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Rock'n'Roll auf dem Campingplatz

Rock'n'Roll auf dem Campingplatz

Wenn es nach Landstürmern geht, schlagen Urlauber aus aller Welt auf Rheinbachs Altstadtplatz Zelte auf - Willi Schneider sagt "zum Abschied leise Servus"

Rheinbach. "We will, we will rock you", dröhnt es aus fünfhundert Kehlen durch die Stadthalle. "We will, we will rock you." Tausend Hände klopfen und klatschen den Rhythmus dazu. Was ist das hier eigentlich - ein Konzert?

Ein Blick über die wogende Menge der Trapper und Jungs in Polyester-Trainingsanzug und Badelatschen, der Männer in Bermudas und Frauen im Sommerfrischler-Look gibt die beruhigende Gewissheit zurück: Ich bin richtig. Denn wenn sogar wandelnde Duschkabinen aus dem Häuschen sind, kann es sich nur um diese Karnevalssitzung handeln, bei der ein Dutzend Rheinbacher Landeier mächtig viel Wind machen - der legendäre Landsturm eben.

Es ist Freitag, die erste von drei Sitzungen, die je fünfhundert Glückliche erleben dürfen. Der Abend ist noch jung, aber die Hände brennen schon vom Klatschen - und es gibt kein Herz, das nicht längst für diese Landstürmer schlägt. "Do lachste dich kapott, dat nennt me Cämping" haben die als Motto ausgegeben.

Jene Lebensform, die sie so definieren: "Wenn man die eigene langsam fortschreitende körperliche Verwahrlosung als Urlaub empfindet." Und das in Rheinbach? Bisher gab es da nur den Wohnmobilabstellplatz am Freizeitpark. Den überlassen die Landstürmer in Zukunft großzügig vagabundierenden Wohnwagen-Holländern wie Fred Paral.

Das echte Camper-Leben wünschen sie sich im Herzen der Stadt - auf dem Altstadtplatz, "so groß und so gemütlich wie der Rote Platz und auch als Raketenabschussbasis geeignet". Zwischen Pützstraße und Weiherstraße, das beweist Janni Feusers Bühnenbild, ist jede Menge Platz für den Mikrokosmos zwischen Zelten, Caravans und Wohnmobilen.

Es fehlt an nichts: Free-Climbing an der alten Stadtmauer, Tauchen im Kanal, der "Abenteuerspielplatz Schweigelstraße" ist nicht weit und für gewisse Bedürfnisse steht am Prümer Wall der Donnerbalken bereit. Die Stadt scheut keine Kosten, wie ein Bauschild verrät, um "vollluftklimatisierte wartungs- und personalfreie gebührenpflichtige Superluxus Dixie Plumpsklos" zu errichten.

Es ist der Tag der offiziellen Eröffnung, und der Platzwart (Thomas Zimmer im Hausmeister-Krause-Look) und sein stotternder Freund Herbert (Hans-Peter Eich) haben mit den Vorbereitungen alle Hände voll zu tun, inklusive Rapport an den Bürgermeister ("Siischer, siischer, Herr Raetz, verehrungswürdiger Herr Chef").

Die Camper lassen auch nicht lange auf sich warten, und es ist schon erstaunlich, was sich da so tummelt: Indianer-Häuptling "Wackelnde Hose", alias Willi Schneider, baut sein Tipi auf, einen Schotten treibt das Wetter aus seiner Heimat ("very nass und very kalt"), ein trinkfester Franzose sucht Unterschlupf, denn "ich weiß nicht, was ich in Meckenheim soll".

Auch ein Rheinbacher Optiker hat sich beim Platzwart angemeldet, um mit seiner "Togo-Connection" für den nächsten Afrika-Trip zu üben. Und alle richten sich ein, "in der bangen Hoffnung, dass der Nachbar kein Meckenheimer ist", einer aus der Stadt, in der "Kempen eine prägende Erfahrung" ist.

Was wäre das Camping-Biotop ohne Kiosk, den weltweit einzigen tragbaren Supermarkt, ("wenn sich schon sonst kein Supermarkt mehr in die Innenstadt traut") und ohne Pommes-Bude, an der ein rheinischer Dittsche im Bademantel, Imbisswirt Ingo und Schildkröte (Josef Pick, Fred Paral, Willi Mertens) über Gott und die Welt sinnieren und darüber, warum Rheinbach keinen Prinzen hat - es gibt diesmal "keinen Kandidaten, der bei der Buurebank ist".

Und was wäre eine Landsturmsitzung ohne kleine Pannen. Da singt Fred Paral einfach den Text seines Pfadfinder-Kumpels Josef Muhr, da kippt Biene Majas ("die Pfeife" Achim Frank) Freund Willi (Harald Assenmacher) mit seinem Blumen-Turm um, der verflixte Liegestuhl widersetzt sich dem Camper-Paar Jacob Mufleh und Willi Mirgartz.

Und wenn bei den "Natural Born Grillers" (Assenmacher, Eich, Frank, Mirgartz und Mufleh) mal einer aus der Reihe tanzt, lassen sie trotzdem die Frauenherzen höher schlagen. Das gilt für "Zeltplatz-Luder" Jacob Mufleh, dem Mann, dem Damenstrumpfhosen am besten passen, ganz bestimmt.

"Wenn der mich fragt, ob ich ihn heirate, gehe ich sofort mit", schwärmt ein weiblicher Fan. Glänzende Augen gibt es nach viereinhalb turbulenten Stunden auch aus einem anderen Grund. Gerührte Landstürmer und ein gerührtes Publikum ehren Willi Schneider, das "letzte verbliebene Gründungsmitglied", wie Hans-Peter Eich sagt.

Er kehrt der Bühne den Rücken, mit 80. "Sag zum Abschied leise Servus" stimmt er an, und es ist, als klänge die vorher so feste Gesangsstimme ein wenig brüchig. Jetzt stehen alle im Saal, auch sein alter Landsturm-Kumpel Franz Mostert hat sich erhoben. Er weiß von seinem Abschied im vergangenen Jahr: Das tut weh.