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Nur der Hanswurst durfte alles sagen

Nur der Hanswurst durfte alles sagen

Seit rund 150 Jahren gibt es in Rheinbach organisierten Karneval - Der erste närrische Umzug schlängelte sich 1853 durch die Straßen - Sehr beliebte Maskenbälle

Rheinbach. Die Session 2002/03 steuert ihrem Höhepunkt entgegen. Millionen von Jecken werden die Zugwege in den rheinischen Karnevalshochburgen und in den Dörfern säumen. Schon seit über 150 Jahren wird in Rheinbach gebützt und geschunkelt.

Wichtige Quelle zur Geschichte des Karnevals in Rheinbach ist das Rheinbacher Kreisblatt, ein seit 1849 wöchentlich erscheinender Anzeiger für die Bürgermeistereien Rheinbach, Adendorf, Münstereifel, Cuchenheim und Ollheim. Außer dem Rheinbacher Kreisblatt sind alle sonstigen, eventuell noch vorhandenen Dokumente einem Archivbrand im Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen.

Aus den Anzeigen im Kreisblatt ist zu entnehmen, dass seit Mitte des 19. Jahrhunderts strukturierter Karneval stattfand. Dafür gründeten sich jeweils einige Wochen vor Beginn der Karnevalswochen, meist ab dem 6. Januar, Komitees, Gesellschaften oder Räte, die den Karneval an den tollen Tagen organisierten.

Diese waren teils wie Vereine strukturiert, da es Vorsitzende und Kassenführer gab, deren Namen jedoch meist unbekannt blieben. Auch Narrenkappen und Liederbücher sind Zeichen solch fester Strukturen.

Die Komitees hatten ihre Stammtreffpunkte in Gastschänken, oft waren es Stammkneipen. Bei den vorsessionalen Zusammenkünften wurde neben der Planung der neuen Session auch gefeiert. Büttenreden, Theater- oder Gesangsdarbietungen waren auch schon vor den Karnevalstagen üblich.

Wichtigste Karnevalstage waren der Fastnachtssonntag und Rosenmontag, aber auch Weiberfastnacht und Veilchendienstag wurden vom Karnevalstreiben bestimmt. An diesen Festtagen prägten vor allem die von den Komitees veranstalteten öffentlichen Maskenbälle das Bild. Die Verkleidung war damit wichtiges Element auch im Rheinbacher Karneval.

Karnevalsumzüge gab es nicht regelmäßig. Der erste sicher belegte Zug in Rheinbach fand am Fastnachtssonntag 1853 statt. Aber auch 1854, 1863 und 1903 sind Umzüge belegt. Diese begleiteten neben geschmückten Festwagen auch Pferde und maskierte Fußgruppen. Ob im 19. Jahrhundert bereits "Kamelle" geworfen wurden, ist nicht festzustellen.

Neben den Komitees beteiligten sich auch die Rheinbacher Wirte am Karnevalsgeschehen. Sie nutzten ihn kommerziell, indem auch sie Masken- und Tanzbälle veranstalteten. Auch von Hutgeschäften ist belegt, dass sie auf den Karneval reagierten und Narrenkappen und Kostüme verkauften. Dieses impliziert, dass der Karneval in Rheinbach wohl von der Bevölkerung akzeptiert und mitgetragen wurde.

Hauptgestalt des Rheinbacher Karnevals im 19. Jahrhundert war nicht wie später der Prinz Karneval. Vielmehr trat immer wieder die nicht existierende Gestalt des Hanswurstes auf. Diesem ist es so auch erlaubt, lokalpolitische Kritik wie zum Beispiel an der Straßenbeleuchtung zu üben. Ansonsten scheint der Rheinbacher Karneval eher unpolitisch gewesen zu sein. Zumindest in den Anzeigen fanden sich keine solchen Tendenzen.

Trotzdem ist festzuhalten, dass der Karneval im 19. Jahrhundert soziale Veränderung widerspiegelt: das Stadt- und Bildungsbürgertum kam zu neuem Einfluss und Selbstbewusstsein, es schuf sich im Fest eine Form der Selbstdarstellung.