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Rosenmontagszug in Siegburg: Alaaf, Kamelle und kalte Ohren

Rosenmontagszug in Siegburg : Alaaf, Kamelle und kalte Ohren

Die haben es gut da oben auf ihren schicken, bunten Wagen - außer Tanzen, Schunkeln, "Alaaf" rufen und ein bisschen Kamelle unters Volks bringen ist ja nicht viel zu tun. Oder?

Der General-Anzeiger hat es getestet - und mich als Reporterin mal nicht am Zugweg, sondern auf dem Wagen platziert. Und zwar nicht auf irgendeinem Wagen: Günter Krengel, Präsident des Siegburger Karnevalskomitees, erlaubt an diesem Rosenmontag Presse auf seinem edlen Prunkwagen.

Einzige Voraussetzung: Die Presse muss mit anpacken. Dass das nicht ganz so einfach werden könnte wie gedacht, wird mir schon mittags klar: Auf dem Fußweg die Luisenstraße hinauf weht mir bei etwa null Grad Celsius ein eisiger Wind um die - zum Glück unter einer Perücke verborgenen - Ohren.

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Dem weisen Rat erprobter Karnevalisten folgend habe ich unter dem Indianerkostüm Schicht um Schicht versteckt. Und als ich wenig später durch ein kleines Türchen ins Innere des Wagens geklettert bin und die Stufen hinauf erklommen habe, gibt's erst mal Suppe und Glühwein zum Aufwärmen.

Na klar, hier sind Profis am Werk. Seit sieben Uhr morgens sind Günter Krengel und seine Frau Beatrix damit beschäftigt, den Wagen mit karnevalistischem Wurfgut zu bestücken. Mit dabei ist auch der neue Schatzmeister Stefan Meß. Während er zum ersten Mal beim Rosenmontagszug mitfährt, hat sein 15-jähriger Sohn Florian mit vier Einsätzen auf dem Wagen mehr Erfahrung: "Der kann dem Papa heute zeigen,wie man Kamelle schmeißt", meint Hermann Vester, der mit Bürgermeister-Ehepaar Conny und Franz Huhn das karnevalistische Gefolge des Festkomitees komplettiert.

Und dann ist da ja noch die GA-Reporterin, gut vorbereitet und bereit, Kamelle und Strüßjer unters Volk zu bringen. Bis es soweit ist, muss ich mich allerdings noch mehr als zwei Stunden gedulden. Denn der Wagen des Festkomitees ist der vorletzte vor dem des Prinzenpaars Rafael I und seiner Siegburgia Daniela I. Zunächst müssen also alle anderen Wagen an uns vorbeiziehen. Das hat einen entscheidenden Vorteil: Einen derart guten Blick auf das jecke Siegburger Treiben hat wohl kaum jemand. Um warm zu bleiben, heißt es: Tanzen, Schunkeln, und immer wieder "Siegburg, Alaaf".

Zu gucken gibt es genug, denn die Karnevalsvereine haben sich auch in diesem Jahr wieder ordentlich ins Zeug gelegt mit ihren Mottowagen. Oft ist die Abtei Michaelsberg Thema, meist positiv, ob als "Mittelpunkt der Erde" auf einer Weltkugel platziert oder gleich als ganzer Wagen. Nur die Wolsdorfer Trotzköpp fürchten: "Om Michaelsberg weed ömjebaut, et Panorama weed versaut." Die rund 2000 Karnevalisten, die an uns vorbeiziehen, übertreffen sich gegenseitig in Sachen Kreativität und Originalität, seien es die "Globetrotter", die als Astronauten daherkommen, die Dampflok der Wolsdorfer Funkentöter als Alternative zu "zu viel Fluglärm uas Köln-Wahn" oder der "Drahtesel" der Ovverdörper Mexikaner.

Dann endlich, um etwa halb drei, setzt sich auch der Wagen des Karnevalskomitees in Bewegung - und wie. Als der vorn angespannte Traktor loszuckelt, gibt es einen ordentlichen Ruck, der unerfahrene Kamelleschmeißer schon mal durch den halben Wagen wirbeln kann. Also, gut festhalten, denn jetzt sind wir dran. Über die Kaiserstraße geht es Richtung Marktplatz, 3,7 Kilometer lang ist der Zugweg, und überall säumen Jecke den Weg, die uns aus voller Brust mit "Kamelle"-Rufen auffordern, unseren süßen Proviant auf sie niederregnen zu lassen.

Rund 86.000 sind in diesem Jahr beim Rosenmontagszug in Siegburg dabei. Doch die Fächer im Wagen sind ja prall gefüllt mit Schokolade, Fruchtgummi und Schaumzucker, also immer raus damit - oder doch nicht? "Gut einteilen", raten mir die Karnevals-Routiniers - und tatsächlich: Als wir auf der Kaiserstraße ankommen und die Menschenmengen immer größer werden, lichten sich die Kamelle- und Strüßjer-Berge bereits, und wir müssen nachfüllen.

Überhaupt ist das gar nicht soeinfach: Wenn der Wagen steht, darf nichts geworfen werden, die Arme werden langsam lahm und die Finger klamm, und bei so vielen gut gelaunten, flehenden Gesichtern am Wegesrand lässt sich einfach schlecht Nein sagen. Ein Blümchen für die sympathische ältere Dame hier, ein Stofftier für das niedliche kleine Krokodil dort, und die Jugendlichen, die extra einen Eimer aus dem fünften Stock heruntergelassen haben, müssen doch auch was abbekommen, oder?

So geht es immer weiter, und am Siegburger Marktplatz angekommen, kratzen die Finger schon über leere Flächen, wo vorher noch so viele Kamelle lagen. Am Ende sind alle durchgefroren und erschöpft. Eins ist klar: Der Job da oben auf dem Wagen ist alles andere als leicht, macht aber auch jede Menge Spaß. Schließlich kann man tatsächlich die ganze Zeit tanzen, schunkeln und "Alaaf" rufen.