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Das Paradies misst sechs Meter zum Quadrat

Das Paradies misst sechs Meter zum Quadrat

Zum 50-jährigen Bestehen nehmen die Schwarz-Gelbe-Jonge mit drei Wagen am Weiberfastnachtszug teil - Bei Stromleitungen und Ästen ist Ducken angesagt - 1,5 Tonnen Kamelle und 5 000 Berliner

Beuel. Es gibt fürwahr christlichere Uhrzeiten. Aber schließlich ist nur einmol im Johr Fastelovend, und das 8-Uhr-Frühstück der Schwarz-Gelbe-Jonge im Schwarzrheindorfer Hotel Mertens bietet die notwendige morgendliche Stärkung vor dem Zoch. Nach diversen Kaffees und dem ein oder anderen Brötchen geht es vor die Tür. Dort sieht es aus, als würden die Schwarz-Gelben ihren eigenen Zug veranstalten.

Anlässlich seines 50-jährigen Bestehens wartet der Verein nämlich mit drei statt üblicherweise zwei Wagen auf: der "Linie 11", vom Ex-Präsidenten Jürgen "Jo" Engels liebevoll mit original Vorder- und Rückleuchten bestückt, dem zusätzlichen Turmwagen mit sieben Meter hohem Aufbau und dem Wagen der närrischen Senatoren.

Das Erklimmen des Turmwagens über die Hühnerleiter setzt ein gewisses Maß an Gelenkigkeit voraus, doch der Blick von oben entschädigt für den wackeligen Aufstieg. Auf sechs paradiesischen Quadrametern lagert hier das, was die Jeckenherzen in wenigen Stunden höher schlagen lassen wird: Kamelle in jeder Farbe, Form und vielen Geschmacksrichtungen.

Kleine Wunden, zugezogen beim Aufreißen der Chipskartons, sind schnell vergessen, als sich der Tross in Gang setzt. Der erste Halt naht sogleich: Bei der Bäckerei Schmitz gilt es, 5000 in Zellophanfolie verpackte Berliner aufzuladen. Der Turm wackelt, ob das an der Stimmung oder den 1,5 Tonnen Süßigkeiten und Taschentüchern liegt, bleibt unklar. Jetzt geht''s los in Richtung Beuel.

Nächster Stopp: Schaupielhaus. Mit der Zugnummer 39 reihen sich 15 Senatoren und 40 Schwarz-Gelbe-Jonge in die Aufstellung ein. Beim Verlassen des Geländes ertönt er zum ersten Mal, der Schlachtruf der Jecken: KAMELLE! Selbst die Sonne lacht hinter der Beueler Unterführung. Egal ob Polizisten, Bauarbeiter oder Prinzessin in Miniatur - jeder am Wegrand bekommt was in die Tüte. Lediglich der angebundene Langhaardackel am Wegesrand scheint - vom Frauchen auf der Bützjejagd vergessen - noch nicht vom Karnevalsvirus infiziert.

Überall wird der schwarz-gelbe Jubiläumstreck freundlich begrüßt. An Sankt Josef schunkelt die Hohe Geistlichkeit mit den Krankenschwestern und auf dem Wagen heißt es erneut: Nachladen. Die gutgelaunten Menschenmassen auf der Hermannstraße lassen jenen hundert Mal getätigten Ausruf besser verstehen: "Einmol Prinz ze sin!", denn oben macht es - auch als Prinzessin - einfach doppelt Spaß. Mit beiden Händen aus dem Vollen schöpfen und als Dankeschön ein Alaaf der Narren!

Allerdings geht es auf dem Turmwagen sehr sportiv zu: Bei jeder Stromleitung und diversen Ästen ist Ducken angesagt. Am open air-Gürzenich, dem Beueler Rathaus, angekommen, fällt der Blick auf die letzten Blöömsche im Kamellefach. Bis auf eines werden alle in die jubelnde Menge geschmissen. Aber dieses eine bleibt - als Erinnerung an eineinhalb wunderschöne und aufregende Stunden.