Faire Kamelle!

Wer Neuland betritt, experimentiert: mit klein geschnittenen Streifen getrockneter Mangos etwa und mit Cashew-Kernen. Aber als Wurfmaterial für Karnevalisten sahen die Südfruchtstückchen im Minibeutel doch recht fremd und nicht so lecker aus; die Nüsse waren zu teuer.

Alfter-Witterschlick. Wer Neuland betritt, experimentiert: mit klein geschnittenen Streifen getrockneter Mangos etwa und mit Cashew-Kernen. Aber als Wurfmaterial für Karnevalisten sahen die Südfruchtstückchen im Minibeutel doch recht fremd und nicht so lecker aus; die Nüsse waren zu teuer.

Inzwischen machen Erzeugnisse aus fairem Handel im rheinischen Karneval als Kamelle jedoch durchaus Karriere: Chips aus der stärkehaltigen Knollenfrucht Maniok und Schokoladentäfelchen, Fruchtgummi-Riegel und Karamell-Kekse. Rund 100 000 Portionen Süßigkeiten und Knabbereien verschickt das Fair-Handelszentrum Rheinland jährlich an Karnevalsvereine und Dreigestirne, an Zugteilnehmer, Schulen und Unternehmen.

Die Kunden stammen nicht nur aus Karnevalshochburgen im Rheinland, sondern auch aus Rheinland-Pfalz, Hessen und der Eifel. "Das Erstaunliche ist die Selbstverständlichkeit, mit der ganz ohne missionarischen Eifer bei uns geordert wird", berichtet Martin Klupsch.

Internet Weitere Informationen unter www.rfz-rheinland.de und unter www.jeckefairsuchung.orgDer 52-Jährige ist einer der drei Geschäftsführer der Firma, die seit Sommer 2010 von Witterschlick aus fair produzierte Waren und Lebensmittel an Dritte-Welt-Läden, Schulen, Restaurants und Großverbraucher vertreibt. Überall bekannt ist das faire Kamelle-Angebot jedoch nicht."Ich wusste darüber bisher nichts und war angenehm überrascht", sagt Sylvia Nettekoven aus Oedekoven. Die 46-jährige Angestellte lernte Kostproben des Wurfmaterials erst vor wenigen Tagen bei einem Neujahrsempfang kennen.

Nach dem Genuss der Maniok-Chips steht ihr Entschluss fest: Sie will für sich in jedem Fall zwei Kartons mit je 100 Chipstütchen bestellen und als Kamelle verwenden, wenn sie beim Alfterer Karnevalszug in der Frauengruppe "Ausflug" mitgeht. Nicht nur der Geschmack hat Nettekoven überzeugt. Wichtig ist ihr auch, dass hinter diesem Wurfmaterial keine Kinderarbeit steckt, sondern fairer Handel.

"Außerdem sind die Chips ansprechend verpackt, und die Beutel gehen nicht so schnell kaputt." Ihrer Ansicht nach stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis. Das Angebot von Kamelle aus fairem Handel regte 2001 eine Agenda-21-Gruppe in Köln an. Sie baute ihre Aktion zur Kampagne "Jecke Fairsuchung" aus, die unter anderem von den Tatort-Kommissaren Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär unterstützt wird.

Ziel des 2006 gegründeten Vereins "Jecke Fairsuchung" ist es, dass zehn Prozent der Ausgaben für Wurfmaterial auf Erzeugnisse aus fairem Handel entfallen. Neben der GEPA, der größten europäischen Organisation für einen sozialen und umweltverträglichen Handel, stand das Fair-Handelszentrum Rheinland von Anfang an als Bezugspartner zur Verfügung.

Es peppte schon bald einen Teil seines Angebots mit karnevalistischen Verpackungen und Kamellebüggeln auf. Gleichzeitig wird informiert. Auf der Rückseite der Maniok-Chipstüte steht beispielsweise: "Indonesische Maniokbauern schließen sich zu einer Kooperative zusammen und erhalten durch den Fairen Handel bessere Preise und eine langfristige Existenzsicherung."

Doch den großen, organisierten Karneval dafür zu begeistern, ist schwer. "Sie kommen zu früh!" oder "Sie kommen zu spät!", lauteten die Absagen großer Gesellschaften zu Klupschs Akquisebemühungen und signalisierten ihm: "Wolle mer nit." Deshalb freut er sich über Erfolge wie beispielsweise bei den Dreigestirnen in Brühl und den Beueler Wievern, bei der Veedelskundschaft aus Köln und den Jecken aus Oberlahnstein.

Sie setzen auf Klasse statt Masse. "Unsere Sachen konkurrieren nicht mit Billigbonbons. Sie bleiben nicht liegen", weiß Martin Klupsch aus Rückmeldungen und eigenen Erfahrungen als Zugteilnehmer. "Alles, was größer ist als ein Bonbon, erregt Aufmerksamkeit." Ein großer Umsatzbringer seien die Kamelle nicht, sagt Klupsch. "Aber es gibt keine bessere Möglichkeit, Menschen mit fairen Produkten vertraut zu machen, als sie ihnen zu schenken".