Hüter des Brauchtums

Das Meckenheimer Stadtsoldaten -Corps, vor 140 Jahren gegründet, ist längst mehr als ein reiner Karnevalsverein - Deshalb ist auch die ganze Stadt zum Mitfeiern eingeladen

Meckenheim. "Der Tradition verpflichtet - der Zukunft zugewandt." Unter diesem Motto feiern die Mitglieder des Stadtsoldaten-Corps 1868 Meckenheim, und sie haben gleich vier Gründe dazu: Seit 140 Jahren besteht der Karnevals-Verein, seit 40 Jahren das Tambourcorps, vor 30 Jahren wurde die Blaskapelle gegründet und vor 15 Jahren das Schwänchenballett "Los Graziellos". Am kommenden Wochenende geht es los: Die Stadtsoldaten haben ein großes Festzelt in der Swistbachaue aufgebaut und laden Jung und Alt, Neubürger und Alteingesessene ein.

"Wir sind ein Brauchtumsverein. Wir schließen niemanden aus. Jeder darf bei uns mitmachen", erklärt Kommandant Hans-Erich Jonen den Vereinsgeist, der sich schon in der Vergangenheit bewies, als bei rauschenden Jubiläumsfesten in "Blau-Weiß-Rot" ganz Meckenheim mitfeierte.

Unter dem Wahlspruch "Allen wohl und niemand wehe" wurde der Verein 1868 als "Große Meckenheimer Karnevalsgesellschaft" aus der Taufe gehoben. Meckenheim war zu dieser Zeit ein kleines Bauerndorf mit etwa 1 650 Einwohnern. In Folge der Wirren durch die beiden Weltkriege sind fast keine Dokumente aus den ersten Jahrzehnten des Vereinslebens vorhanden. Einige alte Bilder haben dennoch im Vereinsarchiv überlebt. Sie werden Teil einer Ausstellung sein, die am Wochenende gezeigt wird.

Über ihre Mitgliederzahlen können die Stadtsoldaten nicht klagen. "Wir waren immer beliebt in der Bevölkerung", weiß der 81-jährige Michael Grohs zu berichten, der 1952 in das Corps der Stadtsoldaten aufgenommen wurde und von 1961 an 25 Jahre lang die große Prunksitzung als Schultheiß leitete. Er erinnert sich gut an die 50er - Zeiten, die mit viel Arbeit verbunden waren, "weil wir alles selber machten, um die Kosten klein zu halten. Die ersten Kostüme haben wir in drei Monaten genäht. Und 1952 sind wir dann zum ersten Mal in Uniform mit sieben Leuten aufgetreten."

Da die Stadtsoldaten bei den Bürgern immer hohes Ansehen genossen, fehlte es bei Festumzügen im Karneval nie an gespendetem Wurfmaterial. "In den 60ern haben wir kleine Rübenkrautdöschen geworfen, die wir von der Krautfabrik geschenkt bekamen. Von Haribo bekamen wir preisgünstig Gummibärchen", erinnert sich Grohs.

Die eigentliche Entwicklung des Stadtsoldaten-Corps zu seiner heutigen Größe begann in den 60er Jahren unter dem Kommandanten Karl Siegberg. In seiner 31-jährigen Amtszeit wuchs der Verein auf 400 Mitglieder an. 1964 knüpften die Stadtsoldaten Freundschaftsbande zum Musikverein Neumarkt in der Steiermark, die bis zum heutigen Tag Bestand haben.

"Es macht einfach Spaß, mit 80, 90 Leuten Musik zu machen. Wir besuchen uns abwechselnd, und die Unterbringung erfolgt jeweils in Familien", erzählt Hans-Erich Jonen, seit 1994 Siegbergs Nachfolger. Und: Die von Herzlichkeit geprägte Vereinsfreundschaft hat sogar ehestiftend gewirkt. Kein Wunder also, dass der Musikverein aus Österreich beim Jubiläumsfest dabei ist.

