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"Ihr werdet gleich weggepustet"

"Ihr werdet gleich weggepustet"

Das Zentrum städtischer Macht ist fest in Narrenhand - Oberbürgermeisterin traut dem Bonner Prinzenpaar gute Arbeit zu - Bis Aschermittwoch haben Klaus III. und Judith I. nun Zeit

Bonn. Schlachtenlärm und dramatische Musik tönen aus den großen Lautsprechern, als die Infanterie der Bonner Stadtsoldaten am Sonntag um 15.25 Uhr zum Angriff auf das Alte Rathaus übergeht.

Im Pulverdampf der großen Kanone stürmen die Soldaten die Leitern hoch auf den Balkon, machen den Weg frei für Prinz Klaus III. und Bonna Judith I, und da kapituliert Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann und überreicht den Rathausschlüssel dem Prinzenpaar: "Ich finde euch so toll, dass ich euch echt zutraue, dass ihr bis Aschermittwoch auch gute Arbeit im Rathaus macht."

Vor der Übernahme des Rathauses hatten sich Dieckmann und ihre Verteidiger um Stadtdechant Wilfried Schumacher noch harte Wortgefechte mit den Angreifern geliefert. Mitglieder der Kolpingsfamilie präsentierten ihre spitzen orange-schwarzen Bleistifte nach dem Motto: "Die Feder ist mächtiger als das Schwert." Auch Moderatorin Anja Pohl stichelte, die Kavallerie sehe ein bisschen so aus "wie auf Pützchens Markt dat Ponyreiten". Erfolglos blieb der erste Angriff der Reiterstaffel. Der Spieß der Kavallerie, Hans Brock, musste wieder abziehen.

Das letzte Angebot

Dann traf der Festausschuss Bonner Karneval mit Polizeipräsident Wolfgang Albers ein; in Ketten wurden Bezirksvorsteher Karl Wilhelm Starcke und sein Stellvertreter Helmut Kollig vorgeführt. Das Blatt schien sich kurz zu wenden, die Rathaus-Verteidiger verjagten den Festausschuss. Aber Präsident Horst Bachmann prophezeite: "Ihr werdet gleich weggepustet mit euren blöden Bleistiften."

Dafür sorgten die Stadtsoldaten mit ihrer Artillerie. Das gesamte Corps nahm auf dem umzäunten Viereck vor dem Rathaus Aufstellung, und zahllose Zuschauern sahen zu, wie Kommandant Herbert Raab den Herren des Rathauses das letzte Angebot machte, ohne Blutvergießen den Schlüssel herauszugeben. In einem Wortgefecht bezeichnete Raab die Kolpingsfamilie als "Muppet-Show", und der Stadtdechant sei gerade zurückgekehrt von einem 14-tägigen Lehrgang mit dem Titel "Wie verhindere ich zitternde Knie". Angst musste Schumacher auch haben, denn danach ließ Raab die Kanonen sprechen - mit besagtem Ausgang.

Prinz Klaus III. übernahm den Schlüssel und freute sich über den beeindruckenden Blick auf das Narrenvolk. Bonna Judith I. bemerkte, dass sie bei nächster Gelegenheit gewiss nicht mehr in einem solchen Kleid eine Leiter hochklettern werde.

Das rund 250 Mann und 20 Pferde starke Heer der Stadtsoldaten hatte diesmal Verstärkung aus dem Reagenzglas bekommen: Wenige Stunden vor dem Angriff verkündete Professor Maestro Clonneoni alias Infanterist Manfred Göddertz auf dem Marktplatz, dass er das Fastelovends-Gen entdeckt und zu zehn menschlichen Körpern reproduziert habe.

Nach anfänglicher Skepsis gegenüber dem wissenschaftlichen Fortschritt erklärte sich Kommandant Herbert Raab bereit, die zehn Klone des Professor Clonneoni in Bonner Stadtsoldaten zu verwandeln und zu vereidigen.

Skeptisch gegenüber den Klonen hatten sich zuvor auch Mitarbeiter der Deutschen Bahn gezeigt: Bei den Stadtsoldaten ist es Tradition, dass die neuen Rekruten - diesmal in Klon-Verkleidung - vor der Vereidigung von den Stadtsoldaten am Bonner Hauptbahnhof aufgegabelt werden. In diesem Jahr waren die Rekruten jedoch schon von Bahn-Mitarbeitern aus dem Bahnhofsgebäude verwiesen worden, bevor die Stadtsoldaten kamen, da sie "keine Reiseabsichten" hatten. Anja Pohl, auch als Pressereferentin der Stadtsoldaten tätig, nahm es gelassen: "Wir machen das ja erst seit 1872, da kann man wohl nicht erwarten, dass die Bahn sich spontan darauf einstellt."

Die besten Gruppen

Bereits am Morgen hatten die Stadtsoldaten auf dem Marktplatz ihr Feldlager aufgeschlagen, und auch die Ehrengarde der Stadt Bonn war mit dem traditionellen Biwak dabei. Bis zum Rathaussturm wechselte der Schauplatz gelegentlich zum Programm auf der Bühne der Ehrengarde, wo Ex-Prinz und Volksbank-Mitarbeiter Willi Wester erstmalig ein von der Volksbank gestiftetes Preisgeld in Höhe von 500 und 400 Euro an die besten Gruppen der Stadtteilzüge überreichte.

Der Festausschuss Bonner Karneval und die Volksbank hatten sich für die Gruppen Angies Blumenblitz aus Graurheindorf und die Montagsgymnastikgruppe der Sportfreunde Ippendorf entschieden. Beide Gruppen gehen im Rosenmontagszug mit.