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Auf der jecksten Kreuzung der Altstadt​

Nach dem Zoch zur Party : Auf der jecksten Kreuzung der Altstadt

Hunderte feiern nach dem Rosenmontagszug mit den Bönnschen Räubern auf der Heerstraße, aber nicht nur da

Wenn der Zoch am Rosenmontag an der Kommentatoren-Stelle auf der Heerstraße vorbeigezogen ist, wird aus der Kreuzung zur Georg- und Paulstraße der Räuberplatz. Die Bönnschen Räuber starten am frühen Abend die größte Freiluftkarnevalsparty der Altstadt. Nicht nur die Kommentatoren Marcus Gloger und Jan Macke freuen sich auf die nächsten Stunden Musik und Tanz mit geschätzt fast tausend ausgelassenen Jecken.

Es ist mittlerweile schon die 30. After-Zoch-Party, und die Räuber sind nicht nur wegen der grauen Bärte im Vereinslogo mittlerweile ein bisschen in die Jahre gekommen. Das spiegelt sich auch in dem selbstironischen Motto, das die Vereinsmitglieder mit dem Sessionsorden zu Ehren des Präsidentenpaares Anke und Stefan auf ihrer Brust tragen: „Ob Geech, Arthros oder Zahnusfall – nur Räuber fiere Karneval.“

Von Altersschwäche ist bei der Party nach dem Zug aber nicht viel zu spüren. Das gilt auch für die feiernden Jecken in den Kneipen der Altstadt. Denn in dem Stadtteil mit der höchsten Kneipendichte Bonns geht es nach dem Zug so richtig rund. Das Machold heißt zwar nun schon seit einiger Zeit John Barleycorn, doch an der Karnevalstauglichkeit hat sich dadurch nichts geändert. Sogar davor wird an diesem Abend eine ordentliche Straßenparty gefeiert. Ein festlich geschmückter, grüner Drache steht im Zentrum einer Gruppe von Feiernden, die mit Schlagzeugstöcken sogar Verkehrsschilder bespielen. Auch im und vor dem Pawlow an der Heerstraße und im Nyx am Frankenbad drängen sich die Feiernden.

Auch das Bla und das Namenlos am Stadthaus sind beliebte Treffpunkte nach dem Zoch – oder die Breite Straße, Ecke Dorotheenstraße mit dem Bermuda-Dreieck aus Steinbeck, Pinte und im Moby’s, dem früheren Lichtblick, das Babel-Wirtin Fanny Delaune eigens für die jecken Tage vor-eröffnet hat. Wache-Wirt Tobi Epping hat in seiner Kneipe an der Heerstraße vor den jecken Tagen sogar einen neuen Boden verlegen lassen, damit das Parkett wieder hundert Prozent tanzresistent ist.

Dem Kneipenkarneval als umsatzstarke Zeit kann man sich als Wirt in der Altstadt nicht verweigern. Auch Tresor-Chef Bernd Graubohm macht in der fünften Jahreszeit einige Zugeständnisse – vor allem musikalisch. In der Heavy-Metal- und Hardrock-Kneipe in der Wolfstraße läuft am Rosenmontag seit mittags Karnevalsmusik. „Wenn schon der Zug vor der Tür vorbeiläuft, funktioniert das halt nicht mit Metallica“, so Graubohm. Auch die Getränkepalette ist an diesem Tag eingeschränkt und konzentriert sich vor allem auf Kölsch, Pils und Softdrinks in Standardgläsern. „Für eine Single-Malt-Beratung sollte man sich vielleicht auch einen anderen Tag aussuchen als Rosenmontag“, meint der Wirt augenzwinkernd, der sich über den Besuch vieler Stammgäste besonders freut. „Nächstes Wochenende wieder ganz normal Metal“, verspricht er.

