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Immer wieder Blaulicht im Innenhof

Immer wieder Blaulicht im Innenhof

In Notaufnahme des St.-Petrus-Krankenhauses wird Verletzten des Rosenmontagszuges geholfen - Neben Schnapsleichen Kopfverletzungen durch Pferdetritt und Schnittwunden

Bonn. Die Stille ist fast unheimlich. Kein Mensch zu sehen in dem langen, hellblau gekachelten Flur. Es riecht nach Desinfektionsmittel. Das grelle Licht der Röhrenlampen leuchtet auf dicke Schiebetüren, die links und rechts des Ganges liegen.

"Bitte nicht stören. Untersuchungsraum!" steht dort in großen Lettern. Bunte Luftschlangen an der Türklinke deuten an, was sich keine fünf Autominuten entfernt abspielt: Hunderttausende Menschen auf den Straßen, dröhnende Musik aus riesigen Boxen. Es ist Rosenmontag, der Zug hat sich gerade in Gang gesetzt.

Der Flur führt durch das St.-Petrus-Krankenhaus, Notaufnahme. So ruhig wie jetzt wird es in den nächsten 24 Stunden nicht mehr sein. Plötzlich springt die Eingangstür auf, drei Sanitäter schieben in hohem Tempo eine Trage hinein. Auf der Trage liegt eine junge Frau, verkleidet als Teufelchen, Blut an den Händen, Blut am Kopf. Gegen das Dunkelrot auf dem weißen Laken verblasst jede Luftschlange. Hinter den Schiebetüren tauchen mehrere Schwestern auf, sekundenschnelle Hilfe, schon schließt sich die Tür zum Untersuchungsraum wieder.

Im Wartesaal sitzt der Freund der Verletzten. Bernd, Student, verkleidet als Handwerker mit blauem Overall. "Sie hat sich nach Kamelle gebückt, kurz nicht aufgepasst. Plötzlich hat ein Pferd nach hinten ausgeschlagen und sie am Kopf getroffen", sagt er nervös. Fast unwirklich erscheint ihm, was sich nur wenige Minuten zuvor abgespielt hat. Im Krankenwagen neben dem Fahrer durch die Menschenmasse. Tausende geschminkte Gesichter blicken eisig erstarrt in seine Richtung.

Im Untersuchungsraum liegt seine Freundin. "Was ist passiert?", murmelt sie immer wieder. Assistenzarzt Pierre Conrads vernäht die Wunde. Jeder Handgriff sitzt, und doch spricht der Arzt mit der jungen Frau, als würden sie gemeinsam Kaffee trinken. Ruhe in die Situation bringen, erklärt er später. "Die Patienten sind aufgeregt, haben Angst, was ja auch verständlich ist."

Dass die junge Frau immer wieder fragt, was geschehen ist, deute auf eine klassische Gehirnerschütterung hin, lautet seine erste Diagnose. Gehirnerschütterung, nichts Schlimmeres. Bernd sackt auf seinem Stuhl zusammen. "Bei so einer Sache rutscht einem das Herz in die Hose", sagt der Student und ist einfach nur froh, dass so schnell geholfen wurde. So friedlich wie er zeigen sich längst nicht alle.

Der Wartesaal hat sich gefüllt. Ein junger Mann, kantiges Gesicht, geschätzte 20 Jahre. Er schimpft: "Ey, die lassen mich hier sitzen. Was soll das?" Schon ist Schwester Heike Vogel bei ihm. Auch wenn sie betont freundlich reagiert, sieht man kurz den Ärger über ihr Gesicht huschen. In der Notaufnahme herrschen eben andere Regeln als in der Schlange an der Supermarktkasse. Nicht wer zuerst erscheint, wird bedient.

Entscheidend ist die Schwere der Verletzung. Nicht selten haben die Schwestern mit aggressiven Patienten zu tun, jüngst wurde eine Schwester angerempelt und angebrüllt. Fast immer ist Alkohol im Spiel. Neben den Untersuchungsräumen liegt ein kleines Büro. Über einem Kopierer steht ein Wasserkocher, Hustenbonbons auf dem Fensterbrett. Hier können Schwestern und Ärzte eine Verschnaufpause einlegen.

Doch diese Pause gibt es nicht wirklich: Durch das Fenster leuchtet das Blaulicht des nächsten Krankenwagens, der gerade in den Innenhof fährt. Eine ältere Frau ist im Gesicht verletzt. Wenige Minuten später wird der klassische Karnevalspatient eingeliefert, der erste Betrunkene. Bewusstlos liegt der junge Mann auf der Trage. Er wird nicht der letzte sein an diesem Abend. Rund ein Dutzend Fälle mit "übermäßigem Alkoholgenuss" meldet die Polizei am nächsten Tag, plus etwa zwei Dutzend Schlägereien. Der Pferdetritt bleibt ein Einzelfall.

380 Einsätze fahren sie während des gesamten Tages. "Aber insgesamt deutlich weniger als an Weiberfastnacht", sagt ein Polizeisprecher. Die Schwestern erinnern sich an einen unglaublichen Karnevals-Fall: Mittagszeit, eine Schülerin, 5,2 Promille, Intensivstation. Assistenzarzt Conrads sitzt im Büro und schaut sich Röntgenaufnahmen an. Nicht mehr lange, dann ist sein Dienst vorbei. Aber bis dahin wird er noch einige Male Blaulicht im Innenhof sehen.