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24 Zentner Zierlichkeit in weißen Tüllröckchen

24 Zentner Zierlichkeit in weißen Tüllröckchen

Die "Los Graziellos" tanzen seit zehn Jahren "Schwanensee" - Aus der Idee des Ehrenkommandanten der Meckenheimer Stadtsoldaten, Karl Siegberg, ist eine feste Institution geworden

Meckenheim. Ein Sprung, und für einen Wimpernschlag gehen 1 199 Kilogramm in die Luft. 140 Meter weißer Tüll fliegen auf. Zehn lange Unterhosen Marke Feinripp sind ebenso Markenzeichen dieser Stadtsoldaten wie ihre weißen Turnschläppchen, Größe "Männerballett".

20 kräftige Beine schwirren zur Musik von "Schwanensee" über die Bühne, bis das Fliegengewicht, "Adda" (Adolf) Vollberg, im Schlussbild über den Köpfen seiner "Schwäne" schwebt. Das Männerballett des Stadtsoldaten-Corps, die "Los Graziellos", ist seit zehn Jahren ein Klassiker des Meckenheimer Karnevals.

Eine verwunschene Schwanenprinzessin mit ihren Prinzen als ein Zug verbannter wilder Schwäne - ein Stoff, aus dem Pjotr Iljitsch Tschaikowski ein weltberühmtes Ballett-Stück gewoben hat.

In acht Tülllagen zu je 14 Metern machen die Akteure seit zehn Jahren in Meckenheim Furore. Diese komischen Großvögel gehen anders als die Vorlage freiwillig in die "Verbannung", sobald die zehn Soldaten die schweren Stiefel des Corps mit luftigem Stoff vertauschen. So erleichtert, gelingt der "Jeté", der Sprung von einem Bein auf das andere - wie ein Vögelchen.

Der Prinz der Urgesteine des Meckenheimer Karnevals ist ein "echter". Robert Klimaschewski ist ein Graziello in Doppelfunktion. Wenn der Karnevalsprinz auf der Bühne bützt, kann er nicht tanzen.

Über Nachwuchssorgen braucht die Gruppe trotzdem nicht zu klagen, denn Helmut Keßel, Robert Klimaschewski und Werner Mazur senken den Altersdurchschnitt der "verwunschenen Prinzen" auf 53,7 Jahre.

Das Krönchen der Primaballerina gebührt Adda Vollberg, einem Mann in gehobener Stellung, den seine Mitschwäne mehr in der Luft schweben lassen als dass er tanzt. Aus praktischen Gründen, denn er ist ein Leichtgewicht.

Wie beim Vorbild "Schwanensee" ist nichts wie es scheint. Trainerin Silke Kolvenbach erinnert mit Engelsgeduld sanft an die vereinbarte Choreographie: "Papa, der andere Arm." Mit dem ersten Ton "knipst" Helmut Keßel ein "engelhaftes" Gesicht ein. Schaut man in solch scheinheilige Mienen, dann kommt der falsche Verdacht auf, dass zehn "artige" Schwäne auf jeden Fingerzeig der 58 Kilogramm leichten "Chefin" hören. "Ein Sack Flöhe ist leichter zu hüten." Ihre Urgesteine gelten seit jeher als "undressierbar".

Die Streiche der "alten Garde" sind in Meckenheim Legende. Kaum war die Idee im letzten Amtsjahr des heutigen Ehrenkommandanten Karl Siegberg, einmal "Schwanensee" zu tanzen, geboren, erklärte er mit Manfred Gabel, Friedhelm Hammerschlag, Siggi Melzig, Peter Wallraff, Ludwig Zimmer und Wolfgang Schmitz "Los Graziellos" zur Geheimsache.

Das klammheimliche Training mit einer Ballettschülerin in einer Turnhalle auf dem Venusberg war ein Kraftakt, stöhnt Siegberg, der inzwischen nicht mehr aktiv ist: "Wir sind am Anfang mehr gekrochen als gegangen."

Der Ehrgeiz war stärker als der Muskelkater, der Erfolg überwältigend. Kaum trippelte die gewaltige "Überraschung" zur Jubiläumsveranstaltung "125 Jahre Stadtsoldaten-Corps" über die Bühne, riss sie ihre Fans zu Begeisterungsstürmen hin. Die "statse Kerls in Tütüs" wurden auf Anhieb zum Dauerbrenner. Manager Hubert Wesseling kümmert sich um die Musik.

Betreuerin Karin Wallraff kämpft gegen schwarze Flecken auf den weißen Hosen, schlappe Tütüs und kaputte Schläppchen. Zurzeit zerbrechen sich die zehn Männer den Kopf, was zum Programm dazu kommen soll.

Kolvenbach stöhnt über "endlose Diskussionen". Die Auftritte der sensiblen Vögel sind rar, denn die Maxime steht fest: "Wir gehen nicht zu allen Wettkämpfen." Zumindest nicht zu solchen, wo es akrobatisch wird. "Das hat mit klassischem Männerballett nichts mehr zu tun", sagt Wesseling.