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Kostümverkauf in den Kammerspielen: Vom Schmalhans zum Sumo-Ringer

Kostümverkauf in den Kammerspielen: Vom Schmalhans zum Sumo-Ringer

Zahllose Besucher erobern das Foyer - Nervenstärke gefragt

Bad Godesberg. Die Großherzogin von Gerolstein steht auf Männer in Uniform. Ein General buhlt in der gleichnamigen Operette von Jacques Offenbach um ihre Gunst, aber Julias Herz gehört zunächst einem einfachen Soldaten.

Die Chancen, dass sich die Großherzogin dieser Tage erneut Hals über Kopf ins Gefühlschaos stürzen würde, wenn man sie aus der Scheinwelt in die Realität ließe, stehen nicht schlecht. Ein neuer Mann steckt in der alten Uniform. Pünktlich zu Karneval verkauft das Bonner Theater ausgediente Kostüme.

Was sich am Dienstagabend vor den Kammerspielen abspielt, ist einmalig. Von solchen Schlangen an den Theaterkassen kann Intendant Klaus Weise nur träumen. Als um Punkt sechs die Türen geöffnet werden, drängt die eine Hälfte mit aller Macht ins Foyer. Der Rest wird vom Sog erfasst und mitgerissen. Es dauert ein paar Minuten, bis die ersten Menschen abgekämpft das Gebäude verlassen.

"Wenn ich gewusst hätte, dass das so ein Terror ist", sagt einer, hätte er doch nochmal das Cowboykostüm von anno dazumal aufgetragen. Willkommen im Land der Dichter und Drängler.

Wer in der Menschenmasse den Kopf oben behält und sich mit einem beherzten Griff an einen der Kleiderständer aus dem Strom ziehen kann, wird belohnt. Stangenware ist Mangelware im Theater. Fast alle Kostüme sind Spezialanfertigungen. Ein blutbeflecktes Nachthemd ist da noch harmlos.

Sehr beliebt sind Fettanzüge. Die Überzüge aus Filz und Watte machen selbst den schmalsten Hering zum veritablen Sumoringer oder verpassen ihm wenigstens eine ansehnliche Wampe. Wem das noch nicht genug ist, der wählt die fleischfarbene Plastikvariante mit eingefärbtem Oberteil. Eine Schülerin ist schwer begeistert von ihrer selbst gewählten Monstrosität, und auch die Mutter kann sich ein Lachen nicht verkneifen.

Viele Männer scheinen wahllos nach Kleidungsstücken zu greifen. Ein Kostüm muss für sie offenbar nur eindeutig von Alltagskleidung zu unterscheiden sein. Den Versuch etwas darzustellen, unternehmen die Herren der Schöpfung oft erst gar nicht.

Gegenüber der Garderobe probiert eine Frau schon das dritte Kostüm an, und der unzufriedene Blick in den Spiegel verrät: Keines passt so richtig. "Schön und lustig" soll es nach Möglichkeit sein. Gar nicht so einfach, wenn beim Pagenkostüm die Hosenbeine zu kurz sind und das an sich altbacken-elegante Kleid mit dem ausladenden Rock und schlichter Schürze dann doch arg spannt um die Hüfte.

Die Geschichten zu den Kostümen erfahren interessierte Kunden an der Kasse. Dort steht Kostümdirektorin Adelheid Pohlmann und lässt die Stücke ein letztes Mal durch ihre Hände gleiten. Verkauft werden nur Kostüme, "die wir hoffentlich nicht mehr brauchen". "Einige Kostüme würde ich nie, nie abgeben." Auf die "frisch abgespielte" Uniform kann sie verzichten, auch wenn sie damals großen Eindruck auf die Großherzogin gemacht hat.