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Einmal im Jahr werden die Männer in die Mangel genommen

Einmal im Jahr werden die Männer in die Mangel genommen

Beueler Wiever läuten mit dem Rathaussturm die fünf tollen Tage ein - Ein ernster Hintergrund

Beuel. (ca/bla) Wofür Pützchens Markt doch gut sein kann. Zu vorgerückter Stunde saßen Beueler und Rheinbacher Stadtsoldaten im Bayernzelt und tranken Brüderschaft. Sie versprachen einander, sich in der kommenden Session zu besuchen.

Die Beueler besuchten mit Wäscherprinzessin Patty I. die Rheinbacher Prunksitzung, und die Rheinbacher werden mit ihrem Musikzug erstmals im Beueler Weiberfastnachtszug teilnehmen. "Das ist schon toll", sagt Obermöhn Evi Zwiebler begeistert. "Denn gerade an Weiberfastnacht ist es unheimlich schwer, Musikgruppen zu kriegen."

57 Gruppen werden in diesem Jahr die Wäscherprinzessin bei ihrem Sturmzug durch Beuel begleiten. Vom Sammelpunkt auf dem Gelände der Jutespinnerei an der Siegburger Straße aus wird sich der Zug gegen 9.45 Uhr in Bewegung setzen und über die Obere Wilhelmstraße, die Siegfried-Leopold-Straße, vorbei an Sankt Josef über die Hermann-Straße und die Friedrich-Breuer-Straße zum Rathaus ziehen.

Den Sturm werden Patty I. und Obermöhn Evi Zwiebler gegen 12 Uhr einläuten. Unter dem Motto "Beueler Wiever - herrlich jeck, han Schnüss un Hätz om räächte Fleck" führt ab 10 Uhr Vize-Obermöhn Ina Harder durch das Programm auf der Bühne vor dem Rathaus und wird dabei musikalisch von den Blue Birds unterstützt.

Schon um 10.15 Uhr wird die Stimmungsmaschine "Botzedresse" bekannte Karnevalslieder anstimmen, um das Narrenvolk am Rathaus zu unterhalten. Die "Kribbelköpp" werden ab 10.50 Uhr erwartet, "De Jonge" ab 11.15 Uhr. Nach der Erstürmung des Rathauses spielt der Musikzug der Beueler Stadtsoldaten auf.

Derweil bewacht eine resolute Männerriege um Bezirksvorsteher Georg Fenninger und Bürgermeister Ulrich Hauschild die Mauern der Federfuchser. Die Weiber werden sich wohl eine gute Strategie überlegen müssen, denn die Männer ließen eigens das Eckhaus an der Friedrich-Breuer-Straße abreißen, um einen besseren Überblick über das närrische Schlachtfeld zu haben, scherzt Thomas Fricke, stellvertretender Leiter der Bezirksverwaltungsstelle.

Die Obermöhn ist sich aber wieder ziemlich sicher, dass es den Wievern mit Unterstützung von Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann, die sich unter das Männervolk mischen wird, gelingen wird, den Männern derart den Kopf zu verdrehen, dass sie die Mauern des Rathauses überwinden können.

Der emanzipatorische Rundumschlag im rechtsrheinischen Bonn ist übrigens eine Rarität im ansonsten von Männern beherrschten rheinischen Karneval. Vor 179 Jahren entstand der rheinische Wieverfastelovend: "Damals begehrten die Wäscherinnen gegen das Patriarchat, die Dominanz der Männer und die damit verbundene Ausbeutung der Frauen auf", heißt es bei der Stadt.

1824 gründete sich aus dieser Frauenbewegung das erste Beueler Damenkomitee. Es entstand der Brauch, einmal im Jahr - nämlich am Donnerstag vor Karneval - nicht die Wäsche, sondern die Männer "in die Mangel zu nehmen", so die Verwaltung. Was heute in karnevalistisch-spaßiger Art im Rathaussturm, Umzug und Sitzungen gefeiert wird, hat einen ernsten Hintergrund.

Die Beueler Wäscherinnen und Bleicherinnen taten sich zusammen, um sich gegen die unzumutbaren körperlichen und seelischen Belastungen, die ihnen aufgebürdet wurden, zu wehren. Sie wollten auf ihr hartes und als unwürdig empfundenes Los aufmerksam machen. Deshalb trafen sie sich zum Kaffeeklatsch, bei dem ein festes Reglement galt: Die Frauen hatten die Pflicht, über die groben Verstöße ihrer Männer gegen den Hausfrieden und die eheliche Treue oder über deren Alkoholexzesse zu berichten. "Die Übeltäter waren selbstverständlich von den Treffen ausgeschlossen", teilt die Stadt mit.

Der Brauch der Wäscherinnen überstand die unterschiedlichen politischen Epochen - von der preußischen Besatzung über das Bismarck-Reich, die Monarchie, die erste Demokratie und die Nazi-Zeit bis hin zur heutigen Demokratie. Seit 1958 benennen die Beueler Weiber alljährlich eine würdige Repräsentantin aus ihren eigenen Reihen, die Wäscherprinzessin. Patty I. ist gerüstet.