 Volles Haus bei der Punkrock-Party mit den Manfreds im Limes.
Volles Haus bei der Punkrock-Party mit den Manfreds im Limes. Foto: Stefan Klettke

Gegenüber ist nach dem Zug ebenfalls viel los: Über mangelnden Zulauf können sich auch Alex und Steven Deurer im Billa-Bonn an der Ecke zur Peterstraße nicht beklagen. „Es war absolut friedlich“, zieht Alex Deurer am Abend eine kleine Zwischenbilanz, der heute „Open End“ ausgerufen hat. Auf der Kreuzung vor dem Billa feiern viele junge Karnevalsfreunde noch mit einem mobilen Partymusikwagen. Andere feiern in der Wolfstraße ihre Wohnungspartys weiter.

Übrigens: Wer in der Bonner Altstadt an den jecken Tagen auf der Straße unterwegs ist und ein dringendes Bedürfnis verspürt, kann sich glücklich schätzen, wenn er wie am Rosenmontag Bekannte in dem Viertel hat. Gäste ohne Familienanschluss müssen in die Kneipe oder sich eines der wenigen öffentlichen Angebote suchen. An der Pizzeria Nennillo im Krausfeld hängt ein Schild, das für die WC-Benutzung für Nicht-Gäste satte zwei Euro aufruft, ein hoch gesetzter Preis mit offenbar abschreckender Wirkung.

Eine extrem seltene Art, mit dem Karnevalstrubel umzugehen, ist die vorübergehende Schließung. So hatte Zone-Wirt Martin Linder bereits im Vorfeld des Rosenmontags mitgeteilt, dass seine Bar an der Maxstraße als „rumtatafreie Zone“ an diesem Tag geschlossen bleibe. Von Weiberfastnacht bis Nelkensamstag gab es bereits gepflegten Partyrock statt kölsche Tön. Für den Rosenmontags-Schwof verweist Linder auf die Kollegen im „Pub“ an der Kölnstraße/Ecke Kasernenstraße: „dort wird der Karneval gern gepflegt, und man wird euch ausführlich verwöhnen“.

Tatsächlich geht es auch im Pub an der Kölnstraße in guter Tradition des Anno Tubac durchgehend karnevalistisch zu. Auch am Rosenmontag ist das Stammquartier der Durschlöscher schon an den frühen Abendstunden ordentlich voll. Das Limes gegenüber startet jedoch ganz gezielt die Gegenfete: Am Rosenmontag tritt dort nach 18 Uhr die Altstadt-Punkband Die Manfreds auf. Ihre Vorgruppe nennt sich Kommando Butterfahrt und bewegt sich musikalisch im selben Spektrum.

Über die Kölnstraße geht es zurück in die Altstadt. Eine illustre Partygemeinde hat den Waschsalon auf der Ecke zur Breite Straße zur Partyzentrale umfunktioniert. Der kleine Raum ist voller Tanzender. Durch die Paulstraße geht es zurück zum Räuberplatz, wo am frühen Abend DJ Lars auf dem Partywagen zur Hochform aufläuft. Er hatte am Samstag schon in der Harmonie bei der legendären Räuberparty aufgelegt.

Dabei gibt es auch am Rosenmontag natürlich vor allem Karnevalshits, aber auch einige Klassiker. Der tanzenden Menge ist es gleich, wozu sie ihre Hüften bewegen und abfeiern. Dabei ist es teilweise so eng, dass kein Durchkommen mehr ist, nur noch Durchschunkeln. Die Feiernden freuen sich, dass es trocken bleibt. „Was soll man denn bei so einem schönen Wetter anderes machen als nach dem Zug auf der Straße weiterzufeiern?“, sagt Elmar Schulze Messing. Denn mit den Temperaturen steige ganz automatisch die Stimmung, meint er. Seine Freunde stimmen zu.

Für die Versorgung mit Bier und anderen Getränken sorgen auf dem Räuberplatz wie auch an anderen Hotspots in der Altstadt die Verkäufer in ihren Pop-up-Stores, die am Rosenmontag nach Supermarktschluss gerne die Nahversorgung übernehmen.

Vielleicht wäre es tatsächlich eine gute Idee, diese wunderbar jecke Kreuzung in Räuberplatz umzubenennen, wie es ein Vereinsmitglied dem GA-Reporter beim Interview auf dem Pritschenwagen vorschlägt. Die Narrenschar auf dem Platz wäre sicher geschlossen dafür.