Der Zusammenhalt im Verein zeigte sich ebenfalls beim gemeinsamen Bau des Festzeltes 1968, in dem das 100-jährige Bestehen gefeiert wurde. Im Anschluss an dieses Fest wurde das lang ersehnte Tambourcorps gegründet. Der Neubau des Zeughauses an der Professor-Scheeben-Straße im Jahr 2001, mit großem Versammlungsraum und Probenraum für Tanz- und Musikgruppen im Keller, war in den vergangenen Jahren das wichtigste Ereignis im Corps. "Das Haus ist mit der Hände Arbeit unserer Mitglieder errichtet worden", sagt Jonen stolz. "Seitdem müssen wir sparen, auch an unseren Veranstaltungen", räumt er ein. "Doch sind wir stolz auf eines der modernsten Vereinshäuser der Region!"

Und da sich die mittlerweile 540 Mitglieder zählenden Stadtsoldaten inzwischen zu Hütern des Brauchtums entwickelt haben, ist für sie nicht nur in der fünften Jahreszeit mit all den Sitzungen und Kostümfesten viel zu tun. "Wir organisieren seit drei Jahren den Martinszug, und die Wecken an die Kinder werden vor dem Zeughaus verteilt", so Jonen. Das rührige Stadtsoldaten-Corps ist zudem mit der Organisation der Johannes-Kirmes, dem Oktoberfest, dem Maibaumaufstellen, diversen Kinderausflügen und Kameradschaftsabenden betraut. Und dies alles getreu dem Gründermotto: "Allen wohl und niemand wehe".

Zur Zeit hat das Stadtsoldaten-Corps 540 Mitglieder, darunter 170 Aktive im Alter von drei bis 78 Jahren. 45 Kinder und Jugendliche gehören den Tanzgruppen des Kindercorps an, 55 Musiker spielen im Musikzug. Es gibt 25 Soldaten und ein Tanzpaar. Die Mariechentanzgruppe hat zehn Mitglieder, die Damen- bzw. Schautanzgruppe 15. Die Gruppen werden von sechs Trainern betreut. Sechs Uniformierte gehören dem Reservistencorps an. Im 1994 gegründeten Ballett "Los Graziellos" - Aufnahmebedingung: ein Körpergewicht von mindestens 100 Kilo - tanzen Mitglieder verschiedener Vereinsgruppen. Die Stadtsoldaten haben zwölf Ehrenmitglieder und rund 70 Aktive ohne Uniform sowie 290 fördernde Mitglieder.

Rekruten sprechen bis heute folgenden Eid:

Ich gelobe - überall und jederzeit

Den Stadtsoldaten treu zu dienen

Zu helfen, wann immer ich gebraucht werde

Die Kameradschaft aufrecht zu halten

Dem Kommandanten nicht zu widersprechen

Dem Spieß zu gehorchen

Keinen Streit anzufangen

Auf die Uniform aufzupassen

Mich beim Essen nicht zu bekleckern

Nicht zu trinken, wenn nichts mehr hinein passt

Im Karneval kein Mädchen gegen seinen Willen zu küssen

Hin und wieder ein paar Groschen für die Wohltätigkeit zu stiften

Karneval ausreichend Bonbons zu werfen

Und am Aschermittwoch mit zu trauern

So wahr ich noch aufrecht gehen kann.

Das Programm:

Samstag, 3. Mai: 14 bis 18 Uhr, Jubiläumsschau im Zeughaus

Sonntag, 4. Mai: 10 bis 18 Uhr, Tag der offenen Tür im Zeughaus

Freitag, 16. Mai: ab 20 Uhr, Festkommers im Festzelt mit Ehrungen, ab 23 Uhr Tanz

Samstag, 17. Mai: 11 Uhr, Kranzniederlegung an der Pfarrkirche, anschließend Konzert des Musikvereins Neumarkt im Vereinslokal "Zum Fässchen". Ab 14.30 Uhr Seniorennachmittag im Festzelt. Ab 20 Uhr Rheinischer Abend im Festzelt

Sonntag, 18. Mai: 9.30 Uhr, Fesgottesdienst im Zelt, ab 11 Uhr Internationales Gardetreffen. 14.30 Uhr, Festzug mit etwa 1 200 Teilnehmern. 21.45 Uhr, Großer Zapfenstreich in der Swistbachaue. Vorverkauf für den Rheinischen Abend (Eintritt zehn Euro): Sonntag, 4.Mai, anschließend montags bis freitags je 17 bis 19 Uhr im Zeughaus