Der letzte Versuch

Nachwuchsmangel und Karnevalsmüdigkeit machen es Damenkomitees schwer, die traditionelle Weiberfastnacht aufrecht zu erhalten - Die Aufnahme von Männern gilt trotzdem nur als Notlösung

Rhein-Sieg-Kreis. Das Licht in der Gaststube ist schummrig, an den Tischen sitzen plaudernde Gäste. Das Stimmengewirr wird von Lachen übertönt. Es kommt von einem Ecktisch in der Heimerzheimer "Linde", an dem einige Frauen offensichtlich gute Laune haben. Was wirkt wie entspannter Feierabend, ist ehrenamtliche Arbeit für das örtliche Damenkomitee "Goldene Herzen". "Wir treffen uns hier einmal im Monat, um Spaß für andere zu organisieren", sagt die Vorsitzende Vera Weber. "Und dabei haben wir selbst Spaß." Allerdings ist der kurz vor dem offiziellen Beginn der neuen Session gedämpft - von Nachwuchssorgen. Denn an dem Tisch in der "Linde" sitzen die letzten sieben "Goldenen Herzen".

Damit stehen die Heimerzheimerinnen nicht allein: Viele Damenkomitees in der Region haben mittlerweile das Problem, das gewohnt gute Niveau bei Proklamationen und Sitzungen mit immer weniger Kräften aufrecht zu erhalten. "Die Weibersitzung bei uns in Sechtem klappt immer gerade so, aber ich habe überhaupt keine Zeit, die Sitzung zu genießen, weil ich entweder in der Umkleide oder auf der Bühne bin", klagt Hildegard Wolf vom Damenkomitee "Drette Plöck". Dabei stehen die Sechtemerinnen mit 18 Aktiven, die sich um die Weibersitzung als traditionellen Sessions-Höhepunkt jecker rheinischer Frauen kümmern, noch relativ gut da.

Der hohe Arbeitsaufwand, der dem verdienten Spaß an den Karnevalstagen im Weg steht, und die gleichzeitig schwindenden Mitgliederzahlen veranlassten die "Tonmöhne" in Witterschlick bereits zu einem eigenwilligen Schritt: Das Damenkomitee nahm Männer auf. Seitdem nennt es sich natürlich nicht mehr Damenkomitee, trägt aber als Karnevalsverein weiter den Traditionsnamen von 1947.

"2003 war es so schwierig, den Verein aufrecht zu erhalten und die beiden großen Sitzungen rentabel zu organisieren, dass die Idee zur Aufnahme von Männern aufkam", berichtet Manuel Klein, Pressewart der Tonmöhne. "Beim Auf- und Abbau auf der Bühne oder bei Programmpunkten haben Männer schon früher mitgeholfen." Klar ist: Für eine Sitzung mit gebuchten Kräften braucht man viel Geld und ein großes Publikum, um die Kosten decken zu können.

Andererseits braucht man für ein Sitzungsprogramm ohne bezahlte Gastauftritte zahlreiche Freiwillige, die sich auf und hinter der Bühne aktiv beteiligen. Ein Dilemma für die Damenkomitees.

Noch in den 70er Jahren waren 15 Damen bei den "Goldenen Herzen" in Heimerzheim dabei. Woran es liegt, dass junge Frauen den Damenkomitees den Rücken kehren und die Sitzungen immer weniger Besucherinnen haben, dafür suchen die Karnevalistinnen seit längerem Erklärungen. "Am Rosenmontag ist die Begeisterung, sich zu engagieren und zu uns zu kommen, immer groß, aber das lässt leider jedes Jahr schnell nach", sagt Weber, die seit sechs Jahren vergeblich um Nachwuchs wirbt.

"Viele Frauen sind heute berufstätig und haben keine Zeit, sich für das Brauchtum zu engagieren", gibt Roswitha Born von den "Fidelen Burgfrauen" aus Wormersdorf zu bedenken. "Gerade junge Frauen haben Angst, Zeit zu investieren und nicht alles gleichzeitig zu schaffen", pflichtet Marita Velten, zweite Vorsitzende der "Goldenen Herzen", bei. Aber auch der Sitzungskarneval an sich scheint für den Nachwuchsmangel und das fehlende Publikum verantwortlich zu sein. Viele feiern lieber auf der Straße und tanzen, statt sitzend Büttenreden zu lauschen. "Eine Dame sagte mir einmal, sie wolle feiern, statt einen ganzen Nachmittag zuzuhören", erzählt Born.

In diesem Jahr sollen in Heimerzheim deshalb fast nur Musikgruppen bei der Weibersitzung auftreten, um für lockere Stimmung zu sorgen. Aber auch die traditionellen Uniformen scheinen eine Hürde für den Eintritt in die Damenkomitees zu sein. Born: "Meine 25-jährige Tochter ist unser einziges junges Mitglied, und die zieht die Uniform gar nicht an." "Peppig sind die wirklich nicht, da könnte man sich mal Gedanken machen", meint auch Velten, während Vereinskollegin Monika Schaaf widerspricht: "Aber zum Karneval gehören Uniformen doch dazu." In Sechtem tragen die Damen manchmal nur ein schlichtes weißes T-Shirt, eine schwarze Hose und ein rotes Tuch, um ein einheitliches Bild abzugeben und "den Verein nach außen sichtbar zu machen", sagt Wolf. Auch T-Shirts mit Vereinsaufdruck wurden andernorts schon als Uniform-Alternative gewählt.

Über die Möglichkeit, gemeinsame Sitzungen mit anderen Komitees zu organisieren, hat allerdings keiner der jecken Weibervereine nachgedacht. Die Kooperation stellen sich die Närrinnen schwierig vor. "Man muss zusammen passen", sagt Roswitha Born. Jeder Verein habe doch andere Macken, sagen die Heimerzheimer Damen. Also doch eher Männer zulassen oder Kinderbetreuung während der Sitzungen anbieten? Die kommende Session wird zeigen, ob solche Ideen Wirkung zeigen.

Weiberfastnacht

Die Geschichte vom Frauenkarneval geht im Kölner Raum vor allem auf die Klöster zurück: Schon im Mittelalter sollen die Nonnen am Donnerstag vor Fastnacht ausgelassen gefeiert haben. Für das tolle Treiben auf Kölner Straßen am Weiberfastnachtstag zeichneten später eher die Marktfrauen verantwortlich. Die Keimzelle des Möhnenkarnevals liegt in Beuel, wo sich ledige Frauen zusammenschlossen, denen der Karneval nicht zugänglich war. Am Weibertag übernehmen sie die Macht. Möhnenvereine gibt es seit den 1920er Jahren.