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Aus Binder grau lang wird Binder grau sehr kurz

Aus Binder grau lang wird Binder grau sehr kurz

Bad Breisiger Möhnen versetzten einst einen Wehrpflichtigen in Angst und Schrecken, denn er kannte weder Wieverfastelovend noch die Rituale der ausgelassenen Frauenschar

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Heute ist Weiberfastnacht. Jecke Wiever, auch Möhnen genannt, sind außer Rand und Band. Sie stürmen Rathäuser und Säle, ziehen durch die Straßen und machen ganze Städte und Dörfer im Wortsinne unsicher.

Der Rheinländer als solcher und der männliche AW-Bürger im speziellen kennen das Prozedere. Sie drücken entweder die Augen zu und arbeiten weiter, oder, wenn zugelassen, feiern einfach mit.

Was jedoch einem Menschen widerfahren kann, der erstens kein Rheinländer ist und zweitens noch nie was von Möhnen gehört, geschweige denn gesehen hat, davon kann Wolfgang Duschek ein Lied singen. Es ist zwar ein altes Lied, denn es wurde 1967 komponiert, doch für ihn ist es bleibende Erinnerung.

1967 kam der gebürtige Bochumer als Wehrpflichtiger an die Ahr, genauer gesagt zum Kommando Depotorganisation Heer, dem heutigen Logistikzentrum. Das gefiel ihm. Denn erstens hatte er Dienst in der Außenstelle Bad Breisig, dem heutigen Rheinhotel "Vier Jahreszeiten". Zweitens hatte er, obwohl nur Schütze, ein Einzelzimmer in einem Hotel am Bad Neuenahrer Bahnhof, und drittens sah er seinen Spieß höchstens einmal pro Woche.

Die ersten Wochen ging alles glatt. Doch dann kam der schwere Tag, von dem er nicht wusste, dass er auch Schwerdonnerstag heißt. Morgens noch schnell ins Depot an der Landgrafenstraße zur "Muschkoten"-Impfung - "Maul- und Klauenseuche oder so was" - machte sich der damals 22-Jährige mit dem Kübelwagen auf nach Bad Breisig.

Doch da standen am Ortseingang "irgendwelche vermummte Gestalten und sperrten die Straße". In die Eisen getreten, machte Duschek erst einmal ein Gesicht, dessen Ausdruck als fragend noch unzureichend beschrieben wäre. Denn es gab keinen Tagesbefehl, der bei der Identifizierung des mutmaßlichen Feindes hätte hilfreich sein können. Und dann machten die Gestalten auch noch die Tür auf: "Zwei Mark, Bützchen oder Schlips."

Nach und nach die Gestalten als Frauen älteren Jahrgangs identifizierend, machte Duschek seine Rechnung auf. "Zwei Mark sind für einen Wehrpflichtigen viel Geld, kommt also nicht in Frage. Der Binder grau lang (so heißt der Schlips im Bundeswehrdeutsch wirklich) ist Staatseigentum, muss also verteidigt werden. Also muss ich küssen."

Von dem Ansinnen der Möhnen nicht gerade angetan, spitzte er die Schnüss: Dann fielen sie über ihn her. Bützen hier, Bützchen da. Dem Rekruten wurde derart schummrig, dass er seine ausbildungsmäßige Vorsicht vergaß. Und aus Binder lang grau wurde trotz der Aufopferung des Soldaten ein Binder grau ziemlich kurz.

Die Wiever ließen den jungen Mann ziehen. Wolfgang Duschek zog es zum Dienst. Nur ein Gedanke beschäftigte ihn. "Wie sag ich es meinem Kleiderbullen?" Der lauerte des Abends dort, wo morgens der Tag des Soldaten begonnen hatte, an der Landgrafenstraße.

Bedröppelt, nach Erklärungen suchend und auf nicht gerade freundliche Worte gefasst, legte der junge Mann den Rest seines einst stolzen Binders auf den Tresen der Kleiderkammer. Doch der Bulle grinste nur: "Jong, räch dich net op. Mir han noch mie davon. Et ist Wieverfastelovend."

Wolfgang Duschek - heute Pensionär - blieb übrigens an der Ahr.