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"Der Karnevalswagen wäre fast umgekippt"

"Der Karnevalswagen wäre fast umgekippt"

Die erste Prinzessin und der erste Prinz der Bornheimer Nachkriegszeit erinnern sich an die Anfänge des jecken Brauchtums - Vor 50 Jahren zogen Pferde die Wagen

Bornheim. "Kamelle, Kamelle" riefen die Narren voller Begeisterung. Mit jeckem Hütchen auf dem Kopf und einer Pappnase im Gesicht standen die Bornheimer am Wegesrand und jubelten ihrem Karnevalsprinzen zu. Vor 50 Jahren, 1953, stand Willi Fuhs als erster Prinz nach dem Krieg auf dem Prunkwagen und warf Süßigkeiten unter das Volk.

Jeder bückte sich nach den Rahmkamellen. "Heute hebt die ja schon niemand mehr auf", sagt der inzwischen 80-Jährige. Nicht ein Traktor, sondern zwei Pferde zogen damals seinen Wagen. Mit Prinzessin Maria I. regierte er in der zweiten Session in der Bornheimer Nachkriegsgeschichte.

Ein Jahr zuvor, 1952, hatte es mit dem "Bonneme Zooch" bereits die Wiedergeburt des Bornheimer Karnevals gegeben. Weil sich kein Prinzenpaar fand, wählte der Männergesangverein eine kleine Prinzessin. Annelie Hohmann, geborene Raths, wurde als Mädchen aus dem Ei zum Symbol für die anbrechende Karnevalskultur im Vorgebirgsort.

"Eigentlich sollte mein Bruder der Prinz aus dem Ei werden", erinnert sich die heute 57-Jährige. "Doch er konnte nicht so schön Kusshändchen verteilen wie ich." So wurde die damals Sechsjährige in das große Gipsei gestellt. "Am Morgen des Karnevalssonntags machten wir die Generalprobe, und ich war viel zu klein und verschwand im Ei", erinnert sie sich. Deshalb wurde noch schnell ein kleines Podest gebaut.

Im darauf folgenden Jahr sah es zunächst wieder so aus, als sollte kein Bornheimer für das Prinzenamt zur Verfügung stehen. "Im Dezember hieß es, dass jemand aus dem Nachbarort Prinz werden sollte", so Fuhs: "Das hat mich so gekratzt, dass ich gesagt habe: Dann mache ich es."

Anders als heute waren die Wagen nicht mit zehntausenden bunter Röschen geschmückt. Tannengrün diente als Zierde. "Die ersten Züge waren mit den heutigen nicht zu vergleichen. Alles war viel primitiver", sagt Fuhs, der viele Jahre lang vom so genannten "Juchhu-Balkon" an der Königstraße die Gruppen und Wagen des Zuges vorstellte. Sein eigener Wagen war ein Kelch, aus dem er einen Zentner Kamelle unter das närrische Volk warf.

Auch Hohmann erinnert sich noch ganz genau an ihren großen Auftritt. Im Till-Eulenspiegel-Kostüm, das ihr Vater Heinrich genäht hatte, stand die kleine Annelie in ihrem Ei und verteilte Kusshändchen, Kamelle und eine ganze Kiste Apfelsinen, bis es ihr auf dem Quellenweg Angst und Bange wurde.

"Damals gab es dort noch eine Wasserrinne. Der Quellenweg war ja noch nicht ausgebaut. Mein Wagen mit den zwei schweren Pferden, die vorne zogen, wäre da fast umgekippt und reingefallen", berichtet sie.

Vor und nach dem "Zoch" trafen sich die Jecken früher im Kliehof, der vor mehr als 15 Jahren abbrannte. "Aber die Leute hatten kaum Geld", sagt Fuhs. Das ist für ihn mit ein Grund, dass damals kaum einer betrunken war. "Ich habe an beiden Tagen vielleicht zwei Fläschchen Cola getrunken, aber gar kein Bier", so Fuhs. Alkohol im Zug zu trinken, sei verpönt gewesen.

1952 erstürmten die Bürgergarde und das Tanzcorps mit den Jecken noch wahrlich das Bürgermeisteramt. In der mit Luftschlangen geschmückten Wirkungsstätte von Bürgermeister Hubert Schäfer wurde Annelie an Weiberfastnacht symbolisch aus der Taufe gehoben. Amtsdirektor Hans Dietz präsentierte die Personifikation der fünften Jahreszeit den Jecken. Wilhelm Löhrer von der 1952 gegründeten Karnevalsgesellschaft führte Regie.

Nicht ganz so entspannt war die karnevalistische Amtsübernahme im Jahr danach. "Bis kurz vor meiner Proklamation hatte ich noch kein Prinzenkostüm. Eine Woche vorher sind wir nach Korschenbroich gefahren und haben es dort ausgeliehen", erinnert sich Fuhs.

Bei der Erstürmung des Bürgermeisteramts nach dem Zug führte Amtsdirektor Dietz ihn und Prinzessin Maria I. in sein Zimmer. "Wir saßen da und hatten kein Wort zur Unterhaltung. Das war ja für uns alle neu. Es war mäuschenstill", sagt Fuhs. Das Eis brach erst, als die Chefsekretärin kam und fragte, ob die Angestellten Karneval feiern dürften. Die Freigabe war im Eifer des Gefechtes vergessen worden.

In diesem Jahr steht der Ortsausschussvorsitzende Peter van den Berg zusammen mit seiner Frau Vroni den Jecken vor. Die Prunkwagen sind größer geworden, und Kamelle regnet es nur noch selten. Chips, Taschentücher und ganze Tafeln Schokolade werfen die Karnevalisten unter das närrische Volk.

"Wir haben in jedem Jahr fast 950 Zugteilnehmer und in der Regel 10 000 Zuschauer an den Straßenrändern", berichtet Peter IV. Zwischen 50 und 60 Gruppen beteiligen sich jedes Jahr am Zug. In all den Jahren ist eines gleich geblieben: Die Jecken ziehen wie früher am Karnevalssonntag durch die Straßen.