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Die faire Kamelle schmeckt nicht jedem

Die faire Kamelle schmeckt nicht jedem

Bonner Karnevalsvereine halten bislang wenig von alternativem Wurfmaterial - Mangostreifen, Cashew-Kerne und Bio-Schokolade sind teurer als die herkömmlichen Bonbons - Die Jecken werden immer wählerischer

Bonn. Süß sollen sie sein und in rauen Mengen aufs Narrenvolk herabregnen. In Köln nimmt man''s damit wörtlich: 140 Tonnen Kamelle werden alleine beim Rosenmontagszug unters Volk gebracht. Weniger ist mehr, meint hingegen die Initiative Jecke Fairversuchung. Wie sie probiert, hungrige Narrenmäuler zu stopfen, stellt den hergebrachten Kamelle-Begriff auf den Kopf. Demnach soll geworfen werden, was gesund, biologisch und sozialverträglich angebaut wurde: getrocknete Mangostreifen, Cashew-Kerne und Bio-Schokolade.

Die Initiative strebte in dieser Session ein ehrgeiziges Ziel an. Zehn Tonnen fair gehandeltes Wurfmaterial sollten im rheinischen Karneval abgesetzt werden. Allerdings wurden bislang lediglich zwei Tonnen, rund 100 000 Stück Kamelle, verkauft. Davon orderten die Stadtwerke Düsseldorf allein 30 000 Stück.

Nun hoffen die noch optimistischen Organisatoren auf Verständnis bei Strippenziehern im Karneval: "Langfristig streben wir einen Anteil von zehn Prozent fair gehandelten Wurfmaterials im rheinischen Karneval an", sagt Martin Klupsch. Das klappe aber nur, wenn es der Initiative gelingt, den großen Vereinen die fairen Süßwaren schmackhaft zu machen.

Die brauchen übrigens den Vergleich mit den herkömmlichen nicht zu scheuen: Guyabanostreifen beispielsweise schmecken noch fruchtiger als viele Gummibärchen. Mit dem Fair-Verkauf will die Initiative Projekte wie das philippinische Kinderzentrum "PREDA" unterstützen, vor allem aber den Bauern in den Produzentenländern helfen.

Bislang biss die Initiative bei den großen Vereinen auf Granit. "Dafür ist unter anderem das Preisdumping der Großhändler verantwortlich", sagt Klupsch. Sein Vorschlag: weniger Kamelle schmeißen und dafür die teureren Fair-Produkte ordern. "Bleibt doch eh'' die Hälfte auf den Straßen liegen."

Anders sehen das wohl viele Zugteilnehmer, und auch der Bonner Festausschusspräsident Horst Bachmann hält persönlich "überhaupt nichts" von der Jecken Fairsuchung: "Es ist nicht effektiv." Er steht fairem Handel skeptisch gegenüber. Dieter Blum von der KG Durschlöscher: "Das Konzept finde ich eigentlich ganz in Ordnung, aber die wirtschaftliche Lage erlaubt dem Einzelnen gar nicht, die hohen Preise für die fair gehandelten Produkte zu zahlen."

50 Kilo Kamelle pro Person

Üblicherweise bezahlen die Karnevalisten die Kamelle-Zeche selber, da können leicht 300 Euro pro Person anfallen - nur für die Bonbons. "Unter 200 Euro auf den Wagen: Da geht normalweise gar nichts", sagt Norbert Kolzem, Leiter des Bonner Rosenmontagszugs.

Trotzdem: Weniger werfen, dafür aber faire Ware kommt für viele nicht in Frage. 50 Kilo trägt jeder aus der Fußtruppe der Bonner Stadtsoldaten bei sich, 80 Kilo werden vom Pferd aus verschenkt. "Dass wir aus dem Vollen schöpfen, ist auch irgendwo eine Prestigesache", sagt Corpssprecherin Anja Pohl.

Indes wurde in den vergangenen Jahren die Lust, "anderen eine Freude zu machen", spürbar gedämpft. "Die Leute meckern ja schon, wenn du keine Markenkamelle wirfst, wenn du nicht schnell genug nachlädst. Und dann bist du plötzlich ein Kniesbüggel. Dann ärgert man sich schwarz", sagt Pohl.

Blum macht sogar die wirtschaftlich angespannte Lage für eine spürbare Tendenz zur "Raffgier bei den Jecken" verantwortlich. "Die Aggressivität hat bei den Zuschauern schon stark zugenommen. Es wird immer wieder zurückgeworfen, die Pferde werden belästigt, Vereinsmitglieder von den Zuschauern angegangen." Einige sähen den Karneval als Chance, sich preiswert zu bevorraten. Gleichzeitig seien die Menschen wählerischer geworden. "Es werden ja nur noch hochwertige Süßwaren vom Boden aufgehoben!"

Dass die Ansprüche gestiegen sind, findet auch Konrad Schmitz, Sprecher der Bonner Ehrengarde. "Viele Menschen nehmen heute viel lieber CDs, kleine Spielbälle und Schlüsselanhänger an."