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Und plötzlich liegt ein blauer Brief im Kasten...

Und plötzlich liegt ein blauer Brief im Kasten...

Mit dem Narrengericht pflegt die KG "Fidele Ströpper" seit Jahrzehnten eine lustige Tradition - Delinquenten werden von einem Richter abgeurteilt - "Geldbußen" dienen der Pflege des Brauchtums

Römlinghoven. Wer kommt schon gerne mit dem Gesetz in Konflikt? Und wer lässt sich mit Freude von - zumindest scheinbar - grimmigen Herren in Uniform abführen und vor einem Tribunal gehörig die Leviten lesen? Niemand. Aber einmal im Jahr gehen die Uhren in vielen Jecken-Hochburgen anders. Dann tagen rheinauf, rheinab Narrengerichte.

Auch im Siebengebirge stecken in der fünften Jahreszeit jecke Richter und Staatsanwälte die Köpfe zusammen, um narrengerechte Strafen für Delinquenten zu ersinnen. In Römlinghoven ist die Tradition fast so alt wie die KG selbst: Als 1967 die Geburtsstunde der "Fidelen Ströpper" schlug, war das erste Narrentribunal nicht mehr weit.

Joachim Lischka erinnert sich gerne: "Das erste Mal verhaftet wurde ich in den 70er Jahren, mit allem Drum und Dran." Es scheint gewirkt zu haben: Lischka, aufgewachsen in Münster, ist dem rheinischen Frohsinn mit Leib und Seele verfallen. Der einstige Delinquent, der sich seit Verhaftung Nummero eins fast alle Jahre wieder mit Vergnügen vor dem Richter einfand, ist Präsident der kleinen, aber feinen KG. Wie er damals, so sind auch andere Dauergäste vor dem Richter: Bürgermeister, Stadtverordnete, verdiente Mitglieder... und wer im "Grenzgebiet" zu befreundeten KGs wie der Küzengarde wohnt? "Da kommt es schon mal vor, dass man zwei Mal verhaftet wird."

Verhaftung und Aburteilung mit allem Drum und Dran - das heißt, dass sich die Jecken teils ganz schön warm anziehen müssen. Wer den Verhaftungskommandos ohne Kostüm oder gar ohne "Ströpper"-Orden, so er oder sie Träger eines solchen ist, in die Hände fällt, hat schlechte Karten.

Schließlich ist ein standesgemäßes Narren-Outfit eines der närrischen Gesetze, denen es Folge zu leisten gilt. Dabei ist zumindest hierzulande die Ausrede "Ich bin aus Mainz" kaum Grund für mildernde Umstände. Lischka: "Das Schöne ist: Alle machen mit. Und auch die Delinquenten denken sich wirklich lustige Sachen aus."

Kurzum: Das Narrengericht lebt von der Spontaneität aller, fordert Bütten-Qualität. Umso besser, wenn man die ein oder andere Anekdote aus dem Leben der Delinquenten kennt - somit erfinden die Römlinghovener ihren waschechten Dorfkarneval jedes Mal neu.

Bei Verstößen kennen Ankläger und Richter kein Pardon - schon gar, da die Verhaftung mit einem blauem Brief angekündigt wird. Dass Staatsanwalt Reinhard Gärtner und Richter Lischka keine juristischen Laien sind, sei nebenbei gesagt: Beide haben die Juristerei von der Pike auf gelernt - und "die hohe Kunst des Plädierens", sagt Lischka.

Wenn das Schreiben mit Ströpper-Wappen und dem Signet des Herrn "Obernarrengerichtsrat" ins Haus flattert, müsste jeder gewarnt sein: "Sollte das Narrengericht gnädig zu Ihnen sein, so bringen wir sie auch wieder nach Hause zurück. Vorsichtshalber sollten sie aber ihr kleines Reisegepäck bereithalten", war einem "Ströpper"-Brief zu entnehmen, und "vorzeitige Flucht ist sinnlos."

Kein Wunder, dass mancher Angeklagte sich gleich freiwillig im Vereinslokal Richarz einfindet. Dass Strafen nur selten "abgesessen" werden - auf Handschellen oder Erzwingungshaft kann in der Regel verzichtet werden - hat einen Grund: Das Gesetzbuch unterm Arm, Paragrafen auf den beredten Lippen und gekleidet in echte Roben, wandelt das hohe Gericht die Strafen nur allzu gerne in "Geldbußen" um.

Nicht ohne Grund, wie Lischka, Hans Vianden und Andreas Schwindt, beide "Fidele Ströpper" der ersten Stunde, berichten: "Neben Mitgliedsbeiträgen und dem Zuggroschen ist das die einzige ''Einnahme'' der KG. Die Höhe der ''Strafen'' fällt ins Ermessen der Delinquenten - und damit meist höher aus, als wir erhofft hätten."

Denn bei vielen Veranstaltungen wie Buntem Abend, Seniorenkarneval - dieses Jahr erstmals mit den KGs aus Ober- und Niederdollendorf zusammen veranstaltet - und Zug am Sonntag gilt: Trotz tausender Stunden ehrenamtlicher Arbeit vom Wagenbau bis zur Organisation der Veranstaltungen braucht der Verein um den Vorsitzenden Hans Daniels Geld, um alles finanziell stemmen zu können.

Schließlich wollen Zugwagen gebaut oder Kamelle gekauft sein, ohne die für die Pänz Karneval nicht richtig Karneval wäre. Für einen weiteren Zweck des Spaßes ist Lischka lebender Beweis: "Wir wollen alle Bürger, auch neu Zugezogene, mit dem Brauchtum vertraut machen, sie dafür begeistern." Kein Wunder, dass die Aktiven stolz sind, wenn es so gut klappt: Die aktuellen Kindertollitäten Elisabeth I. (Konieczny) und Thomas III. (Macion) und ihre Eltern sind Neubürger - und voller Eifer bei der Sache. Lischka: "Ich bin sicher, da haben wir neue Jecke gewonnen."

Das Narrengericht der "Fidelen Ströpper" tagt am Samstag um 15 Uhr in der Gaststätte Richarz.