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Rosenmontagszug in Bonn: So politisch ist der Umzug

Politik im Bonner Karneval : Politischer Guerilla-Wagen schleust sich in Rosenmontagszug ein

Politische Wagenbauten gibt es im Bonner Rosenmontagszug nicht zu bestaunen. Wer genau hinschaut, findet trotzdem politische Botschaften. Vor allem ein nicht angemeldeter Wagen machte auf sich aufmerksam.

Der Bonner Karneval ist jedes Jahr zum Rosenmontag wieder eine Bühne für Freude und ausgelassene Stimmung. Wer mit dem Karneval jedoch auch die Kritik an Politik und Gesellschaft verbindet, muss in Bonn schon genau hinschauen. Von bundes- oder außenpolitischen Persiflagen wie in Köln, Düsseldorf oder Mainz ist der Zug weit entfernt. Ganz unpolitisch ging es am Rosenmontag in der ehemaligen Hauptstadt dann aber doch nicht zu. Vor allem ein plötzlich auftauchender Guerilla-Wagen sorgte für Aufmerksamkeit.

Der in weiß gestrichene Wagen mit der Aufschrift „Frontex Heimatschutz“ hatte sich gegen Ende der Strecke verdeckt auf einem Privatgrundstück positioniert und nutzte die Lücke zwischen zwei Gruppen aus, um sich in den Zug zu mogeln. Bei den umstehenden Jecken sorgte das für Jubel, aber auch Irritationen. „Die sind dagegen, oder?“, fragte eine Passantin mit Blick auf die maskierte Person, die vom Wagen Bonbons und Flyer in die Menge warf und schließlich für Klarheit sorgte.

„End Pushbacks – Stop Frontex“, so die niedergeschriebene Kritik an der Europäischen Agentur für Grenzüberwachung und der Rückweisung von Migranten. Ob es für diese Äußerung und Aktion Konsequenzen geben wird, ist noch unklar. Die Bonner Polizei, die den Wagen kurz nach seinem Auftauchen aus dem Verkehr zog, ermittelt wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. „Die Gruppe wurde uns gemeldet und wurde dann aus dem Zug entfernt“, erklärt Polizeisprecher Michael Beyer. Proteste hatte es dabei keine gegeben. „Alle haben sich friedlich verhalten“, so Beyer.

Willi Baukhage dürfte die Aktion vermutlich gefallen haben. Das Bonner Karnevalsurgestein setzt sich seit Jahren für mehr politische Aussagen im Rosenmontagszug ein und blickt fast neidvoll auf andere Städte, in denen der Finger deutlich stärker in die Wunde gelegt wird als in Bonn. In der Bundesstadt fehle es an Geldern, Zeit und letztlich auch ein wenig Engagement für die politische Sache. „Man könnte schon etwas mehr machen“, findet Baukhage und erinnert daran, dass der Bonner Karneval früher mit zehn Mottowagen Lokal-, Bundes- und Weltpolitik aufs Korn nahm. Etwa 20 Jahre sei das her.

Ungefähr genau so lange nimmt der 67-jährige Baukhage das Heft des Handelns bereits selbst in die Hand und steuert einen geschobenen Karren mit politischer Botschaft zum Umzug bei. „Man kann meckern, aber man muss auch etwas tun“, findet Baukhage. Das sei wie in der Demokratie. Dieses Mal hat es der Bonner mit seinem Handkarren auf Despoten und Massenmörder abgesehen. Sein Figurenwagen besteht aus einer Rakete, die von einem Narren mit Zündschnur in der „Never come back Airline“ zum Mars gejagt werden soll. An Bord: Wladimir Putin, der syrische Präsident Assad, Nordkoreas Diktator Kim Jong-un, der chinesische Sttatspräsident Xi Jingping und König Mswati III., der einzige absolutistische Herrscher in Afrika.

Vor der Rakete sitzt Donald Trump in einem Drissämmer, der mit will, aber nicht darf, wie Baukhage erklärt. Noch spiele er nicht in der Liga der Mitreisenden. Ebenso wie „Mini-Adolf“ Björn Höcke, der ganz vorne auf dem Wagen Platz genommen hat. Auch gegen ihn möchte Baukhage Stellung beziehen. „Nur eine Folkloregruppe zu sein, wird dem Karneval nicht gerecht“, findet der Bonner. Es brauche bissige Aussagen und ein klares Profil. „Wenn wir solche Leute lächerlich machen und klare Kante zeigen, vielleicht wählt sie dann auch keiner mehr“, sagt Baukhage. Eine Hoffnung, die auch Angela Krug teilt.

Die Geschäftsführerin der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste aus Bonn hatte sich mit ihrer Gruppe in Regenbogenfarben gekleidet, um ein Zeichen zu setzen. „Wir positionieren uns klar gegen die AfD und wollen für eine offene und vielfältige Gesellschaft einstehen“, sagt Krug. Bereits bei der Demonstration „Bonn bleibt bunt“, die sich gegen Rechtsextremismus gewandt hatte, war die Gruppe vertreten.

Auch Oberbürgermeisterin Katja Dörner, die das Geschehen vom Rathausbalkon aus kommentierte, lobte immer wieder bewusst das farbenfrohe Treiben und verwies nicht nur mit ihrer umgehängten Scherpe auf das Karnevalsmotto der Stadtwerke, die ebenfalls unter dem Slogan „Bonn bleibt bunt“ feierten. Kritik gab es aber auch an der Lokalpolitik von Dörner und der Regierungskoalition. „Jenohch Fahrradstroße em Bönnsche Verkehr, hoffentlich es de Ämme bahl leer“, proklamierten die Fidelen Walzbröde aus der Bonner Kolpingfamilie. Ein Seitenhieb auf die zunehmende Vereinnahmung des allgemeinen Straßenraums durch Radwege, der mit „Straße voll – toll“-Rufen unterstrichen wurde.

Politische Akzente, die vom Bonner Publikum offenbar geschätzt werden. „Ich weiß nicht, wie ich das nächstes Jahr toppen soll. Es war irre“, bilanzierte Baukhage kurz nach Ende des Zuges. Noch nie habe er so viel positive Resonanz erfahren wie in diesem Jahr. Menschen aus allen Nationalitäten und Altersgruppen hätten ihm zu seinem Wagen gratuliert und sich bei ihm für sein Statement bedankt.