege und den weißen Kragen fest gezurrt.

Als Zeugnisse rheinischen Frohsinns aus der Mitte des 19. Jahrhunderts sind nicht nur die bunten Orden erhalten, sondern auch Programm- und Liederhefte - manche mit verblüffender Aktualität. "Wenn man sich die Lieder durchliest, die mein Urgroßvater selber geschrieben hat, ist damals schon vom Kölschen Klüngel die Rede", sagte der engagierte Troisdorfer Karnevalist. "In einem Lied wird dem Kölner Oberbürgermeister von damals geraten, was er zu tun und zu lassen hat, um ein lieber Mann zu bleiben."

Die Programme der Zusammenkünfte der "Großen Kölner Karnevalsgesellschaft von 1823" zeigen, dass die Herren des Elferrates fürstlich zu speisen wussten. "Da gab es Salm als Vorspeise, "Reh à la jardiniere" zum Hauptgang und Schlebuscher Eis als Nachtisch." Wie die ebenfalls ausgestellten Hefte zeigen, wurde in der KG aber nicht nur zwischen dem Elften im Elften und Aschermittwoch gut getafelt, sondern auch in der Fastenzeit vor Ostern. "Lätareessen" nannte sich das Fest, welches die Mitte der Fastenzeit markierte.

Die jecke Dynastie setzte auch sein Vater Karl Johann Rosenbaum fort, der von der Domstadt nach Troisdorf übersiedelte und nach dem Ersten Weltkrieg die "Narrenzunft" mitgründete. Von ihm stammen die Orden der Troisdorfer Gesellschaften aus den 20er und 30er Jahre, ehe das Jeckentum verboten wurde.

Erst 1952 hatten die Narren wieder Freude an der Verleihung des Uniformschmucks. "Nach und nach wurden die Orden wieder anspruchsvoller, größer und bunter", so Rosenbaum. Der pensionierte Betriebsingenieur verdiente sie sich in der Bütt. "Die Leute kennen mich als "De Kanonier Pfürzli" oder "De Mann mem Höttche". Ich hatte viele Rollen." Da noch keine Frauen in der Bütt zugelassen waren, warf sich der jecke Spicher auch in Frauenkleider und startete als Schönheitskönigin oder Dienstmädchen seinen närrischen "Verzäll".

Die Zukunft der jecken Dynastie scheint indes gesichert. Sein Sohn Karl Rosenbaum III. stieg 1971 erstmals in eine Bütt und steuert als Mitglied des Ortsrings Spich reichlich Metall zur Sammlung bei. Der 75-Jährige ist sich sicher, dass die "Karnevals-Sucht" seiner Familie - "Nach Aschermittwoch bereiten wir uns schonend auf die neue Session und den Elften im Elften vor." - auch in der sechsten Generation weiterlebt. "Unter meinen Enkelsöhnen gibt es mindestens einen, der die Tradition fortführen könnte", ist sich Karl Rosenbaum sicher.