1. Incoming

Fragen und Antworten: Wie geht es jetzt weiter mit der EU?

Fragen und Antworten : Wie geht es jetzt weiter mit der EU?

Rückt Europa jetzt nach rechts? Am Tag nach den Europawahlen wird deutlich, welche Gewichte sich wirklich verschoben haben – und was das für die EU in den nächsten fünf Jahren bedeuten könnte.

Rechte und nationalistische Kräfte sind stärker geworden. Steht Europa nun ein Rechtsruck bevor?

Nein. Der befürchtete rechtspopulistische Erdrutsch ist ausgeblieben. In Frankreich hat Marine Le Pens Rassemblement National zwar die Regierungspartei von Präsident Emmanuel Macron auf Platz zwei verdrängt, aber dennoch an Zustimmung verloren. Die österreichische FPÖ muss massivere Rückschläge hinnehmen, allerdings nicht so stark, wie Beobachter nach dem Ibiza-Skandal vorhergesagt hatten. Die italienische Lega siegt wiederum mit rund 34 Prozent klar, ihr hatte man allerdings vorher bis zu 40 Prozent zugetraut. Und auch die deutsche AfD konnte nicht so zulegen wie zuvor angenommen.

Hinzu kommen aber doch noch die Nationalisten?

Das stimmt. Aber alle einfach zusammenzurechnen, verzerrt das Bild im künftigen EU-Parlament. Richtig ist: In Ungarn hat die rechtsnationale Regierungspartei Fidesz mit 52 Prozent ebenso gesiegt wie in Polen die PiS mit über 42 Prozent. Aber beide gehören mit anderen Parteien gleicher politischer Ausrichtung im neuen Parlament nicht der rechten „Europäischen Allianz der Völker und Nationen“ an, die Matteo Salvini gründen will. Auch die national ausgerichtete Brexit-Party von Nigel Farage aus Großbritannien sitzt in einer eigenen Fraktion.

Woher haben die Grünen ihre neu gewonnene Stärke?

Neben Deutschland und Frankreich haben die Grünen auch in Irland und Belgien kräftig zugelegt und können nun mit 69 Abgeordneten ins Parlament einziehen. Die andere Seite sind jene Mitgliedstaaten, in denen die Umweltpartei traditionell kaum eine Rolle spielt. Dazu gehören die meisten Länder Osteuropas, aber auch Italien und Griechenland.

Beide großen Volksparteien haben deutlich verloren. Wie stark sind sie nun?

Die Christdemokraten bleiben mit Abstand die stärkste Kraft im neuen Parlament. Sie werden 180 Abgeordnete entsenden. Deutlich dahinter liegen die Sozialdemokraten mit 146 Mandaten. Diese Fraktion dürfte noch schrumpfen. Nach dem Brexit verlassen die elf Labour-Politiker das Parlament. Beide Volksparteien haben zusammen fast 70 Mandate verloren. Für eine Mehrheit im Plenum brauchen sie künftig mindestens einen weiteren Partner.

Warum kommt den Liberalen plötzlich so große Bedeutung zu?

Die Liberalen wollen eine Allianz mit den Abgeordneten der französischen Regierungspartei LREM eingehen. Sie entsendet 22 Parlamentarier. Dadurch werden sie mit 109 Abgeordneten zur drittgrößten Fraktion im Parlament.

Was bedeutet das Ergebnis für die Arbeit im Europäischen Parlament?

Die pro-europäischen Kräfte haben im Parlament eine deutliche Mehrheit, wenn sie sich zusammenraufen. Bei konkreten Entscheidungen wird man häufiger einen Kompromiss mit mehreren Partnern suchen müssen.

Können rechtsnationale und rechte Politiker die Union neu ausrichten?

Nein, selbst wenn man alle EU-skeptischen Fraktionen zusammenrechnet, reicht dies nicht zu einer Mehrheit, die für eine Blockade nötig wäre. Sie stellen rund 23 Prozent der Volksvertreter.

Wo könnten die Rechten denn eingreifen?

Ein Beispiel sind die Sanktionen gegen Russland wegen der Annektion der Krim und der Beteiligung am Krieg in der Ostukraine. Diese Strafmaßnahmen stehen im Juli zur Verlängerung an. Und da in den Reihen der Rechten eine größere Nähe zu Moskau herrscht, könnte es zum Streit über eine Fortführung der Sanktionen kommen.